Gesunde Ernährung: Empfehlungen, Richtlinien und Beurteilungskriterien

Juli 2018

Ernährungspyramiden, Ernährungskreise und Gesunde Teller helfen dabei, Empfehlungen einfach und für jedermann verständlich darzustellen. In vielen Fällen fehlt allerdings der wissenschaftliche Hintergrund. Der Teller scheint die derzeit verständlichste Form einer Guideline für gesunde Ernährung zu sein.

Es werden schon sehr lange Empfehlungen abgegeben, was der Mensch essen sollte um gesund zu bleiben. In den meisten Fällen fehlt allerdings auch heute noch die wissenschaftliche Beweislage dafür. Meist spielt der philosophische Hintergrund eine weitaus größere Rolle als medizinische Fakten. Diverse Empfehlungen wurden in den letzten Jahren immer wieder überarbeitet und aktualisiert, obwohl sich im Grunde nicht wirklich viel daran geändert hat. Zahlreiche Heftchen, Bücher, Artikel und Vorträge erwecken den Eindruck, dass die „richtige Ernährung“ eine ganz große Kunst sei. Ernährungsgewohnheiten sind allerdings sehr individuell und es ist nicht leicht festzulegen, welche Art der Ernährung nun „richtig“ oder „gesund“ ist. Dies ist stark abhängig von Geschlecht, Alter, Familienstand, Einkommen, Beruf, Klima, Nationalität, Kultur und Religion. Ziel derartiger Empfehlungen sind einheitliche, evidenzbasierte und einfache Richtlinien, die für jedermann verständlich und leicht umsetzbar sind. Aus diesem Grund wurden diverse grafische Darstellungen entwickelt, die die Wahl der „richtigen“ Lebensmittel vereinfachen sollen.

Ernährungspyramide

Ernährungspyramiden, bei denen es sich eigentlich um Dreiecke handelt, wurden in vielen Ländern entwickelt, um Ernährungsinformationen möglichst einfach darzustellen. Sie sollen den Weg zur richtigen und gesunden Ernährung zeigen und damit einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Gesundheit sowie der Prävention von Erkrankungen leisten. Durch die einfache bildliche Darstellung soll eine praxisbezogene Hilfe zur Umsetzung abwechslungsreicher Ernährung im Alltag geleistet werden. Über die „Pyramide“ soll ein Überblick über die empfohlenen Lebensmittel sowie das optimale Mengenverhältnis zueinander aufgezeigt werden. Daneben wird allerdings genügend Freiraum für die individuelle Gestaltung des Speisenplans gelassen. Denn grundsätzlich sind alle Lebensmittel – abhängig von der Menge – Bestandteil einer gesunden Ernährung.

Die erste „Ernährungspyramide“ wurde 1992 von der USDA (US Departement of Agriculture) entwickelt. Sie gilt als Grundlage für alle weiteren Ernährungspyramiden. Sieben Lebensmittelgruppen sind dabei auf vier Ebenen verteilt. Die Basis bilden Lebensmittel, die häufig verzehrt werden sollen und an der Spitze befinden sich jene, die möglichst selten verzehrt werden sollen. Kritikpunkte an der „Pyramide“ betreffen vor allem die Anordnung mit den Lebensmitteln, die am wenigsten verzehrt werden sollen, als „Spitze“ und die Tatsache, dass die Fläche der Segmente keinesfalls der empfohlenen Aufnahmemenge der Lebensmittel entspricht.

Ernährungskreis

Der Ernährungskreis stellt eine Orientierung für die tägliche Lebensmittelauswahl dar (Abb. 1). Die Lebensmittel sind dabei in sieben Gruppen unterteilt: 1 Getreide, Getreideerzeugnisse, Kartoffel, 2 Gemüse, Salate, 3 Obst, 4 Milch, Milchprodukte, 5 Fleisch, Wurst, Fisch, Eier, 6 Fette, Öle, 7 Getränke. Aus jeder der sieben Gruppen sollen täglich Lebensmittel ausgewählt werden. Die Größe der Gruppen-Segmente im Kreis gibt das Mengenverhältnis an. Der „Ernährungskreis“ wurde auf Basis der „D-A-CH-Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr“ erstellt. Er bietet eine einfache, bildhafte Darstellung der „optimalen“ Zusammensetzung der Ernährung.

