Fruktosemalabsorption – Ungut und zunehmend

Dezember 2018

Fruk­to­se­mal­ab­sorption als Trans­port­problem über die Darm­schleimhaut zieht zwar keine gra­vie­renden Folgen nach sich, kann aber für beträcht­liche Beschwerden sorgen. Im Zug des Anstiegs beim Reiz­darm­syndrom und stei­gender Ver­wendung in Lebens­mitteln nimmt die Zahl der Betrof­fenen mit spür­baren Sym­ptomen zu.

Fruktose ist der Zucker mit der stärksten Süß­kraft – aller­dings auch einer der Zucker mit einer oft relativ geringen Auf­nah­merate im Dünndarm, was für ein relativ häu­figes Auf­treten von Mal­ab­sorption mit der ent­spre­chenden Sym­pto­matik führt. Die Auf­nahme von grö­ßeren Mengen Fruktose ins­be­sondere in grö­ßeren Mengen im Ver­hältnis zu Glukose kann gestört sein. Die Auf­nahme von Fruktose erfolgt wesentlich lang­samer als die­jenige von Glukose. Fruktose wird entlang ihres Kon­zen­tra­ti­ons­gra­di­enten in die Epi­thel­zellen der Dünn­darm­mukosa auf­ge­nommen. Der daran betei­ligte GLUT-​5-​Transporter dient lediglich der erleich­terten Dif­fusion. Ein nicht zu unter­schät­zender Anteil der Bevöl­kerung weist scheinbar  einen Mangel an diesem Trans­port­mo­lekül auf. Die Folgen sind bekannt. Die im Dünndarm nicht auf­ge­nommene Fruktose gelangt in den Dickdarm und wird von den dort ansäs­sigen Mikro­biota ver­wertet. Als Stoff­wech­sel­pro­dukte ent­stehen dabei unter anderem kurz­kettige Fett­säuren, die ja durchaus positive Wir­kungen ent­falten, aber auch Methan, Koh­len­dioxid und Was­ser­stoff, die für die bekannten Beschwerden sorgen. Grund­sätzlich wird ein Auf­treten eher im Erwach­se­nen­alter registriert.

„Schät­zungs­weise 30 bis 50 Prozent der Bevöl­kerung dürften von einer Fruk­to­se­mal­ab­sorption betroffen sein“, resü­miert Univ.-Prof. Dr. Harald Vogelsang, von der Uni­ver­si­täts­klinik für Innere Medizin III in Wien und führt aus: „In den meisten Fällen treten aber keine oder nur milde Sym­ptome auf, sodass die Fruk­to­se­mal­ab­sorption unbe­merkt bleibt und auch kein Hand­lungs­bedarf besteht“. Aller­dings ist in den letzten Jahren doch eine deut­liche Zunahme zu bemerken. Die Gründe dafür sind auf meh­reren Ebenen zu finden: „Einer­seits stellen wir beim Reizdarm eine Zunahme fest, ande­rer­seits wird in der Lebens­mit­tel­pro­duktion auf­grund ver­än­derter recht­licher Rah­men­be­din­gungen ver­mehrt Iso­glukose verwendet“.

Steigende Häufigkeit

Das häu­figere Auf­treten einer Reizdarm-​Symptomatik wird mit der Leis­tungs­ge­sell­schaft von heute in Ver­bindung gebracht, die für viele Men­schen chro­ni­schen Stress, Über­for­derung und Reiz­über­flutung in einem belas­tenden Ausmaß mit sich bringt. Die ver­mehrte Ver­wendung von Iso­glukose erklärt sich mit dem Aus­laufen der Zucker­markt­ver­ordnung bezie­hungs­weise der EU-​Zuckerquote mit 1. Oktober 2017. Darin waren Her­kunft des Zuckers und Preise für die land­wirt­schaft­lichen Pro­du­zenten geregelt. 85 Prozent des Zuckers mussten aus euro­päi­scher Pro­duktion stammen. Dem ist nun nicht mehr so, und damit können bil­ligere Pro­dukte wie zum Bei­spiel die vor allem aus Mais­sirup gewonnene Iso­glukose auf den Markt drängen. Dessen Anteil ist nun nicht mehr wie vor der Libe­ra­li­sierung des Zucker­marktes auf fünf Prozent beschränkt. Während Glukose und Fruktose im Haus­halts­zucker Sac­charose im Ver­hältnis 1: 1 ent­halten sind, weisen Isoglukose-​Sirupe einen zumeist wesentlich höheren Anteil von Fruktose auf.

