Mangelernährung tritt im Alter sehr häufig auf. Eine standardmäßige Erfassung des Ernährungszustandes ist daher sehr wichtig. Zur Risikobestimmung muss folgendes ermittelt werden: Alter, Ernährungsbeurteilung, Schweregrad der Erkrankungen/Stressmetabolismus.
Pflegerische Aufgaben im Ernährungsmanagement
Die pflegerischen Aufgaben im Ernährungsmanagement laut Volkert 2011:
1. Erfassung von Mangelernährung (Screening, Assessment)
- Identifikation betroffener und gefährdeter Personen
- Erfassen von Ernährungsverhalten und Verzehrmengen
- Klärung möglicher Ursachen geringer Essmengen bzw. von Gewichtsverlust
2. Berufsgruppenübergreifende Planung und Koordination geeigneter Maßnahmen
3. Umsetzung von Maßnahmen in den Bereichen
- Ernährungsfördernde Gestaltung der Esssituation und Umgebung
- Angemessene Unterstützung und Interaktion bei den Mahlzeiten
- Angemessenes, flexibles Speisen- und Getränkeangebot
4. Beratung, Information und Anleitung von Betroffenen und Angehörigen
5. Monitoring und Evaluation der Maßnahmen und ggf. Anpassung
Zur Quantifizierung der Malnutrition siehe Tab. 1–3. Zu Leitlinien und Standards zur Ernährung in der Geriatrie – Algorithmus zur Qualitätssicherung der Ernährungsversorgung in geriatrischen Einrichtungen siehe Abb. 1.
Parameter zur Malnutritionsdiagnose in der Geriatrie
Parameter zur Malnutritionsdiagnose in der Geriatrie nach Biesalski et al. (2004) lauten:
- Anamnese: Appetitmangel, Essgewohnheiten, Gewichtsabnahme, Alkohol, soziales Umfeld, Medikamente, Ösophagus-Magen-Darm-Symptome, Malignome.
- Anthropometrische Messungen: Körpergewicht (kg), Körpergröße (m), Hautfaltendicke über Trizeps (TSF) in mm (Korrelation: Körper-Fett-Masse), Mitte-Oberarm-Zirkumferenz in cm (Korrelation: Lean Body Mass), Body Mass Index (BMI = Körpergewicht kg / Körpergröße in m2).
- Erhebung biochemischer Parameter: Proteine: u.a. Albumin, Transferrin, Präalbumin, Cholinesterase, Retinol-Binding-Protein; Vitamine: u.a. Vitamin B12, Folsäure, Vitamin A, Vitamin D, Vitamin B‑Komplex, Vitamin C, Β‑Carotin, Niacin; Spurenelemente: u.a. Eisen, Zink, Kalzium, Magnesium, Kupfer, Phosphor, Selen; Andere: u.a. Cholesterin, Triglyceride, Carnitin, C‑reaktives Protein, absolute Lymphozytenzahl, immunologische Hauttests.
Zum Kreislauf der Mangelernährung siehe Abb. 2.
Vom altersbedingten Abbau betroffene Körperkompartimente sind vor allem: Abnahme von Fettgewebe, wie bei einer ungenügenden Nahrungszufuhr; primär Verlust von Muskelprotein (= Sarkopenie); viszerale Organe bleiben relativ verschont.
Zu Mechanismen der Sarkopenie siehe Abb. 3.
Mangelernährung bei Krebserkrankungen
Tumorkachexie (= Zustand körperlicher Schwäche) ist charakterisiert durch fortschreitenden Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit und anhaltende Abnahme von Körperzellmasse als Antwort auf die Proliferation von malignem Gewebe. Aufgrund der damit verbundenen großen Belastung kommt es häufig zu Krebs als Trauma.
