Mäuse: Intervallfasten besser als einfache Kalorienreduktion

November 2021

Eine gesunde Ernährung trägt wesentlich dazu bei, Krank­heiten hint­an­zu­halten und die Chancen auf ein län­geres Leben zu erhöhen. Ver­suche mit Modell­or­ga­nismen haben gezeigt, dass eine stark redu­zierte Kalo­rien­auf­nahme noch stärkere Effekte zeigt. Nun mehren sich die Hin­weise, dass die Fre­quenz der Nah­rungs­auf­nahme eine ganz ent­schei­dende Rolle spielt.

Schon vor mehr als hundert Jahren wurde beob­achtet, dass Labor­ratten länger leben und sel­tener Tumore ent­wi­ckeln, wenn sie weniger Futter bekommen. In den 1930er Jahren folgten gezielte Ver­suche, die diese Beob­achtung bestä­tigten. Während eine Gruppe von Tieren nach Belieben fressen konnte, standen einer anderen Gruppe um 30 bis 40 Prozent weniger Kalorien zur Ver­fügung. Diese Tiere waren agiler und lebten fast um 50 Prozent länger. Die gesund­heits­för­dernden und lebens­ver­län­gernden Effekte einer Kalo­rien­be­schränkung wurden in der Folge bei zahl­reichen wei­teren Modell­or­ga­nismen bestätigt.

Bei einer solchen Kalo­rien­be­schränkung („Kalo­rien­re­striktion“) liegt die Auf­nahme von Kalorien etwa 20 bis 40 Prozent unter dem Bedarf, die Ver­sorgung mit essen­zi­ellen Nähr­stoffen wie Vit­aminen und Mine­ral­stoffen ist aber gewähr­leistet und es liegt daher keine Man­gel­er­nährung vor. Dabei geht es nicht primär um die Ver­meidung von Über­ge­wicht und Adi­po­sitas, sondern um die Aus­wir­kungen einer Nah­rungs­be­schränkung bei nor­mal­ge­wich­tigen Individuen.

Nachteile durchaus wahrscheinlich

2014 haben die Ergeb­nisse einer Studie mit Rhe­sus­affen, deren maximale Lebens­er­wartung bei etwa 40 Jahren liegt, für Auf­sehen gesorgt. Der Ver­suchs­ansatz war im Prinzip gleich: Eine Gruppe hatte freien Zugang zu Futter, die andere bekam mit Beginn des Erwach­se­nen­alters um 30 Prozent weniger Kalorien. Das Resultat: Die aske­tisch ernährten Rhe­sus­affen lebten deutlich länger, waren aktiver und wesentlich weniger von alters­be­dingten Beschwerden und Erkran­kungen geplagt. Der Abbau von Mus­kel­masse und Mus­kel­kraft setzte später ein, ebenso Schwer­hö­rigkeit und der Rückgang von Gehirn­vo­lumen und ‑masse. Sie litten weniger häufig unter Dia­betes Typ 2, Herz-​Kreislauf- und Krebs­er­kran­kungen als normal ernährte Artgenossen.

Abge­sehen davon, dass nur sehr wenige Men­schen eine der­artige Beschränkung der Kalo­rien­auf­nahme frei­willig in Kauf nehmen würden – die Mit­glieder der US-​amerikanischen Calorie Rest­riction Society zum Bei­spiel tun es –, kann dies gra­vie­rende Nach­teile mit sich bringen. Wie sich sowohl bei Mäusen als auch bei Men­schen gezeigt hat, kann es zu einer Beein­träch­tigung des Immun­systems mit einer daraus resul­tie­renden erhöhten Infekt­an­fäl­ligkeit kommen und zu Stö­rungen der Wund­heilung. Weiters ist ein rele­vanter Verlust von Mus­kel­masse möglich, ebenso eine Abnahme der Kno­chen­dichte ver­bunden mit gehäuften Kno­chen­brüchen. Die Libido kann zurück­gehen, der Mens­trua­ti­ons­zyklus der Frau gestört werden. Beein­träch­ti­gungen des Tem­pe­ra­tur­haus­halts können die Käl­te­emp­find­lichkeit stark erhöhen. Schließlich ist eine Man­gel­er­nährung nicht aus­zu­schließen, der in der Praxis zumeist mit Nähr­stoff­prä­pa­raten ver­sucht wird ent­gegen zu wirken.

Segensreiche Essenspausen

Eine pha­sen­weise Reduktion der Kalo­rien­auf­nahme – „Inter­vall­fasten“ – wurde eben­falls vielfach auf gesund­heit­liche und lebens­ver­län­gernde Wir­kungen hin unter­sucht. Eine Reihe von Studien mit Modell­or­ga­nismen hat ergeben, dass Inter­vall­fasten mit lebens­ver­län­gernden Effekten ver­bunden ist, die jenen einer strengen Kalo­rien­re­striktion ver­gleichbar sind. So leben Mäuse, die nur jeden zweiten Tag oder an fünf Tagen pro Woche Futter bekommen, um etwa 30 Prozent länger – unab­hängig von der Menge an Futter und unab­hängig davon, wieviel sie abnehmen. Es kam zu weniger Herz-​Kreislauf-​Erkrankungen, Blut­hoch­druck, Dia­betes Typ 2 und neu­ro­de­ge­nera­tiven Erkran­kungen. Unter anderem war die Autophagie-​Aktivität erhöht und die Mitochondrien-​Funktion ver­bessert, DNA-​Reparaturmechanismen waren aktiver und Stamm­zellen besser geschützt.

