Die Gicht zählt zu den ältesten bekannten Erkrankungen und gilt als Musterbeispiel einer Erkrankung mit einem klaren Zusammenhang mit der Ernährungsweise. Immer deutlicher wird aber auch, dass die Gicht zu den Musterbeispielen für die Schwierigkeiten zählt, gesundheitliche Wirkungen der Ernährung durch solide Evidenzen zu belegen. Denn die altbekannten und durchaus auch belegbaren positiven Effekte einer seit langem empfohlenen und in Leitlinien niedergeschriebenen „Anti-Gicht-Ernährungsweise“ wurden in den vergangenen Jahren durch ebenfalls zahlreiche und fundierte Studien zur genetischen Disposition in Frage gestellt.
Außer Diskussion steht die Hyperurikämie als Basis des Gichtanfalls. Das Risiko korreliert eindeutig mit dem Harnsäurespiegel und steigt bei mehr als 10mg/dl auf über 45 Prozent. Was aber treibt den Harnsäurespiegel in die Höhe?
Genetik als Treiber
Einige große Studien der vergangenen Jahre finden einen überwiegenden Einfluss der genetischen Disposition. Dies hat zum Beispiel eine Metaanalyse von fünf Kohortenstudien mit insgesamt nahezu 17.000 Teilnehmern ohne Nierenerkrankung, uratsenkende oder diuretische Therapie ergeben. Zwar standen Bier, Spirituosen, Wein, Erdäpfel, Geflügel, gezuckerte Softdrinks und rotes Fleisch mit einem Anstieg der Harnspiegels im Serum in Verbindung und Eier, Erdnüsse, Cerealien, Magermilch, Käse, dunkles Brot, Margarine und Nicht-Zitrus-Früchte mit einer Verringerung – ausschlaggebend war die Ernährungsweise aber nicht. Höchstens 0,3 Prozent der Schwankungen im Harnsäurespiegel konnten dadurch erklärt werden. Genetische Faktoren (Single-Nukleotid-Varianten) hingegen waren für 23,9 Prozent dieser Schwankungen verantwortlich. Alles in allem geht man davon aus, dass der Harnsäurespiegel zu 30 bis 75 Prozent von der genetischen Disposition abhängt.
Ernährung spielt mit
Andererseits belegt eine Reihe von Studien einen Zusammenhang zwischen Ernährungsweise und Gicht. Dazu gehört eine große prospektive Kohortenstudie mit mehr als 44.000 Männern ohne Gicht zu Beginn des Beobachtungszeitraums von 26 Jahren. Das Ergebnis: eine typisch „westliche“, also fleisch- und zuckerreiche, Ernährung ging im Vergleich zur DASH-Diät mit einem um 42 Prozent höheren Risiko für eine Gichterkrankung einher. Ein Einfluss der Ernährung lässt sich weiters aufgrund der Ergebnisse einer kürzlich publizierten Analyse der Daten von annähernd 15.000 US-Amerikanern annehmen. Demnach sind Übergewicht und Adipositas mit einem um 44 Prozent erhöhten Gicht-Risiko assoziiert und eine von der DASH-Diät abweichende Ernährungsweise geht mit einem um 9 Prozent erhöhten Risiko einher. Alkoholkonsum ist mit einem um 8 Prozent erhöhten Risiko assoziiert.
Ein wirksamer Treiber des Harnsäurespiegels ist offenbar auch Fruktose, wobei die Herkunft eine wichtige Rolle spielen dürfte. Einer Metaanalyse von Studien mit mehr als 154.000 Teilnehmern zufolge ist eine erhöhte Aufnahme von Fruktose mit Früchten kaum mit einem erhöhten Gicht- und Hyperurikämierisiko verbunden – eine erhöhte Aufnahme über Fruchtsäfte und besonders mit Fruktose gesüßten Getränken jedoch sehr wohl.
Purine besser pflanzlich
Nun ist der Puringehalt von Lebensmitteln zwar wesentlich für die Entwicklung des Harnsäurespiegels, es gibt aber offenbar Unterschiede zwischen Lebensmittelgruppen. Während purinreiche Nahrungsmittel tierischer Herkunft (z.B. rotes Fleisch, Innereien, Meeresfrüchte) mit einem Anstieg des Harnsäurespiegels in Verbindung gebracht werden können, dürfte das bei pflanzlichen purinreichen Produkten (z.B. Hülsenfrüchte, Nüsse, Kohlgemüse, Pilze) nicht der Fall sein. Weder Harnsäure noch das Gichtrisiko dürften dadurch beeinflusst werden – zumindest bei normourikämischen Personen.
Red./KG
Literatur:
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