Spermidin ist eine lebenswichtige Substanz, die mit einer Reihe von Lebensmitteln aufgenommen wird, aber auch vom Körper selbst und von Darmbakterien gebildet wird. Intensive Forschungsarbeiten der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass Spermidin vielfältige positive Auswirkungen auf die Gesundheit besitzt. Damit stellt sich die Frage, ob eine erhöhte Aufnahme über Präparate bzw. Nahrungsergänzungsmittel gesundheitliche Vorteile mit sich bringt. Während dies bei Tieren offenbar der Fall ist – bei vielen Organismen geht eine erhöhte Aufnahme übrigens auch mit einem lebensverlängernden Effekt einher – können in Bezug auf den Menschen noch keine definitiven Schlüsse gezogen werden.
Die im Tierreich beobachteten positiven Effekte betreffen unter anderem das Nervensystem und das Gehirn. Fliegen und Mäuse wurden durch Zusätze von Spermidin in Futter bzw. Wasser leistungsfähiger. Erste Untersuchungen lieferten Hinweise, dass Menschen mit einem subjektiv empfundenen Nachlassen ihrer geistigen Leistungsfähigkeit ebenfalls von einer ergänzenden Aufnahme von Spermidin profitieren könnten.
Nun liegen die Ergebnisse einer größeren Studie vor, die diese Hinweise allerdings nicht bestätigen können. Einbezogen in die Studie waren 100 Personen zwischen 60 und 90 Jahren, die ihre geistigen Fähigkeiten geringer als früher empfanden. Sie erhielten ein Jahr lang ein Spermidinpräparat aus Weizenkeimen in einer täglichen Dosis von 0,9 Milligramm Spermidin. Die Kontrollgruppe erhielt ein Placebo. Die Studie war kontrolliert, das heißt, weder Probanden noch Betreuer wussten um den Inhalt der Kapseln Bescheid. 89 Prozent der Teilnehmer schlossen die Studie ab.
Spermidin: Fragen bleiben offen
Das wichtigste Studienziel war die Gedächtnisleistung bezogen auf Bildinhalte – und dabei konnte nach einem Jahr kein Unterschied zwischen der Spermidin- und der Kontrollgruppe festgestellt werden. Auch bei anderen Messgrößen waren keine Unterschiede zwischen den Gruppen vorhanden, etwa beim verbalen Gedächtnis, der Aufmerksamkeit, der Steuerung und Kontrolle von Bewegungen in Zusammenhang mit Sinneseindrücken.
Eine Ursache für das Ausbleiben einer Spermidinwirkung wird von den Studienautoren in der geringen Dosierung vermutet. Die Dosis von etwas weniger als einem Milligramm entspricht einer 10-prozentigen Erhöhung der in Industrieländern durchschnittlich aufgenommenen Menge, und dies könnte für eine Beeinflussung der geistigen Leistungsfähigkeit zu wenig sein. Eine andere Ursache könnte laut Autoren bei den Studienteilnehmern zu finden sein, die zwar ein gewisses Nachlassen ihrer Fähigkeiten festgestellt hatten, im Grund genommen aber gesund waren. Bei Personen mit tatsächlichen Symptomen einer Demenzerkrankung wie Alzheimer könnten eventuell stärkere Effekte erwartet werden. Jedenfalls sind weitere Studien erforderlich, um diese Fragen zu klären.
Red./KG
Quellen:
Univadis; Schwarz C et al. Effects of Spermidine Supplementation on Cognition and Biomarkers in Older Adults With Subjective Cognitive Decline – A Randomized Clinical Trial. JAMA Netw Open 2022; 5: e2213875