Angesichts des häufigen Auftretens von Störungen bei Verdauung und Nährstoffaufnahme bei Cystischer Fibrose und damit einhergehender Mangelernährung ist die Ernährungstherapie eine der Säulen des multimodalen Behandlungskonzeptes. Lange und intensive Berufserfahrung in der ernährungstherapeutischen Betreuung von Patienten mit Cystischer Fibrose besitzt der Wiener Diätologe Erich Horak.
Wie ist der Stellenwert der Ernährung bei Cystischer Fibrose – kurz CF – zu sehen?
Horak: Das Ernährungsmanagement und die Ernährungsintervention haben große Bedeutung im Rahmen der Therapie der Cystischen Fibrose, wobei sie neben der medizinischen Therapie, der Physiotherapie, der psychologischen Unterstützung und der Pflege als ein Baustein im Gesamttherapiekonzept einzuordnen sind. Ein solches Therapiekonzept kann nur in diesbezüglich zertifizierten Zentren umgesetzt werden. Den Erfolg der medizinischen Betreuung der CF-Betroffenen von Diagnosestellung an und der intensiven wissenschaftlichen Forschung zeigt u.a. die Zunahme der Lebenszeit, wie Daten aus Europa, Großbritannien und den USA belegen. So hat sich die mittlere Überlebenszeit nach der Diagnose in den letzten 30 Jahren nahezu verdoppelt – und es ist mit einer weiter steigenden Lebenserwartung zu rechnen.
Lassen sich spezifische Erfolge des Ernährungsmanagements in Hinblick auf Lebensqualität und Prognose nachweisen?
Aus den Verlaufsdaten von tausenden Kindern und Jugendlichen des amerikanischen CF-Registers geht hervor, dass Lungenfunktion und Body-Mass-Index (BMI) in einem engen Zusammenhang stehen. Bei einem BMI unter der 50., und noch deutlicher unter der 10. Perzentile*, ist eine schlechtere Lungenfunktion gegeben. Das zeigt sich sowohl bei den untersuchten Kindern von 6 bis 12 Jahren, also auch – und noch dramatischer – bei den 13- bis 20-Jährigen.
Noch eindrücklicher stellt sich dies im deutschen Berichtsband „Qualitätssicherung Mukoviszidose“ aus 2012 dar (2). Bei jungen Patienten wurde die Mortalität in Abhängigkeit vom BMI bei Eintritt ins Erwachsenenalter untersucht. Im Zeitraum von 17 Jahren sind 45 von 96 Patienten verstorben, die mit einem BMI unter 19** ins Erwachsenenalter eingetreten sind. Von den 98 Patienten mit einem BMI über oder gleich 19 bei Eintritt in das Erwachsenenalter waren im Lauf der folgenden 17 Jahre nur 12 Todesfälle zu verzeichnen.
Was sind die speziellen Erfordernisse an die Ernährung bei CF?
In Anlehnung an die Guidelines der Europäischen Fachgesellschaften ist eine möglichst frühe Begleitung und Schulung hinsichtlich Ernährung unter dem Aspekt zu sehen, dass der entscheidende Punkt bei CF ein Missverhältnis zwischen Energiebedarf und Energiezufuhr ist, der über eine gezielte Beratung hinsichtlich individuellem Energiebedarf, Makro- und Mikronährstoffversorgung sowie der Pankreasenzymersatztherapie betrachtet werden muss (1, 3, 4).
Da bei den meisten CF-Patienten eine Pankreasinsuffizienz besteht, müssen zu jeder Mahlzeit Pankreasenzympräparate eingenommen werden – je nach Nahrungsmenge, Nahrungszusammensetzung und Alter. Es ist auch notwendig, fettlösliche Vitamine zu substituieren, weil diese trotz Pankreasenzymgabe aus natürlichen Nahrungsmitteln nicht in ausreichender Menge aufgenommen werden können. Wir müssen Kochsalz supplementieren. CF-Patienten verlieren bis zu viermal mehr Salz über den Schweiß wie nicht von CF Betroffene. Weiters muss darauf geachtet werden, das entsprechend Kalzium zugeführt wird, um Knochenerkrankungen vorzubeugen, dass ein CF-assoziierter Diabetes erkannt und behandelt wird – ab dem vollendeten zehnten Lebensjahr wird jährlich darauf gescreent –, und dass unterernährte Patienten eine entsprechende Versorgung bekommen über Supplemente und Trinknahrungen bis hin zur enteralen oder vorübergehend sogar parenteralen Ernährung.
Welche Marker für den Ernährungsstatus werden herangezogen?
Abgesehen von Markern wie Größe, Gewicht, BMI und deren Verlauf werden unter Umständen Knochendichte, Körperzusammensetzung über die bioelektrische Impedanz-Analyse, die Pankreasfunktion über die fäkale Pankreaselastase und die Compliance bei der Einnahme der Pankreasenzyme über das Chymotrypsin bestimmt. Dazu kommen Bluttests zur Feststellung des Vitamin-Status, der orale Glukosetoleranztest, die Bestimmung des Kalziumwertes und die Auswertung von Ernährungsprotokollen.
