Neues Maß für Herz-Kreislauf-Risiko

Dezember 2020

Eine aktuelle Studie zeigt, dass die Qua­lität der Koh­len­hy­drate in unserer Ernährung eine ent­schei­dende Rolle für die Ent­stehung vieler kar­dio­me­ta­bo­li­scher Gesund­heits­out­comes spielt. Ver­bes­se­rungen des soge­nannten Kohlenhydrat-​Qualitäts-​Index waren signi­fikant mit güns­tigen Ver­än­de­rungen kar­dio­vas­ku­lärer Risi­ko­fak­toren wie vor allem Kör­per­ge­wicht, Bauch­umfang, Blut­druck und Blut­zucker assoziiert.

Die weltweit stei­gende Prä­valenz chro­ni­scher Erkran­kungen stellt eine bedeu­tende Public-​Health-​Herausforderung dar. Circa 60% der Ame­ri­kaner und circa ein Drittel der Europäer sind zumindest von einer chro­ni­schen Erkrankung betroffen. Unter den chro­ni­schen Erkran­kungen treten kar­dio­vas­kuläre Erkran­kungen weltweit am häu­figsten auf. Zur Prä­vention von kar­dio­vas­ku­lären Erkran­kungen scheint es vor allem wichtig, bestimmte Risi­ko­fak­toren zu redu­zieren und einen gesunden Lebensstil zu fördern. Bezüglich der Ernährung sind in letzter Zeit immer häu­figer Koh­len­hy­drate im Fokus. Es gibt Hin­weise dafür, dass die Qua­lität der auf­ge­nom­menen Koh­len­hy­drate das Risiko für kar­dio­vas­kuläre Erkran­kungen eher beein­flusst als die auf­ge­nommene Menge. Hin­sichtlich der Qua­lität der Koh­len­hy­drate spielen vor allem Voll­korn­anteil und Bal­last­stoff­gehalt sowie glyk­ämischer Index und glyk­ämische Last eine ent­schei­dende Rolle. Aller­dings gibt es bisher keine klare Defi­nition der Koh­len­hy­drat­qua­lität. Bislang wurde nur in wenigen Studien zur bes­seren Ein­schätzung der Koh­len­hy­drat­qua­lität mit dem sog. „Kohlenhydrat-​Qualitäts-​Index“ (CQI) gearbeitet.

Studiendesign

In der vor­lie­genden Mul­ti­center, ran­do­mi­sierten, pri­mären Prä­ven­ti­ons­studie (PREDIMED-​Plus) mit einer inten­siven Gewichtsreduktions- und Lebens­stilin­ter­vention wurden Ver­än­de­rungen im CQI und gleich­zeitige Ver­än­de­rungen bei zahl­reichen kar­dio­vas­ku­lären Risi­ko­fak­toren über 6 und 12 Monate unter­sucht. Es handelt sich um eine pro­spektive Analyse an 5373 über­ge­wich­tigen bzw. adi­pösen spa­ni­schen Erwach­senen zwi­schen 55 und 75 Jahren mit meta­bo­li­schem Syndrom. Die Inter­ven­ti­ons­gruppe hielt sich an eine intensive Lebens­stilin­ter­vention mit einer kalo­rien­re­du­zierten medi­ter­ranen Ernährung, regel­mä­ßiger kör­per­licher Bewegung (Anwei­sungen für Aerobic-​Übungen, Spa­zie­ren­gehen oder andere Akti­vi­täten mit mode­rater Inten­sität) sowie unter­stüt­zende Pro­gramme zur Gewichts­re­duktion. Die Kon­troll­gruppe hin­gegen befolgte wei­terhin die „normale“ medi­terrane Ernährung ohne Kalo­rien­re­striktion oder spe­zielle Sport- oder Gewichtsreduktionsprogramme.

Bei jedem Treffen wurden die Pro­banden zu ihren Ernäh­rungs­ge­wohn­heiten, sozio­de­mo­gra­fi­schen Cha­rak­te­ristika, Bewe­gungs­ver­halten, Lebensstil, Medi­ka­men­ten­auf­nahme sowie per­sön­licher und fami­liärer Kran­ken­ge­schichte befragt.

