Wolfgang Marktl
Die biologische Rhythmizität bezieht sich einerseits auf die morphologische Ebene, was bedeutet, dass funktionelle Rhythmen im Bereich der Gene, von Zellen, Organen und Geweben, dem gesamten Organismus bis hin zu Populationen nachgewiesen werden können. Eine zweite Ebene betrifft unterschiedliche Periodenlängen der Rhythmen von Millisekunden bis in den Bereich von Jahren. Es besteht eine Zuordnung zwischen den Periodenlängen und der funktionellen Bedeutung der Rhythmen. Der biologischen Rhythmizität kommt die Aufgabe der endogenen und exogenen Synchronisation zu. Endogene Synchronisation wird mit den Rhythmen mit einer Periodenlänge von weniger als 24 Stunden in Zusammenhang gebracht und dient somit der Aufrechterhaltung einer zeitlichen Ordnung zwischen den rhythmischen physiologischen Funktionen. Rhythmen mit einer Periodenlänge von 24 Stunden und darüber haben die Aufgabe der exogenen Synchronisation, d.h. der optimalen Einpassung der endogenen physiologischen Rhythmen an die Rhythmen der natürlichen Umwelt. Der von Jürgen Aschoff geprägte Satz, wonach der Mensch ein rhythmisch gegliedertes Wesen in einer rhythmisch gegliederten Umwelt ist, bringt dies klar zum Ausdruck.
Die Zeitstruktur des menschlichen Organismus ist genetisch determiniert. Die Synchronisation der endogenen Rhythmen mit den exogenen Rhythmen der Umwelt wird durch rhythmische Signale aus der Umwelt bewerkstelligt. Nach einem Vorschlag von Aschoff werden diese rhythmischen Signale aus der Umwelt mit dem Begriff „Zeitgeber“ bezeichnet. Die Zeitgeber legen die Form und Periode der endogenen Rhythmen fest und gewährleisten damit deren optimale Anpassung an die Anforderungen der Umwelt. Für den Menschen spielen der Hell-Dunkel-Wechsel und soziale Einflüsse die wichtigste Rolle als Zeitgeber. Wie aber vor allem in den letzten Jahren gezeigt werden konnte, unterliegen die Gene der peripheren Zelle aber auch der Zeitgeberwirkung einer regelmäßigen Nahrungszufuhr (1). Dieser Einfluss des Nahrungsaufnahmezyklus ist besonders in der Leber ausgeprägt und spielt bei anderen peripheren Organen wie z.B. der Lunge eine nur untergeordnete Rolle (2). Als Mechanismen für die Vermittlung der Zeitgeberwirkung der Nahrungszufuhr werden Insulin, die Aktivität der AMP-Kinase und die Kerntemperatur bzw. die nahrungsinduzierte Thermogenese diskutiert. Die Tabelle 1 gibt einen Überblick über verschiedene ernährungs- und stoffwechselassoziierte Funktionen, bei denen biologische Rhythmen eine Rolle spielen. Alle diese rhythmischen Prozesse können unter basalen Bedingungen nachgewiesen werden, sie werden aber durch Umweltfaktoren beeinflusst und modifiziert, wie sie in der Tabelle 2 aufgelistet sind.
Chronobiologie der Nahrungsaufnahme
Der Zeitpunkt der Nahrungszufuhr kann das Körpergewicht, die Plasmakonzentrationen verschiedener Hormone, die Körperkerntemperatur, den Blutdruck, die Substratoxidation und die gesamte oxidierte Substratmenge beeinflussen. Der Spitzenwert der Oxidation von Kohlenhydraten und Fetten tritt nach einer Morgenmahlzeit rascher auf als nach einer identischen Mahlzeit am Abend. Die thermogene Wirkung der Proteine ist nach einer Morgenmahlzeit deutlicher ausgeprägter als nach einer Abendmahlzeit. Die bekannte Tatsache, dass abendliche Mahlzeiten eher zu einer Gewichtszunahme führen als morgendliche wird auch von den Ergebnissen der Chronobiologie unterstützt (2). Hormone und Transmitter, die bei der Regulation von Hunger und Sättigung eine Rolle spielen, weisen eine circadiane Rhythmizität auf. So ist die Leptinkonzentration im Plasma während der Nacht hoch und geht mit einer Abnahme des Hungers einher, hingegen während des Tages niedrig mit einem dementsprechend stärkeren Hungergefühl (2).