Wie wird bei CF-Patienten eine ausreichende Energieaufnahme bewerkstelligt?
Je nach Entwicklung des Gewichts und der Höhe des Risikos für eine Mangelernährung gibt es in den Guidelines einen Stufenplan (1). Zunächst versucht man, den Energiebedarf über die normale Ernährung zu decken. Am einfachsten ist es natürlich, das Fett als energiedichtesten Nährstoff entsprechend zu dosieren. Das große Hindernis für CF-Betroffene ist häufig die Menge der Nahrung, die zugeführt werden muss. Sehr große Portionen rufen Ablehnung hervor. Wenn die Portion klein und übersichtlich bleibt, der Energiegehalt aber trotzdem hoch ist, dann ist eine kalorienreiche Ernährung einfacher umzusetzen. Wird das festgesetzte Ziel trotzdem nicht erreicht, können Nahrungsergänzungsmittel auf Basis von Kohlenhydraten oder Kohlenhydrat-Fett Mischungen supplementiert oder zusätzlich hochkalorische und proteinreiche Trinknahrungen eingesetzt werden Als nächster Schritt muss unter Umständen vorübergehend eine enterale Ernährung angewendet werden.
Gibt es eine spezielle Ausbildung für die ernährungstherapeutische Betreuung von CF-Patienten?
Man hat als Diätologin beziehungsweise Diätologe die grundsätzlichen Voraussetzungen dafür. Eine offizielle spezifische Ausbildung in dieser Hinsicht gibt es nicht. Generell ist gemeinsam mit dem Team im zertifizierten Zentrum zu überlegen, wo und wie man sich entsprechende Kompetenzen aneignen kann.
Wie ist die Versorgung von CF-Patienten in Österreich insgesamt zu sehen? Gibt es Nachholbedarf für bestimmte Gruppen, Altersgruppen?
In Österreich erfolgt die Betreuung wie erwähnt in zertifizierten Zentren. Daneben bieten regionale und überregionale Selbsthilfegruppen ihre Unterstützung für Betroffene an. Aus meiner Sicht erfolgt die Betreuung der CF-Patienten in Österreich auf einem sehr hohen Niveau, auch wenn sie betreffend die Ernährungstherapie zum Beispiel teilweise noch intensiviert werden könnte.
Was ist aus Sicht des Ernährungsmanagements für die Eltern kleiner Kinder besonders wichtig?
Eine vielleicht schwierig umsetzbare Botschaft betrifft das Wissen darum, dass die ersten Lebensjahre auch hinsichtlich der Ernährung für den weiteren gesundheitlichen Verlauf bis ins Erwachsenenalter entscheidend sind. Allerdings soll dieses Wissen nicht darin resultieren, dass Eltern ein übertrieben starkes Augenmerk auf die Ernährungssituation des Kindes legen. Da geht es eher um eine beständige Awareness und um psychologisches Geschick, damit nicht zu viel Druck auf das Kind ausgeübt wird. Die Last der Sorge soll nicht dem Kind aufgebürdet werden, sie sollte bei den Eltern bleiben, welche aber ihrerseits die Unterstützung seitens des betreuenden Zentrums, insbesondere in der präventiven Intervention, annehmen sollen. Auch sollte ein Perzentilenabfall von Gewicht, Länge oder BMI zum Beispiel bei den Eltern keine Schuldgefühle auslösen. Dies sollte als Gegebenheit in Zusammenhang mit der CF gesehen werden können, vor der man nun aber nicht die Augen verschließt, sondern möglichst früh beginnt, zu intervenieren.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
* BMI-Perzentilen beruhen auf den Werten großer Gruppen von Kindern gleichen Alters und Geschlechts. Liegt die BMI-Perzentile zum Beispiel bei 10, so haben 90 Prozent der Kinder der Vergleichsgruppe einen höheren BMI.
** Die Grenze zum Untergewicht liegt bei einem BMI von 18,5.
Literatur:
1 Turk D, Braegger CP, Colombo C, et al. ESPEN-ESPGHAN-ECFS guidelines on nutrition care for infants, children and adults with cystic fibrosis, Clin Nutr 2015; 35: 557–577
2 Zentrum für Qualität und Management im Gesundheitswesen, Einrichtung der Ärztekammer Niedersachsen; Mukoviszidose e.V. und Mukoviszidose Institut gemeinnützige Ges. f. Forschung und Therapieentwicklung mbH: Berichtsband Qualitätssicherung Mukoviszidose 2012
3 AWMF-Leitlinie Nr. 026/024: Mukoviszidose bei Kindern in den ersten beiden Lebensjahren, Diagnostik und Therapie (S3), Stand 31.3.2020
4 AWMF-Leitlinie Nr. 068/020: Mukoviszidose (Cystische Fibrose): Ernährung und exokrine Pankreasinsuffizienz (S1), Stand 05/20