Gesunder Teller

Beim „Gesunden Teller“ (Healthy Eating Plate) werden die Empfehlungen in Tellerform dargestellt (Abb. 2). Hauptziele „Gesunder Teller“ sind eine reichlicher Verzehr von Obst und Gemüse, die die Hälfte des Platzes einnehmen. Getreide macht ein etwa ein Viertel des Tellers aus, wobei weniger die Menge an Kohlenhydraten als eher deren Art zählt. Mindestens die Hälfte sollten Vollkornprodukte sein. Das letzte Viertel des Tellers ist für eiweißhaltige Lebensmittel (Milchprodukte, Fisch, Hülsenfrüchte) reserviert. Milch und Milchprodukte sollen als fettarme Produkte mit max. 1% Fett aufgenommen werden. Es wird die sparsame Verwendung von hochwertigen Pflanzenölen empfohlen. Wasser soll an Stelle von gesüßten Getränken bevorzugt werden. Und es soll generell weniger, dafür aber mit Genuss gegessen werden. „Gesunde Teller“ sind mittlerweile sehr beliebt und ersetzen mehr und mehr die „Pyramiden“.

Vorteile:

  • Leichte Orientierung durch einfache Darstellung in Tellerform, hilft bei der Zusammenstellung möglichst abwechslungsreicher Mahlzeiten.
  • Die Tellerform ist wesentlich übersichtlicher und praxisorientierter als beispielsweise die Dreieck-/Pyramidenform.

Sonstige Beurteilungskriterien für Lebensmittel

Ampelkennzeichnung

Die Ampelkennzeichnung wurde von der britischen Lebensmittelbehörde UK Food Standards Agency (FSA) eingeführt. Die Verbraucher sollen durch die Ampelkennzeichnung möglichst schnell erkennen, welche Lebensmittel als „gesund“ bzw. „ungesund“ einzustufen sind. Die Bedeutung der Farben ist wie folgt.

Rot: Das Lebensmittel hat einen hohen Gehalt an Fett, Salz oder Zucker und sollte daher eher selten verzehrt werden.
Gelb: Das Lebensmittel hat einen mittleren Gehalt an Fett, Salz oder Zucker und ist grundsätzlich in Ordnung. Grün gekennzeichnete Lebensmittel wären aber die gesündere Wahl.
Grün steht für einen niedrigen Gehalt an Fett, Salz oder Zucker. Je mehr grüne Punkte ein Produkt trägt, desto gesünder kann es eingestuft werden.

Vorteile:

  • Sehr leicht verständlich.
  • Auf den ersten Blick erkennbar, ob ein Lebensmittel „gut“ (=grün) oder „schlecht“ (=rot) ist.
  • Es wird dem Verbraucher anschaulich signalisiert, wieviel Fett, Salz oder Zucker in 100g Lebensmittel enthalten sind.

Nachteile:

  • Oft ist die Zuordnung schwierig, da viele Lebensmittel nicht ausschließlich „gut“ bzw. „schlecht“ sind.
  • Ampelkennzeichnung macht nur für zusammengesetzte Lebensmittel Sinn, nicht für Grundnahrungsmittel.
  • Vor allem Kinder werden durch die rote Kennzeichnung und das Wissen, dass sie das Lebensmittel eher nicht essen sollten, nicht selten erst recht zum Verzehr verführt.
  • Die Ampelregelung kann auch irreführend sein und eigentlich hochwertige Lebensmittel negativ bewerten. So werden zum Beispiel Walnüsse durch den hohen Fettgehalt „rot“ gekennzeichnet, enthalten aber größtenteils günstige, hochwertige Fette.

Nutri-Score

Bei Nutri-Score handelt es sich um eine Front-of-Pack (FOP)-Kennzeichnung bestehend aus einer fünfstufigen Farbskala, die 2017 in Frankreich entwickelt wurde (Abb. 3). Damit sollen Konsumenten die Qualität von Lebensmitteln direkt beim Einkauf leichter beurteilen können. Es werden Plus-Punkte für ungünstige Inhaltsstoffe wie Energie, Zucker, gesättigte Fettsäuren und Salz vergeben und Minus-Punkte für günstige Inhaltsstoffe wie Obst, Gemüse, Nüsse, Ballaststoffe und Eiweiß. Die Punkte werden addiert und das Lebensmittel anschließend einer der fünf Farben von Grün A (= höchste Qualität) bis Rot E (= niedrigste Qualität) zugeordnet. Die Punkte reichen von -15 (günstigste Zusammensetzung) bis +40 (ungünstigste Zusammensetzung).

Vorteile:

  • Sehr leicht verständlich.
  • Auf den ersten Blick erkennbar, ob ein Lebensmittel hohe (= grün) oder niedrige (= rot) Qualität hat.
  • Im Vergleich zur Ampelregelung ermöglicht die 5-Farben-Abstufungen eine detailliertere Einstufung der Lebensmittel.