Chronobiologie der Verdauung
Motorik und Sekretion im Magen-Darm-Trakt unterliegen tagesrhythmischen Schwankungen, die zum Teil auch in der Pharmakotherapie berücksichtigt werden. Grundsätzlich zeigen Motorik und Sekretion im Magen-Darm-Trakt ein gegensätzliches circadianes Verhalten. Die interdigestive und digestive Motorik ist in der Nacht geringer als am Tag (3). Die basale Magensäureproduktion ist am höchsten am Abend und am niedrigsten am Morgen. Dies wird mit der Aktivität der parasympathischen Innnervation in Zusammenhang gebracht, weil dieser Circadianrhythmus nach Vagotomie erlischt. Der basale Rhythmus der Magensäuresekretion wird allerdings durch die Nahrungszufuhr stark überlagert. Nahrungszufuhr am Tag führt zu einer deutlicheren Magensekretionssteigerung als während der Nacht.
Circadianes System & endokrine Kontrolle des Stoffwechsels
Die Mehrzahl jener Hormone, die an der Regulation des Energiestoffwechsels beteiligt sind, weisen circadiane Rhythmen auf. Beispiele dafür sind Insulin, Glucagon, Adiponectin oder Leptin. Eine Störung der Circadianrhythmen dieser Regulatoren ist mit Adipositas, Hyperinsulinämie, Dyslipidämie, einem erhöhten Risiko für Diabetes Typ 2 und cardio-vasculäre Erkrankungen verbunden (4). Die circadianen Rhythmen von Glukose und Insulin im Plasma werden vom Nucleus suprachiasmaticus im Hypothalamus geregelt und verschwinden bei Läsion dieser Struktur. Diese Rhythmen weisen auch eine enge Beziehung zu Veränderungen der Nahrungszufuhr und des Verhaltens auf. Der tägliche Anstieg der Plasmaglukosekonzentration hängt mit der sympathischen und parasympathischen Innervation der Leber zusammen.
Das Stoffwechselgleichgewicht steht in Beziehung zur Integration des Glukose- und Fettstoffwechsels auf Organebene und ist damit auch von einer zeitlichen Synchronisation verschiedener peripherer Oszillatoren z.B. in Lunge, Leber oder Muskulatur abhängig.
Die Circadianrhythmen der Insulin- und Glucagonsekretion aus dem endokrinen Pankreas hängen mit der Nahrungszufuhr und dem Kohlenhydratstoffwechsel zusammen. Die Insulinkonzentration im Plasma steigt vor dem Beginn der Aktivitätsperiode noch vor der ersten Nahrungszufuhr an, während im Gegensatz dazu der Anstieg der Plasmaglucagonsekretion gegen Ende der Aktivitätsperiode erfolgt. Der circadiane Rhythmus der Insulinsekretion bleibt bei Fasten oder bei Zufuhr kleiner, über den Tag verteilter Nahrungsmengen erhalten. Bei Zerstörung des Nucleus suprachiasmaticus gehen jedoch sowohl der Rhythmus von Insulin als auch jener von Glukagon verloren. Diese beiden Rhythmen werden daher einerseits vom Hypothalamus, andererseits von der Nahrungszufuhr reguliert. Auch die Empfindlichkeit der Zielorgane gegenüber Insulin ist tageszeitabhängig. Eine Störung der Rhythmizität verändert die Glukosehomöostase und die Insulinempfindlichkeit mit der Folge einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung metabolischer Störungen wie Diabetes Typ 2 oder cardiovasculärer Erkrankungen. Störungen der Zeitstruktur des Organismus können einerseits zu Adipositas und Stoffwechselstörungen führen, andererseits führen diese Störungen zu einer Veränderung der Synchronisierung und Abflachung der Amplitude der Clock-Gene in verschiedenen peripheren und zentralen Oszillatoren.
