Eine gute Wahl von Lebensmitteln gehört zu einem gesunden Leben ebenso wie zur Kunst des Heilens. Wie eng der Zusammenhang ist, zeigt schon das Wort „Rezept“, das in der Medizin ebenso wie in der Küche verwendet wird. Tatsächlich liegt der Ursprung der Kochrezepte in medizinischen Anweisungen.
Die Auffassung von Gesundheit und Krankheit im antiken Griechenland war vor allem durch die Säftelehre mit ihrem bekanntesten Vertreter Hippokrates geprägt. Darin werden die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft den vier Körpersäften Chole (gelbe Galle), Phlegma (Schleim), Melaina Chole (schwarze Galle) und Sanguis (Blut) zugeordnet. Das Gleichgewicht der Säfte galt als ausschlaggebend für eine gute Gesundheit und kulinarische Regeln wurden bis nach Asien darauf ausgerichtet.
Die Griechen scheinen sehr eifrige Kochbuchschreiber gewesen zu sein. Verbunden waren die beliebten, häufig in Briefform verfassten „Kochbücher“ mit zahlreichen Texten zu medizinischen, literarischen, landwirtschaftlichen und geschichtlichen Themen, die sich mit Essen und Trinken beschäftigten. Die Werke wurden von Männern für Männer verfasst – zum Vergnügen und zur Erbauung, für körperliches und moralisches Wohlbefinden. So wird einem Freund zum Beispiel bis ins letzte Detail von einem Gastmahl berichtet. Die erlesenen Speisen, deren genaue Abfolge, Wein, Frauen, Blumengirlanden und vieles mehr wird in allen Einzelheiten beschrieben. Mit Mengenangaben und Empfehlungen für Kochdauer oder -temperatur haben sich die Literaten allerdings kaum aufgehalten.
Das erste bekannte Buch der griechischen Küche bescherte uns der Dichter, Gastronom und vermutlich auch Koch Archestratos von Gela im vierten Jahrhundert vor Christi Geburt. In seinem Gedicht „Hedypatheia“ (Leben im Luxus) beschreibt er eine kulinarische Reise rund um das Mittelmeer. Er empfiehlt was, wo und wann gekauft werden soll, wer den besten Fisch, das beste Fleisch, das beste Brot und den besten Wein liefert. Sein Credo: kauf die besten Zutaten, so frisch wie möglich, der Saison entsprechend und bereite sie schlicht zu – man könnte den Autor auch als einen sehr frühen Vorreiter der Nouvelle Cuisine bezeichnen.
In der römischen Küche wird alles verwertet
Auch die alten Römer waren begeisterte Anhänger der feinen Küche. Wahrscheinlich gab es viele Kochbücher im alten Rom, aber nur von einem – der Rezeptsammlung des Apicius – wurden Abschriften erstellt. Apicius war ein bekannter Gourmet zu Zeiten des Kaisers Tiberius, um den sich viele Anekdoten ranken. Unter anderem soll er Schweine mit Feigen gemästet haben, um der Leber einen besonderen Geschmack zu verleihen. Sein Kochbuch ist eine Sammlung von etwa 400 Rezepten, in der nicht nur eine feine Küche mit teuren Zutaten vorgestellt wird, sondern auch solche Zutaten verwendet werden, die dem Durchschnittsbewohner des Imperiums zur Verfügung standen. Das Kochbuch bestätigt neben dem Grundnahrungsmittel Getreide die zentrale Bedeutung von Fleisch und Fisch für die damalige Ernährung, wobei alle Teile des Tieres verwertet wurden. Kopf, Pfoten, Herz, Leber, Hoden, Kutteln, Euter, Gebärmutter und Knochenmark wurden verwendet. Blut, Fett und Fleischreste wurden zu Würsten verarbeitet und in Schweinemägen oder -därme gefüllt, die geräuchert oder gebraten sehr beliebt waren.
Die Gesundheit bleibt im Blickfeld
Auch im Mittelalter blieb die Säftelehre ein weitverbreiteter Grundsatz in Kochbüchern. Ziel der Köche war es, Speisen herzustellen, die den Körper in einen ausgewogenen Zustand brachten – warm und feucht. In der damaligen Zeit kannte man acht Geschmacksrichtungen: süß, fettig, bitter, salzig, scharf, herb, meersalzig und essigsauer. Diese wurden mit der Säftelehre verknüpft und bildeten die Grundlage mittelalterlicher Kochbücher. Auf Gemälden der Zeit sind Tafelszenen dargestellt, die den Leibarzt hinter dem Essenden zeigen, die Speisen vor dem Verzehr begutachtend (z.B. Miniatur Gebrüder Limburg für den Herzog von Berry im 15. Jahrhundert). Der medizinische Aspekt bei der Zubereitung von Speisen spielte generell eine große Rolle. So ist auch eine der ältesten erhaltenen deutschsprachigen Rezeptsammlungen, das einer Klosterküche zugeordnete „Salzburger Kochbuch“ aus dem 15. Jahrhundert, eine mit human- und tiermedizinischen Texten verbundene Handschrift. Allerdings konnte der Unterschied zwischen arm und reich im europäischen Mittelalter nicht größer sein. Nur der Adel und Angehörige der Kirche waren in der Lage, gut und reichlich zu essen – und konnten Kochbücher überhaupt lesen oder gar schreiben.
Mit der Zeit brachten Expeditionen rund um den Globus viele neue Lebensmittel nach Europa, und die Erfindung der Druckerpresse ermöglichte die größere Verbreitung von Kochbüchern und Ernährungsratgebern. Kochbücher wurden in mehreren Sprachen gedruckt, waren sehr populär und gleichzeitig Ratgeber in gesundheitlichen und auch philosophischen Fragen. Im Geist der Renaissance wurde versucht, die kulinarischen Ansätze der Antike zu dokumentieren, zu erhalten und den Zeitgenossen sowohl den guten Geschmack als auch ein gesundes Ernährungsverhalten zu vermitteln.
Immer mehr praktischer Nutzen
In etwa diese Zeit fällt auch das erste gedruckte Kochbuch einer Frau. Die von der Arztgattin Anna Wecker aus Colmar zubereiteten Speisen taten den Patienten ihres Mannes offenbar gut, und so empfahl er ihr, die Rezepte aufzuschreiben. Nach seinem Tod brachte sie „Ein köstlich new Kochbuch“ zu Papier, das vom Amberger Verleger Michael Forster 1597 gedruckt wurde. Zur damaligen Zeit war das ein großes Wagnis für eine Frau, denn Frauen kochten üblicherweise nur bei einfachen Leuten zu Hause und für Kranke.
Die meisten Ernährungsschriften enthielten neben medizinischen und diätetischen Ratschlägen relativ wenige praktische Hinweise zur Zubereitung der Speisen. Ein Meilenstein in dieser Hinsicht war das 1651 veröffentlichte „Le Cuisinier Francois“ von Francois-Pierre de la Varenne (Pseudonym), das die europäische Kochkunst nachhaltig geprägt hat und bis heute erhältlich ist. Dabei handelt es sich vermutlich um das erste europäische Kochbuch, das sich ausschließlich mit der möglichst praktischen Zubereitung von Speisen beschäftigte. Und heute werden die praktischen Aspekte der Zubereitung von Speisen in Zigtausenden verfügbaren Büchern wieder in zunehmendem Maß durch gesundheitliche Gesichtspunkte ergänzt.
Red/Rosemarie Hoffmann