Ernährungstherapie bei Krebserkrankungen
Es gibt keine Ernährungsform, die bei Krebserkrankungen eine Heilung bewirkt. Viele „Krebsdiäten“ sind sehr einseitig und teilweise auch gefährlich, da der Körper zusätzlich geschwächt wird. Ziele der Ernährungstherapie bei Krebs:
- Bedarfsdeckende Ernährung, auf den Einzelnen abgestimmt
- Individuelle Ernährungstherapie, statt gut gemeinten Ratschlägen oder „halbwissenschaftlichen Ansätzen“
- Die Notwendigkeit der Zufuhr von speziellen Nährstoffen in Präparatform soll in jedem Fall mit dem Arzt oder Diätologen besprochen werden
In einer multizentrischen Kohortenstudie wurde der während des Krankenhausaufenthaltes stattfindende Abfall des Ernährungsstatus mit einem verlängerten Aufenthalt im Krankenhaus assoziiert (unabhängig von demografischen Faktoren, Unterbringung und Krankheitsschweregrad). Dies legt nahe, dass die Kontrolle des Ernährungsstatus und die Bereitstellung einer adäquaten Ernährungsbetreuung bei hospitalisierten Patienten wichtig ist. (Allard et al, 2016)
Eine niederländische Studie aus 2016 liefert Vergleichsdaten für die Prävalenz der Unterernährung mit mehr als einer halben Million Patienten. Einer von 7 Patienten wurde als unterernährt diagnostiziert. In der Geriatrie, Onkologie, Gastroenterologie und Inneren Medizin war die Quote sogar höher (1 von 3–4 Patienten). Der Krankenhausaufenthalt der unterernährten Patienten war um 1,4 Tage länger als jener von gut genährten Patienten. (Kruizenga et al, 2016)
Diätologische/ernährungsmedizinische Betreuung und Ernährungskonzept
Diätologische/ernährungsmedizinische Betreuung und Ernährungskonzept nach Biesalski et al. (2018):
Ziele der Ernährungstherapie: Patientenzufriedenheit und Freude am Essen, Gewichtszunahme, Besserung des Allgemeinzustandes.
Empfehlungen für die Ernährungsberatung im Alter:
- Bedarfsangepasste Energiezufuhr
- Verstärkte Auswahl nährstoffdichter Lebensmittel
- Mehrmals täglich Obst und Gemüse
- Hochwertige Proteinquellen zu jeder Hauptmahlzeit (Milchprodukte, Fleisch, Eier, Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Getreideprodukte)
- Mehrmals pro Woche Fisch
- Vielseitige und abwechslungsreiche Lebensmittelauswahl
- Nährstoffschonende Zubereitung (z.B. dünsten in wenig Wasser, kürzere Garzeiten, vermeiden von wiederholtem Aufwärmen)
- Bedarfsangepasste Flüssigkeitszufuhr (ca. 1,5 – 2 L/d, Mineralwasser, Kräutertee, Früchtetee, Säfte, Suppen, Kaffee)
- Bewusste Auswahl ballaststoffreicher Lebensmittel: Vollkornprodukte, Gemüse, Obst
- Regelmäßige Haupt- und Zwischenmahlzeiten, täglich mindestens eine warme Mahlzeit
- Körperliche Aktivität und täglicher Aufenthalt im Freien
- Berücksichtigung der individuellen Gesundheits- und Lebenssituation
- Bei Indikation rechtzeitiger Beginn mit enteraler bzw. parenteraler Ernährung
Für eine gelungene Ernährungstherapie ist eine multidisziplinäre Zusammenarbeit unumgänglich. Wichtig dabei ist eine gute Kommunikation zwischen Ärzten, Pflegepersonal, Diätologen und Küchenteam. Wichtige Ziele nach dem Krankenhausaufenthalt (um einen erneuten Gewichtsverlust zu vermeiden): Langzeitbetreuung, Ernährungsplan für zuhause, Übergabe wichtiger Informationen an Angehörige bzw. Heimmitarbeiter.
Conclusio
Mangelernährung tritt im Alter sehr häufig auf. Eine rechtzeitige Intervention ist das Um und Auf! „Ernährung ist die erste Medizin“ (Hippokrates). Die wichtigsten Ziele der Ernährungstherapie im Alter sind: Steigerung der Patientenzufriedenheit, Gewichtszunahme und eine Verbesserung des Allgemeinzustandes.
OEAIE 2021 Fallmann K, Widhalm K
Literatur:
Volkert D. Leitlinien und Standards zur Ernährung in der Geriatrie, Z Gerontol Geriatr 2011; 44: 91–99
Biesalski HK, Bischoff SC, Pirlich M et al. Ernährungsmedizin 2018, 5. Auflage, Georg Thieme Verlag
Biesalski HK, Fürst P, Kasper H et al, Ernährungsmedizin 2004, 3. Auflage, Georg Thieme Verlag
Cruz-Jentoft AJ, Baeyens JP, Bauer JM et al. Sarcopenia: European consensus on definition and diagnosis: Report of the European Working Group on Sarcopenia in Older People. Age Ageing 2010; 39: 412–423
Allard JP, Keller H, Jeejeebhoy KN et al. Decline in nutritional status is associated with prolonged length of stay in hospitalized patients admitted for 7 days or more: A prospective cohort study. Clin Nutr 2016; 35: 144–152
Kruizenga H, van Keeken S, Weijs P et al. Undernutrition screening survey in 564.063 patients: patients with a positive undernutrition screening score stay in hospital 1,4 d longer. Am J Clin Nutr 216; 103: 1026–1032