Infor­ma­tionen zur Nah­rungs­auf­nahme wurden über ein vali­diertes 143-​item, semi­quan­ti­ta­tives Food-​Frequency-​Questionnaire (FFQ) ermittelt und damit die Ver­än­de­rungen im CQI kal­ku­liert. Die Ein­schätzung der Kohlenhydrat-​Qualität erfolgte in 4 Kri­terien: Auf­nahme von Bal­last­stoffen, glyk­ämischer Index, Ver­hältnis von Voll­korn­pro­dukten zur gesamten Getrei­de­auf­nahme und Ver­hältnis der Auf­nahme fester Koh­len­hy­drate zur gesamten Koh­len­hy­drat­auf­nahme. Es wurden Werte von 1 bis 5 Punkten defi­niert und zur Ein­schätzung der CQI wurden diese Punkte dann addiert (siehe Tab. 1)

Berechnung des Kohlenhydrat-Qualitäts-Index

Resultate

Ernährung, Lebensmittel, Nährstoffe und Energieaufnahme

In den 12 Monaten Follow-​Up konnte die Mehrheit der Pro­banden ihren CQI ver­bessern, vor allem durch eine gestei­gerte Auf­nahme von Obst, Gemüse, Hül­sen­früchten, Fisch und Nüssen als Haupt­kom­po­nenten der medi­ter­ranen Ernährung und einer gleich­zei­tigen Reduktion der Auf­nahme von raf­fi­nierten Getrei­de­pro­dukten, Lebens­mittel mit zuge­setztem Zucker und gesüßten Getränken. Daneben haben die Pro­banden der Inter­ven­ti­ons­gruppe auch die Auf­nahme von Weißbrot (in Spanien die übliche Brot­sorte) zugunsten von Voll­kornbrot redu­ziert. Es zeigte sich ein deut­licher Anstieg der Bal­last­stoff­auf­nahme und eine gleich­zeitige Reduktion der Auf­nahme von raf­fi­nierten Koh­len­hy­draten (sowohl in fester als auch in flüs­siger Form). Die Ener­gie­auf­nahme blieb größ­ten­teils unver­ändert. Pro­banden, die sich zu Beginn der Studie kaum nach der medi­ter­ranen Ernährung ernährt hatten, zeigten die deut­lichsten Ver­bes­se­rungen des CQI während der 12-​monatigen Intervention.

CQI und kardiovaskuläre Risikofaktoren

Als pri­märer Outcome gelten Gewichts­ver­än­de­rungen auf­grund der Koh­len­hy­drat­qua­lität nach 6 und 12 Monaten Follow-​Up. Als sekundäre Out­comes wurden Ver­än­de­rungen von Bauch­umfang, Blut­druck, Blut­zucker und Blut­fette defi­niert. Es zeigte sich, dass je größer der CQI war, umso größer war die Reduktion von Gewicht, Blut­druck und Bauch­umfang. Nach 6 Monaten haben durch eine Ver­bes­serung des CQI vor allem Kör­per­ge­wicht, Bauch­umfang, systo­li­scher und dia­sto­li­scher Blut­druck, Nüchtern-​Blutzucker und gly­kiertes Hämo­globin (HbA1c) abge­nommen. Der CQI war mit keinen signi­fi­kanten Ver­än­de­rungen der Blut­fette asso­ziiert (siehe Tab. 2). Ähn­liche Ergeb­nisse zeigten sich auch nach 12 Monaten Follow-Up.

Verbesserung des Kohlenhydrat-Qualitäts-Index

Conclusio

Die vor­lie­gende Studie zeigt, dass die Qua­lität der Koh­len­hy­drate in unserer Ernährung eine ent­schei­dende Rolle für die Ent­stehung vieler kar­dio­me­ta­bo­li­scher Gesund­heits­out­comes spielt. Ver­bes­se­rungen des CQI waren signi­fikant mit güns­tigen Ver­än­de­rungen kar­dio­vas­ku­lärer Risi­ko­fak­toren asso­ziiert wie vor allem Kör­per­ge­wicht, Bauch­umfang, Blut­druck und Blut­zucker. Bei den unter­suchten über­ge­wich­tigen bzw. adi­pösen Erwach­senen mit meta­bo­li­schem Syndrom haben diese Ver­än­de­rungen auch über längere Zeit ange­halten. Es erscheint daher wichtig, beim Ein­schätzen der indi­vi­du­ellen Ernährung den Fokus ver­mehrt auf die Qua­lität und nicht (nur) auf die Quan­tität der Lebens­mittel zu setzen.

 

OEAIE 2020 Fallmann K, Widhalm K

 

Quelle: Martinez-​Gonzales MA, Fernandez-​Lazaro CI, Toledo E, et al. Car­bo­hy­drate quality changes and con­current changes in car­dio­vas­cular risk factors: a lon­gi­tu­dinal ana­lysis in the PREDIMED-​Plus ran­do­mized trial. Am J Clin Nutr 2020; 111: 291–306