Welternährung ohne Weltvernichtung

Juni 2019

Was wir essen, ist nicht nur für unsere Gesundheit wesentlich, sondern hat auch enorme Aus­wir­kungen auf den ganzen Globus. Die EAT-​Lancet-​Kommission hat in einer groß ange­legten Recherche ver­sucht, beides auf einen Nenner zu bringen – die bekannten Grund­sätze einer gesunden Ernährung und die ebenso bekannten Daten und Fakten zu den glo­balen Umweltproblemen.

Karin Gruber

Die Lebens­mit­tel­pro­duktion hat sich immer mehr zu einem der wich­tigsten Treiber für globale Umwelt­schäden ent­wi­ckelt. Rund 40 Prozent der Land­fläche weltweit werden für die Land­wirt­schaft ver­wendet, die Lebens­mit­tel­pro­duktion ist für fast ein Drittel der Emis­sionen von Treib­haus­gasen ver­ant­wortlich und ver­braucht mehr als zwei Drittel der Frisch­was­ser­vorräte der Erde. Der EAT-​Lancet-​Report geht auf fünf Schlüs­sel­fak­toren im Detail ein und nennt dabei kon­krete Grenzen (Willet W et al. Lancet 2019; 393: 447–492; Tab. 1).

Treibhausgase & Klimawandel

Die Lebens­mit­tel­pro­duktion gene­riert einen gra­vie­renden Ausstoß von vor allem Methan und Stickoxid. Methan ent­steht vor­wiegend im Ver­dau­ungs­trakt von Wie­der­käuern sowie beim anae­roben Abbau bio­lo­gi­schen Mate­rials. Enorme Mengen von Stickoxid werden von Boden­mi­kro­or­ga­nismen in land­wirt­schaftlich genutzten Flächen gebildet, wobei das Ausmaß von der Düngung abhängt. Koh­len­dioxid wird unter anderem beim Betrieb land­wirt­schaft­licher Maschinen, bei der Her­stellung von Kunst­dünger und bei Trans­porten aus­ge­stoßen. Von einer Ernährung im Sinn der Pla­netary Health Diet erwartet man sich bis 2050 eine Reduktion der Treibhausgas-​Emissionen um 80 Prozent.

Verbrauch von Frischwasser

Die Lebens­mit­tel­pro­duktion ver­braucht weltweit den größten Anteil von Frisch­wasser. Davon werden 70 Prozent zur Bewäs­serung ver­wendet, wobei die Anteile zwi­schen rund 21 Prozent in Europa und 82 Prozent in Afrika liegen. Das dafür ver­wendete Wasser geht dem System auf­grund direkter Ver­dunstung oder Ver­dunstung im Zug des Pflan­zen­wachstums groß­teils ver­loren. Da dieser soge­nannte „kon­sumtive“ Ver­brauch in der Land­wirt­schaft bis zu einem gewissen Grad unver­meidlich ist, wird ein Zusam­men­wirken ver­schie­dener Sek­toren gefordert. So könnte eine Ver­rin­gerung des kon­sum­tiven Was­ser­ver­brauchs der Industrie einen grö­ßeren Spielraum für die Land­wirt­schaft eröffnen. Bessere Pro­duk­ti­ons­me­thoden könnten den Was­ser­ver­brauch um etwa 30 Prozent ver­ringern, die Hal­bierung von Lebens­mit­tel­ver­lusten und ‑abfall eine Reduktion um rund 13 Prozent bringen. Ein gerin­gerer Verzehr tie­rische Pro­dukte fällt dies­be­züglich kaum ins Gewicht.

Stickstoff & Phosphor

In den meisten Regionen der Erde ist die Ver­füg­barkeit von Stick­stoff und Phosphor ein zen­traler limi­tie­render Faktor in der Pflan­zen­pro­duktion. Dem­entspre­chend not­wendig und ver­breitet ist der Einsatz von Dün­ge­mitteln. Aller­dings wird dabei häufig ein Über­schuss ein­ge­bracht, der unter anderem zu einer fatalen Eutro­phierung von Böden und Gewässern führt. Weitere Folgen sind stei­gende Stickstoff-​Emissionen und Kon­ta­mi­na­tionen des Grund­wassers. Dünger müssen effi­zi­enter und gezielter ein­ge­setzt werden, der Verlust von Nähr­stoffen auf allen Ebenen ver­ringert und es müssen effi­ziente Recycling-​Zyklen für Nähr­stoffe imple­men­tiert werden.

