„Viel trinken“ – kann genauso schaden wie zu wenig

Juli 2022

Das Motto „Viel trinken ist gesund“ findet sich in diversen Rat­gebern ebenso wie auf Pla­kat­wänden. Dabei wird eine über­höhte Flüs­sig­keits­auf­nahme sug­ge­riert, die über das natür­liche Durst­emp­finden hin­ausgeht. Dass dieses bei Hitze oder kör­per­licher Anstrengung erhöht ist, liegt nahe. Doch ansonsten gilt auch bei der Flüs­sig­keits­zufuhr: Zu viel kann ebenso schaden wie zu wenig. Das zeigen wis­sen­schaft­liche Ergeb­nisse seit einiger Zeit und wird durch eine aktuelle Studie erneut bestätigt.

Mehr Flüs­sigkeit zu trinken als der Körper durch das Durst­gefühl signa­li­siert wird, ist kei­neswegs „gesund für die Nieren“ – im Gegenteil. Ihre Leis­tungs­fä­higkeit sinkt, was sich in einem Nach­lassen der soge­nannten Glo­mu­lären Fil­tra­ti­onsrate (GFR) zeigt. Auch auf die häufig ange­spro­chene „Ent­giftung“ hofft man ver­gebens. Es werden zwar mehr Harn­stoff und einige durch die Nieren pro­du­zierte Sub­stanzen aus­ge­schieden, das bringt aber keinen „Ent­gif­tungs­effekt“ mit sich.

Besondere Vorsicht bei Nieren- und Herzschwäche

Bei gesunden Per­sonen ist der Tole­ranz­be­reich gegenüber einer zu geringen oder zu hohen Flüs­sig­keits­zufuhr relativ groß. Der Körper kann Mangel und Über­schuss relativ gut aus­ba­lan­cieren. Bei chro­ni­schen Erkran­kungen wie einer Herz­schwäche oder einer ein­ge­schränkten Nie­ren­funktion ist der Tole­ranz­be­reich wesentlich kleiner. Eine aktuelle Studie hat gezeigt, dass eine über­höhte Flüs­sig­keits­auf­nahme ebenso schadet wie eine zu geringe und das Fort­schreiten der Nie­ren­schwäche beschleunigt, das Risiko für Nie­ren­ver­sagen steigt. An der fran­zö­si­schen Studie hatten 1265 Pati­enten mit ein­ge­schränkter Nie­ren­funktion teil­ge­nommen. Das Durch­schnitts­alter lag bei 69 Jahren, der Beob­ach­tungs­zeitraum betrug im Schnitt 2,7 Jahre.

Wann viel trinken sinnvoll ist

Eine hohe Flüs­sig­keits­zufuhr kann aber auch hilf­reich sein. Dies gilt zum Bei­spiel bei Nie­ren­steinen bezie­hungs­weise einer Neigung zu Nie­ren­steinen und bei Harnwegsinfekten.

Im All­ge­meinen kann man auf sein Durst­gefühl ver­trauen und stimmt die Trink­menge am besten darauf ab – aus­ge­nommen Men­schen, bei denen das Durst­emp­finden gestört ist. Dies gilt vor allem für alte Men­schen und für Klein­kinder, die von sich aus nicht aus­rei­chend Flüs­sigkeit zu sich nehmen.

 

Red./KG

 

Quellen:

Druml W. Mythos: Trinken ist gut für die Niere? Nutrition-​News 2022; 19: 1–5

Wagner S et al. Water intake and pro­gression of chronic kidney disease: The CKD-​REIN cohort study. Nephrol Dial Trans­plant 2022; 37: 730–739