Chronobiologie des Glukosestoffwechsels
Die Glukose- und die Insulinkonzentration im Plasma weisen zu Beginn der Aktivitätsperiode den höchsten Wert auf. Bei Nahrungskarenz nehmen die Konzentrationen dieser beiden Parameter erwartungsgemäß ab. Dabei erlischt der Circadianrhythmus der Plasmaglukosekonzentration, jener der Insulinkonzentration bleibt jedoch erhalten. Daraus kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass der Circadianrhythmus der Plasmainsulinkonzentration nicht von der Plasmaglukosekonzentration abhängig ist, sondern wahrscheinlich von zentralnervösen Instanzen gesteuert wird.
Die Glukosetoleranz zeigt einen ähnlichen Verlauf wie die Plasmaglukosekonzentration. Zu Beginn der Aktivitätsphase ist die Glukosetoleranz besser als am Ende der Aktivitätsphase (5,6,7). Dies betrifft sowohl die Reaktion auf eine orale als auch auf eine intravenöse Glukosezufuhr. Das circadiane Verhalten der Glukosetoleranz wird auf einen dementsprechenden Rhythmus der Insulinempfindlichkeit zurückgeführt. Damit kann auch die Tatsache in Übereinstimmung gebracht werden, dass beim ruhenden Menschen am Morgen bevorzugt Glukose, am Abend hingegen bevorzugt Fett utilisiert wird. Aus diesem tageszeitabhängigen Verhalten der Glukosetoleranz wird die Schlussfolgerung abgeleitet, dass die hohe Plasmaglukosekonzentration in den Morgenstunden bei gleichzeitig hoher Insulinempfindlichkeit den Organismus optimal auf die Aktivitätsperiode mit der Notwendigkeit einer raschen Energiebereitstellung einstellt.
Im Zusammenhang damit ist auch eine Studie von Kräuchi et al (8) von Interesse, in der der Effekt einer kohlenhydratreichen Mahlzeit in den Morgen- bzw. Abendstunden auf die circadiane Phasenlage der Kerntemperatur, der Herzfrequenz und des Melatoningehalts im Speichel untersucht wurde. Nach abendlicher Gabe einer kohlenhydratreichen Mahlzeit waren die Körperkerntemperatur und die Herzfrequenz im Vergleich zu einer morgendlichen identischen Kohlenhydrataufnahme statistisch signifikant höher, der Melatoningehalt im Speichel hingegen vermindert. Die Nahrungszufuhr wird von den Autoren als interner Zeitgeber aufgefasst, auf den verschiedene circadiane Systeme unterschiedlich reagieren.
Chronobiologie des Fettstoffwechsels
Zwischen 7 und 21 Prozent der aktiven Gene, die im weißen und braunen Fettgewebe exprimiert werden, folgen einem tagesrhythmischen Muster (2). Damit tritt neben den qualitativen und quantitativen Gesichtspunkten auch der Zeitfaktor im Zusammenhang mit dem Fettgewebe und der Adipositas in Erscheinung. Adipositas kann nach wie vor als Ungleichgewicht zwischen Energiezufuhr und ‑verbrauch definiert werden. Die damit in Zusammenhang stehenden Vorgänge der Verdauung, der Resorption und des Stoffwechsels werden durch die circadiane Rhythmik beeinflusst. Die circadianen Rhythmen der Lipolyse und Lipogenese zeigen eine Prädominanz der Lipolyse während der Nacht, die für die Fettutilisation verantwortlich ist. Dadurch wird die Frequenz der Hungersignale herabgesetzt und die Notwendigkeit der Nahrungsaufnahme reduziert (2). Während des Tages dominiert hingegen die Lipogenese. Beim Menschen wurde beschrieben, dass bei einer Mahlzeitenzufuhr, die nicht der Phasenlage der Lipoproteinlipaseexpression folgt, eine Tendenz besteht, zirkulierende freie Fettsäuren in ektopischen Geweben zu deponieren wodurch eine „Lipotoxizität“ auftritt (2). Folgen davon sind hepatische, muskuläre und pankreatische Comorbiditäten und das Auftreten eines metabolischen Syndroms. Alle diese Daten weisen auf die Bedeutung der Tageszeit bei der Nahrungsaufnahme hin. Diese circadiane Rhythmizität ist nicht nur auf den zentralen Schrittmacher im Nucleus suprachiasmaticus des Hypothalamus zurückzuführen, sondern es spielen dabei auch oszillatorische Aktivitäten in verschiedenen peripheren Geweben eine Rolle. Mittlerweile ist nachgewiesen, dass in den Adipocyten Clock-Gene vorhanden sind und dass die Expression dieser Clock-Gene in verschiedenen pathologischen Situationen verändert ist. Bei Adipositas und Diabetes weisen die Adipokinine Leptin, Adiponectin und Resistin eine deutlich abgeschwächte bis nicht mehr nachweisbare Rhythmizität auf (2).