Gleich­zeitig ist die Pro­duktion von Stick­stoff­dünger höchst ener­gie­auf­wändig und mit einem hohen Ausstoß von Treib­haus­gasen ver­bunden. Bei Phosphor wie­derum ist man auf natür­liche mine­ra­lische Vor­kommen und damit auf eine nicht erneu­erbare Res­source ange­wiesen, die bei gleich­blei­bender Aus­beutung in 50 bis 100 Jahren zu Ende gehen dürfte.

Schät­zungen zufolge könnte der Bedarf an Stick­stoff­dünger durch ver­schiedene Maß­nahmen um 26 Prozent und der­jenige an Phos­phor­dünger um 40 Prozent redu­ziert werden. Durch Ver­meidung von Nach­ern­te­ver­lusten und Nah­rungs­mit­tel­abfall wären 15 Prozent möglich. Eine Ernäh­rungs­um­stellung in Sinn der Pla­netary Health Diet könnte 10 Prozent bringen.

Biodiversität

Die phan­tas­tische Vielfalt von Pflanzen und Tieren, Mikro­or­ga­nismen und Pilzen ist eine Säule der Sta­bi­lität in den Öko­sys­temen der Erde, und damit essen­ziell für die Pro­duktion von Lebens­mitteln. Gerade die Lebens­mit­tel­pro­duktion ist aber eine der Haupt­ur­sachen für den derzeit vor sich gehenden, gra­vie­renden Verlust an Bio­di­ver­sität. Eine zen­trale Rolle dabei spielen der Verlust von Lebens­räumen und die Frag­men­tierung der Flächen. Auch Kli­ma­än­de­rungen, Umwelt­ver­schmutzung und die Eutro­phierung sind beteiligt. Unter anderem wird die Inte­gration von Acker­flächen in bereits gerodete Wald­ge­biete bezie­hungs­weise in bestehende Kul­tur­flächen wie Wei­deland gefordert.

Landnutzung

Zwar ist die land­wirt­schaftlich genutzte Fläche weltweit seit Mitte des 20. Jahr­hun­derts relativ gleich geblieben. Doch während in den gemä­ßigten Zonen große Flächen still­gelegt wurden, sind in tro­pi­schen Zonen – und das heißt in Zentren der Bio­di­ver­sität – enorme Wälder gerodet und der land­wirt­schaft­lichen Nutzung zuge­führt worden. Derzeit können 51 Prozent der Land­fläche der Erde als öko­lo­gisch intakt bezeichnet werden und dieses sollen nach der „Half Earth Strategy“ erhalten bleiben. Abge­sehen davon soll die land­wirt­schaftlich genutzte Fläche nicht mehr aus­ge­weitet werden, vielmehr sollen Flächen rena­tu­riert werden.

Viele Schritte, viele Bausteine 

Eine der wich­tigsten Vor­aus­set­zungen zur Lösung dieser Pro­bleme ist eine globale Allianz aller poli­ti­schen und gesell­schaft­lichen Kräfte. Anders können vor­ge­schlagene Ver­än­de­rungen in der Lebens­mit­tel­pro­duktion nicht rea­li­siert werden. Dazu gehören: Aus­gleich der Düngung zwi­schen Über- und Unter­ver­sorgung; effi­zi­entere Was­ser­be­reit­stellung und ‑nutzung; inno­vative land­wirt­schaft­liche Methoden zur Ver­rin­gerung des Aus­stoßes von Treib­haus­gasen in Feldern (z.B. Reis) und durch Tiere (z.B. Fut­ter­zu­sätze) sowie zur Stei­gerung der Pro­duk­ti­vität durch Management und Pflan­zen­züchtung; Abkehr von Bio­treib­stoffen der ersten Gene­ration (gewonnen aus Nah­rungs­pflanzen) u.a.m. Eine nicht zu unter­schät­zende Rolle spielt weiters die Ver­rin­gerung von Nach-​Ernteverlusten und Lebens­mit­tel­abfall, hier wird eine Reduktion um die Hälfte gefordert. Schließlich würde eine Ernährung nach den Grund­sätzen der „Pla­netary Health Diet“ einen wesent­lichen Beitrag leisten.