Der allerwichtigste und stark unterschätzte Risikofaktor für ernährungsbedingte Krebserkrankungen ist Übergewicht. Ein mitunter fataler Fehler, denn jede dritte Krebserkrankung hierzulande hat mit den Ernährungsgewohnheiten zu tun. Der Zusammenhang zwischen Ernährung und Krebs war eines der Themen der diesjährigen Frühjahrstagung der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung, die am 18. Juni 2020 Corona-bedingt online durchgeführt wurde.
Laut Univ.-Prof. Dr. Siegfried Knasmüller vom Institut für Krebsforschung der Universität Wien könnte dem Stand des Wissens zufolge wahrscheinlich ein Drittel der Krebserkrankungen durch die richtige Ernährungsstrategie verhindert werden. Damit kommt falschen Ernährungsgewohnheiten hinsichtlich des Krebsrisikos eine gleich große Bedeutung zu wie dem Rauchen.
Was aber ist so gefährlich an unseren Lebensmitteln? Wenig bis gar nichts, die Lebensmittel an sich sind nämlich nicht schuld. Schuld ist vielmehr die verspeiste Menge. Die größte Rolle bei ernährungsbedingten Krebserkrankungen in westlichen Industrieländern spielt mittlerweile nämlich das Übergewicht – ein Umstand, der in der allgemeinen Wahrnehmung stark unterschätzt wird.
Man fürchtet sich eher vor Rückständen von Herbiziden oder Pestiziden, vor Schwermetallen oder Nitrosaminen im Essen. Davon geht hierzulande jedoch kaum mehr ein Krebsrisiko aus, betont Knasmüller, dessen Arbeitsgruppe sich seit langem mit diesen potenziell krebserregenden Substanzen in Lebensmitteln beschäftigt. Auch von Lebensmittelzusatzstoffen ist keine Erhöhung des Krebsrisikos zu erwarten, sofern sie geprüft und zugelassen sind. Neben überschüssigem Körperfett ist als ernährungsbedingter Risikofaktor für Krebs laut Knasmüller vor allem noch ein überhöhter Alkoholkonsum zu erwähnen. Auch ein hoher Verzehr von rotem Fleisch kann die Krebsentstehung durchaus unterstützen.
Wie Übergewicht Tumore fördert
Bei Übergewicht werden verschiedene Mechanismen in Gang gesetzt, die Entstehung und Wachstum von Tumoren fördern. Diese sind zumindest zum Teil bekannt. Wie Knasmüller erklärt, spielen dabei die häufig auftretenden „stillen“ Entzündungen eine zentrale Rolle. Im überschüssigen Fettgewebe werden vermehrt entzündungsfördernde Botenstoffe wie Interleukin 6 oder Tumornekrosefaktor alpha gebildet. In Folge kommt es zu Entzündungsreaktionen im ganzen Körper, wobei Sauerstoffradikale entstehen, die Schäden an der Erbsubstanz verursachen können und so den Grundstein für Tumore legen. Die gute Nachricht: diese Entwicklung dürfte umkehrbar sein. Kürzlich konnten Knasmüller und sein Team an einem Mausmodell nachweisen, dass eine Gewichtsreduktion die Aktivität von jenen Enzymen erhöht, die schadhafte Gene reparieren können.
Die von Fettzellen ausgeschütteten entzündungsfördernden Botenstoffe können in einzelnen Organen weitere fatale Wirkungen entfalten. So weiß man zum Beispiel, dass Interleukin 6 die Rezeptoren für männliche Geschlechtshormone in der Prostata aktiviert und damit letztlich auch Prostatakrebszellen zu Wachstum und Überleben verhelfen kann.
Ein weiterer Mechanismus, wie überzählige Kilos das Tumorwachstum fördern, läuft über Insulin. Übergewicht geht häufig mit einer zunehmenden Insulinresistenz – eine Vorstufe von Diabetes Typ 2 – einher. Insulinresistente Zellen verlieren nach und nach die Bereitschaft, zirkulierendes Insulin aufzunehmen. Das Wachstumshormon bleibt daher in größeren Mengen in Umlauf und kann unter anderem die Vermehrung von Tumorzellen unterstützen.
Take Home Messages
- Falsche Ernährungsgewohnheiten sind an einem Drittel der Krebserkrankungen beteiligt und spielen damit eine gleich große Rolle wie Rauchen.
- Übergewicht ist bei weitem der wichtigste mit Ernährung zusammenhängende Risikofaktor für Krebs, wird aber noch stark unterschätzt.
- Übermäßiges Körperfett fördert Krebs über mehrere Mechanismen, zum Beispiel über stille Entzündungen.
Red / Karin Gruber