Im Zusammenhang mit dem circadianen Schlafmuster und dem Fettstoffwechsel existiert eine Hypothese, wonach die circadiane Rhythmik zwischen dem Schlaf-Wachverhalten, d.h. auch zwischen Schlaf und Nahrungsaufnahme zum Teil mit der Rate an Lipogenese während der Aktivitätsphase und Lipolyse während der Ruhephase zusammenhängt (9).
Die Hormone Prolactin und Cortisol spielen eine wichtige Rolle bei der Regulation der täglichen und saisonalen Änderung der Fettdepots und bei der gegenseitigen Abstimmung von Stoffwechsel, Reproduktion und Verhalten (10). Die hepatische Lipogenese erfolgt bei bestimmten tierischen Organismen in der 2. Hälfte der Aktivitätsperiode. Prolactin stimuliert die Zu- oder Abnahme des Fettdepots in Abhängigkeit davon, ob es in höheren Konzentrationen während den täglichen Zeiträumen von liopogenetischen oder lipolytischen Aktivitäten vorhanden ist. Diese Zeiträume einer unterschiedlichen Empfindlichkeit werden durch die tägliche Photoperiode festgelegt und über die Corticosteroide vermittelt. Der zeitliche Synergismus der circadianen Rhythmen der Corticosteroide und von Prolactin schließt eine Beziehung zwischen den Sensitivitätsrhythmen der Zellen, die in den Lipidstoffwechsel involviert sind, und dem circadianen Rhythmus von Prolactin ein. Die kumulativen Effekte verschiedener zeitlicher hormoneller Muster sind verantwortlich für die saisonalen Schwankungen des Fettdepots. Der zeitliche Synergismus der Corticosteroide und von Prolactin kontrolliert weitere physiologische Funktionen, die Reproduktion und das Verhalten. Dieser zeitliche Synergismus kann z.B. durch Stress beeinflusst werden. Die Wiederholung einer bestimmten Art von Stress zu bestimmten Tageszeiten könnte die hormonellen Beziehungen beeinflussen und eine Veränderung im Fettstoffwechsel herbeiführen. Das Verständnis der Kontrolle der Körperfettspeicher kann daher nicht nur auf der Basis quantitativer und qualitativer Faktoren im Zusammenhang mit der Zufuhr von Makronährstoffen erfolgen, sondern muss auch die Zeitstruktur lebender Organismen berücksichtigen.
Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme & circadianer Rhythmus der endogenen Cholesterinbiosynthese
Zum Einfluss des Zeitpunkts der Nahrungsaufnahme auf den circadianen Rhythmus der endogenen Cholesterinbiosynthese wurden Untersuchungen durchgeführt. In einer Studie von Cella et al. (11) wurde die endogene Cholesterinbiosynthese bei zwei unterschiedlichen Zeitpunkten der Nahrungsaufnahme verglichen. Erfolgte die Nahrungszufuhr um 7h, 11h50 und 16h40 (Basisbedingung) so lag das Maximum der endogenen Cholesterinbiosynthese zwischen 2200h und 0200 und das Minimum um 11h30. Erfolgte hingegen die Mahlzeitenzufuhr um 13h30, 18h20 und 23h10, so trat am ersten Tag das Maximum der Cholesterinsynthese um 6 Stunden verzögert auf, wobei der Zeitpunkt der minimalen Synthese keine Veränderung aufwies. Am 2. und 3. Tag verschob sich das Maximum der Cholesterinsynthese noch weiter und trat erst 8,6 Stunden später auf, dabei verschob sich auch der Zeitpunkt der minimalen Cholesterinsynthese um 6,5 Stunden. Der circadiane Rhythmus der endogenen Cholesterinbiosynthese wird daher vom Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme beeinflusst.
Ein weiterer interessanter Befund dieser Studie war, dass unter der Basisbedingung eine streng negative Korrelation zwischen dem circadianen Rhythmus der endogenen Cholesterinbiosynthese (Maximum während der Nachstunden) und jenem der Cortisolsekretion (Maximum während der Morgenstunden) festzustellen ist. Diese Korrelation geht bei Verschiebung des Zeitpunktes der Nahrungszufuhr verloren, weil das Maximum der endogenen Cholesterinsynthese auf einen späteren Tageszeitpunkt verschoben wird, während sich bezüglich des Zeitmusters der Cortisolsekretion keine Änderung ergibt.
Jahreszeitabhängigkeit von Parametern der Ernährung und des Stoffwechsels
Einige Beispiele für jahreszeitabhängige Parameter des Stoffwechsels und der Ernährung sind in der Tabelle 3 angeführt. Einige zusätzliche Bemerkungen sollen die Bedeutung circannualer Schwankungen von Stoffwechselparametern illustrieren. So ist die Aktivität der Lipoproteinlipase im Fettgewebe und der Muskulatur im Winter höher als im Sommer, wobei dieser Unterschied im Fettgewebe deutlicher ausgeprägt ist als in der Muskulatur. Die Insulinkonzentration im Nüchternplasma ist im Herbst ungefähr doppelt so hoch wie im Frühjahr. Es existieren auch Hinweise für einen circannualen Rhythmus der Glukosetoleranz und der Insulinkonzentration. Ein signifikanter Anstieg des Verhältnisses von Glukose zu Insulin kann im Herbst im Vergleich zum Frühjahr beobachtet werden. Die Insulinreaktion auf eine orale Glukosezufuhr ist im Frühjahr schwächer und langsamer als im Herbst. Schließlich ist die HbA1-Konzentration im Sommer ca. 0,4 Prozent niedriger als im Winter, was auf eine schlechtere Insulinreaktion im Winter hinweist.
Von nicht unerheblicher praktischer Bedeutung ist auch die Tatsache, dass die Cholesterinkonzentration Im Plasma eine deutliche Jahreszeitabhängigkeit aufweist, wie dies auch in der Abbildung 1 zum Ausdruck kommt. Als Ursachen für diese Jahreszeitabhängigkeit wird eine hepatische Überproduktion oder eine Abnahme der LDL-Rezeptoraktivität diskutiert.
Die Daten stammen aus einer Studie an Kurpatienten der früheren Arbeitsgruppe des Verfassers der vorliegenden Übersichtsarbeit (12). Der in der Abbildung aufscheinende Begriff „Cholesterin-Ausgangswerte“ besagt, dass die Bestimmung der Plasmacholesterinkonzentration bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Studie vor Beginn der Kur erfolgt und somit kein Einfluss der darauffolgenden Kur bestand.