Was nun den Men­schen betrifft, so ist Inter­vall­fasten in den ver­gan­genen sehr populär geworden. Oder wurde zumindest viel dis­ku­tiert. Alles in allem dürften Pausen zwi­schen der Nah­rungs­auf­nahme jeden­falls eine große – und unter­schätzte – Rolle spielen. Bereits wenn 5- bis 7‑stündige Pausen zwi­schen den Mahl­zeiten ein­ge­halten werden, ent­wi­ckeln sich offenbar viele Gesund­heits­pa­ra­meter besser als bei drei bis fünf Mahl­zeiten am Tag. Man ver­mutet sogar, dass die gesund­heits­för­der­lichen und lebens­ver­län­gernden Effekte einer Kalo­rien­re­striktion zumindest zum Teil auf lange Essens­pausen zurück­zu­führen sind. Bei Mäusen und Ratten, die im Ver­gleich um nor­malen Bedarf um 30 Prozent weniger Kalorien bekamen, aber den ganzen Tag Zugang zu Futter hatten, zeigten sich die erwar­teten Effekte nämlich nicht.

Mäusestudie: Intervallfasten wirkt besser

Dies wird durch eine aktuelle Studie mit Mäusen bestätigt. Einer in Nature Meta­bolism ver­öf­fent­lichen Arbeit US-​amerikanischer Wis­sen­schafter zufolge bringt Inter­vall­fasten bei gleich­zeitig redu­zierter Ener­gie­zufuhr mehr für die Gesundheit, als einfach nur weniger Kalorien zu sich zu nehmen. Demnach ist bei Diäten also nicht nur die Menge der Kalorien, sondern auch die Zeit­spanne zwi­schen den Mahl­zeiten ent­scheidend – zumindest bei Mäusen.

Die Kon­troll­gruppe durfte den ganzen Tag so viel fressen wie sie wollte. Eine weitere Gruppe bekam den ganzen Tag Diät­futter, und die letzte Gruppe bekam die gleiche Menge Diät­futter – aber immer erst 21 Stunden nach der letzten Füt­terung. Die letzte Gruppe lebte im Schnitt rund ein halbes Jahr länger als die anderen beiden Gruppen. „Die auf­er­legte Fas­ten­dauer ist ent­scheidend für die Vor­teile einer kalorien­reduzierten Ernährung“, resü­miert der Haupt­autor der Studie, Dudley Lamming von der Uni­ver­sität von Wisconsin.

Eine vierte Gruppe von Mäusen bekam eine ähn­liche Menge an Nahrung wie die Kon­trollgruppe zu fressen – aller­dings nur in einem drei­stün­digen Zeit­fenster, gefolgt von einer langen täg­lichen Fas­tenzeit. Obwohl ihre Lebens­er­wartung nicht gemessen wurde, hatten die Mäuse, die faste­ten ohne die Kalo­rien­zufuhr zu redu­zieren, ebenso viele gesund­heit­liche Vor­teile wie die Gruppe, die weniger Kalorien zu sich nahm und fastete.

„Beide Gruppen sind besser in der Lage, ihren Blut­zucker zu regu­lieren und ihren Stoff­wechsel besser an die ver­schie­denen Anfor­de­rungen im Laufe des Tages anzu­passen“, so Lamming. Mäuse, die sich kalo­rienarm ernährten, aber den ganzen Tag fressen konnten, zeigten dagegen keine Vor­teile wie eine bessere Blut­zu­cker­kon­trolle, mehr Kraft im Alter und eine höhere Lebenserwartung.

Auf den Menschen nur beschränkt übertragbar

Lamming zufolge bestä­tigen kurze Studien am Men­schen zwar, dass die Beschränkung der Nah­rungs­auf­nahme auf ein vier- bis achtstündi­ges Zeit­fenster am Tag „einige Vor­teile zu haben scheint“, dass aber die lang­fris­tigen Folgen unbe­kannt bleiben. Man wisse immer noch nicht, zu welcher Tageszeit man am besten fastet und ob ver­schiedene Men­schen unter­schiedlich auf das Fasten oder die zeitlich begrenzte Nah­rungs­auf­nahme reagieren.

Laut Stephen O’Rahilly, Direktor der MRC Meta­bolic Diseases Unit an der Uni­ver­sität Cam­bridge, seien die Ergeb­nisse der Studie nur schwer auf den Men­schen über­tragbar, da Mensch und Maus Nahrungs­mittel unter­schiedlich schnell ver­ar­beiten. „Bei einem ver­gleich­baren Expe­riment am Men­schen müssten die Test­per­sonen alle Kalorien, die sie für eine Woche benö­tigen, an einem ein­zigen Tag zu sich nehmen und dann die nächsten sechs Tage hun­gern“, sagte er. „Da Mäuse etwa zwei Jahre alt werden, während wir heute etwa 80 Jahre alt werden, müssten wir die Studie mög­li­cher­weise über 50 Jahre lang durch­führen, um zu testen, ob eine solch massive Änderung unserer Ess­ge­wohn­heiten tat­sächlich der mensch­lichen Lebens­er­wartung zugutekommt“.

 

Red./K.Gruber

 

Lite­ratur:

AFP; aerzteblatt.de; Pak HH, Haws SA, Green CL et al. Fasting drives the meta­bolic, mole­cular and gero­pro­tective effects of a calorie-​restricted diet in mice. Nat Metab 2021; 3: 1327–1341, DOI: 10.1038/s42255-021–00466‑9