Nachteile:

  • Oft ist die Zuordnung schwierig, da die meisten Lebensmittel nicht ausschließlich Inhaltsstoffe hoher bzw. niedriger Qualität enthalten.
  • Diese Form der Kennzeichnung ist nur für zusammengesetzte Lebensmittel sinnvoll, nicht für Grundnahrungsmittel.

Neue EFSA-Guidelines

Von der European Food Safety Authority (EFSA) gibt es neue allgemeine Nährstoffempfehlungen, die im Dezember 2017 publiziert wurden. Die Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr werden in Untergruppen wie die folgenden unterteilt. Diese Werte geben an, wieviel von einem Nährstoff aufgenommen werden soll, um gesund zu bleiben.

  • PRI, population reference intake (bevölkerungsbasierte Referenzwerte)
  • AR, average requirement (durchschnittlicher Bedarf)
  • AI, adequate intake (ausreichende Aufnahme)
  • RI, reference intake (Richtwerte für Makronährstoffe)

Energie: AR je nach Alter, körperlicher Aktivität (physical acitvity level, PAL) und Lebenssituation (z.B. Schwangerschaft, Stillzeit usw.); bei erwachsenen Männern unter 60 Jahren zwischen 2197kcal/d (PAL 1,4) und 2675/d kcal (PAL 1,6) und erwachsene Frauen unter 60 zwischen 1791 kcal/d (PAL 1,4) und 2149 kcal/d (PAL 1,6).
Kohlenhydrate: RI von 45 bis 60% der Gesamtenergie. Für eine Forderung der Reduktion der Zuckeraufnahme auf unter 10% der Energie gibt es laut EFSA keine Evidenz.
Fett: RI von mindestens 20 bis 35% der Gesamtenergie.
Eiweiß: PRI von 0,83g/kg KG/d.
Wasser: AI Männer: 2,5 L/d, Frauen 2,0 L/d.

Diese jüngste evidenz-basierte Guideline der EFSA sollte Grundlage für alle Guidelines gesunder Ernährung sein. Das Entwickeln länderspezifischer Ernährungsempfehlungen ist wissenschaftlich nicht belegbar.

Conclusio

Eine gesunde und abwechslungsreiche Ernährung ist wesentlich für Gesundheit und Wohlbefinden. National wirksame Maßnahmen in Form einheitlicher Ernährungsempfehlungen sind wichtig, um die Gesundheit und Lebensqualität der Bevölkerung zu fördern und zu verbessern. Ernährungsempfehlungen müssen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen und trotzdem für alle verständlich und einfach umsetzbar sein. Dabei helfen Ernährungspyramiden, Ernährungskreise und Gesunde Teller. In vielen Fällen fehlt allerdings der wissenschaftliche Hintergrund. Derzeit scheint der Gesunde Teller die verständlichste Form einer Guideline für gesunde Ernährung zu sein.

OEAIE 2018 Fallmann K., Widhalm K.

Literatur:

R. Saller, C. Römer-Lüthi, R. Brignoli, R. Meier, Gesunde Ernährung – Richtiges Essen zur Optimierung von Gesundheit und Lebensfreude, Schweiz. Zeitschr. GanzheitsMedizin, Jg. 18, Heft 3 2006: 145-152

C. Leitzmann, Ernährungspyramiden unter der Lupe, UGB-Forum (Fachzeitschrift für Gesundheitsförderung) 3/04, 140-143

C. Julia, S. Hercberg, Nutri-Score: Evidence of the effectiveness of the French front-of-pack nutrition label, Ernährungs Umschau 2017; 64(12): 181-187

P. Stehle, H. Oberritter, M. Büning-Fesel, H. Heseker, Grafische Umsetzung von Ernährungsrichtlinien – traditionelle und neue Ansätze, Ernährungs-Umschau 52 (2005): 4

K.L. Hawley, C.A. Roberto, M.A. Bragg, P.J. Liu, M.B. Schwartz, K.D. Brownell, The Science of front-of-package food labels, Public Health Nutrition 2012; 16: 430-439

Harvard Medical School of Public Health, Healthy Eating Plate & Healthy Eating Pyramid, 2011; https://www.hsph.harvard.edu/nutritionsource/healthy-eating-plate/ (abgerufen 08.05.2018)

Ampelkennzeichnung – Pro und Contra, AID Infodienst 2008; www.bzfe.de (abgerufen 08.05.2018)

„Der DGE-Ernährungskreis“, Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Bonn 2004

„Die neue Ernährungspyramide“, Bundesministerium für Gesundheit, Wien 2009

„Nationaler Aktionsplan Ernährung – NAP.e“, Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, Wien 2012

EFSA (European Food Safety Authority), 2017; Dietary reference values for nutrients: Summary Report. EFSA supporting publication 2017: e15121.92 pp doi: 10.2903/sp.efsa.2017.e15121