Schlussfolgerung und Zusammenfassung
Der Faktor Zeit findet in der konventionellen Medizin nicht ausreichend Beachtung. Dies ist u.a. auch deshalb zu kritisieren, weil Gesundheit und Krankheit nicht nur auf chemisch-morphologischer Basis beurteilt werden sollten, sondern auch der Zeitstruktur des menschlichen Organismus dabei Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Unter dem Begriff der Zeitstruktur ist das Auftreten rhythmischer Phänomene zu verstehen, die ein Kennzeichen der Lebensvorgänge aller Organismen sind. Die rhythmischen Funktionen beziehen sich einerseits auf unterschiedliche morphologische Ebenen und andererseits darauf, dass physiologische Rhythmen unterschiedliche Periodenlängen aufweisen. Kennzeichen des gesunden Organismus ist eine gute Synchronisation der Rhythmen innerhalb des Organismus sowie im Hinblick auf die zeitliche Abstimmung mit den rhythmischen Anforderungen der natürlichen Umwelt. Störungen der Zeitstruktur stehen mit Funktionsbeeinträchtigung und Krankheit in Verbindung.
Im Bereich von Ernährung und Stoffwechsel spielt die Beachtung der Zeitstruktur u.a. bei der Nahrungsaufnahme, Verdauung, dem Energiehaushalt, dem Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel sowie bei der endokrinen Regulation der Stoffwechselvorgänge eine Rolle. Eine Missachtung der Gesetzmäßigkeiten der Chronobiologie von Ernährung und Stoffwechsel kann in eine kausale Beziehung zu stoffwechsel- und ernährungsabhängigen Erkrankungen gebracht werden.
Ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Marktl, GAMED-Wiener Internationale Akademie für Ganzheitsmedizin, Sanatoriumstr. 2, 1140 Wien, E‑mail: marktl@gamed.or.at
Literatur:
1) Stephan FK: The „Other“ Circadian System: Food as a Zeitgeber. J.Biol. Rhythms, (2002), 17 , 284–292.
2) Garaulet M, Madrid JA: Chronobiological aspects of nutrition, metabolic syndrome and obesity. Adv.Drug Deliv. Rev. doi 10 1016/j.addr. 2010.05.005.
3) Sanders SW a. Moore JG: Gastrointestinal Chronopharmacology and Therapeutic Implication. Pharmac.Ther. (1992), 54, 1–15.
4) Stubblefield JJ a. Green CB: Mammalian Circadian Clocks and Metabolism: Navigating Nutritional Challenges an a Rhythmic World. In: LM Gunz ed. Circadian Clocks: Role in Health and Disease. Springer (2016) p. 153 – 174.
5) Agishi Y, Hildebrandt G: Chronobiologische Gesichtspunkte zur Physikalischen Therapie und Kurortbehandlung. Wiss. Schriftenreihe d. Inst.f.Rehab. u.Baln.Bad Wildungen, Bd.2, Kovac, (1997).
6) La Fleur SE, Kalsbeek A, Wortel J, Fekkes ML a. Buijs RM: A Daily Rhythm in Glucose Tolerance. A Role for the Suprachiasmatic Nucleus. Diabetes (2001) 50, 1237–1243.
7) Cornelissen G: When You Eat Matters: 60 Yeras of Franz Halberg’s Nutrition Chronomics. The Open Nutriceuticals J. (2012), Suppl 1‑M2, 16–44.
8) Kräuchi K, Cajochen Chr., Werth E. a. Wirz-Justice: Alteration of Internal Circadian Phase Relationships after Morning versus Evening Carbohydrate-Rich Meals in Humans. J.Biol. Rhythms (2002), 17, 364–376.
9) Danguir J: The relationship between food and sleep. In. Handbook of Physiology Vol. II, Environmental Physiology. Eds. MJ Fregly a. CM Blatteis. Oxford Univ. Press, 1996, p. 1375 – 1387.
10) Meier AH a. Burns JT: Circadian Hormone Rhythms in Lipid Regulation. Amer.Zool. (1976) 16, 649–659.
11) Calla LK, van Cauter E, a. Schoeller DA: Effect of meal timing on diurnal rhythm of human cholesterol synthesis. Am.J.Physiol. (1995), 269, E 878 – E 883.
12) G. Strauss-Blasche, C. Ekmekcioglu, V. Leibetseder, W. Marktl,
Seasonal Variation of Lipid-Lowering Effects of Complex Spa Therapy.
Forsch. Komplementärmed. Klass. Naturheilkd. 10, 78–84 (2003)