Iso­glukose mit einem hohen Anteil von Fruktose ist für Lebens­mit­tel­pro­du­zenten eine attraktive Option auf­grund des nied­rigen Preises und auf­grund der im Ver­hältnis zu Sac­charose 1,2‑fachen Süß­kraft von Fruktose. Für den Kon­su­menten pro­ble­ma­tisch hin­sichtlich Fruktosemalabsorption-​bedingter Beschweren kann dies insofern leicht werden, als ver­schiedene Bezeichnung wie „Iso­glukose“, HFCS (High glucose corn sirup), Mais­sirup auf den Inhalts­an­gaben möglich sind. Der Gehalt an Fruktose bleibt dabei aller­dings im Dunkeln, man kann jedoch davon aus­gehen, dass er ten­den­ziell eher höher werden wird.

Was tun bei Fruktosemalabsorption?

Grund­sätzlich stehen drei Optionen zur Ver­fügung, den Beschwerden einer Fruk­to­se­mal­ab­sorption entgegenzuwirken.

  1. Beachtung der Zucker­zu­sam­men­setzung in der Ernährung. Bei unver­ar­bei­teten Lebens­mitteln ist dies freilich leichter zu bewerk­stel­ligen als bei ver­ar­bei­teten. Dabei kommt es mehr auf das Ver­hältnis von v.a. Glukose zu Fruktose an als auf den abso­luten Gehalt an Fruktose. Grund­sätzlich ist ein Ver­hältnis von Glukose zu Fruktose größer als 1 güns­tiger als umge­kehrt. Besonders viel Fruktose im Ver­hältnis zu Glukose ent­halten viele Äpfel­sorten und vor allem Birnen, die „Klas­siker“ in Sachen Fruktose-​induzierter Beschwerden unter den unver­ar­bei­teten Lebens­mitteln. Aller­dings wird der größte Teil der Fruktose nicht mit Obst, sondern mit ver­ar­bei­teten Lebens­mitteln aufgenommen.
  2. Obst (und unter Umständen auch andere Lebens­mittel) mit einem hohen rela­tiven Fruk­to­se­gehalt ev. mit Trau­ben­zucker, d.h. reiner Glukose, bestreuen. Dieser Ansatz dürfte ange­sichts des im Schnitt ohnehin über­höhten Zucker­konsums im Großen und Ganzen wenig sinnvoll sein.
  3. In bestimmten Situa­tionen kann die Ein­nahme von Xylose ‑Iso­merase hilf­reich sein. Xylose-​Isomerase wandelt Fruktose in Glukose um und umge­kehrt – ohne Ein­wirkung von außen stellt sich daher ein Gleich­ge­wicht ein. „Da aber die Glukose im Dünndarm diesem Gleich­ge­wicht durch den schnellen Trans­porter SGLT‑1 ent­zogen wird, läuft die Reaktion phy­sio­lo­gisch in Richtung der Glukose ab“, erläutert Dr. Florian Forster, Immu­nologe und For­schungs­leiter der Sciotec Dia­gnostic Tech­no­logies GmbH, ein öster­rei­chi­sches Unter­nehmen, das seien Gründung nicht zuletzt diesem the­ra­peu­ti­schen Ansatz verdankt.
Fruk­to­se­mal­ab­sorption: Ernäh­rungs­an­passung mit qua­li­fi­zierter Begleitung

Dies beinhaltet einen kom­plexen Ernäh­rungsplan mit einer zeitlich begrenzten streng fruk­to­se­armen Kost und einer fruk­to­se­an­ge­passten Lang­zeit­er­nährung und erfordert die indi­vi­duelle Betreuung durch ent­spre­chend aus­ge­bildete und geschulte Ernäh­rungs­fach­kräfte. Der Kontakt zu Diä­to­logen ist über den betreu­enden Arzt oder auch die Inter­net­seite des Ver­bandes möglich (www.diaetologen.at)

Fruktoseintoleranz – die andere Seite

Von der Fruk­to­se­mal­ab­sorption, bei der der Frucht­zucker unzu­rei­chend resor­biert wird, zu unter­scheiden ist die her­editäre Fruk­to­se­into­leranz. Dabei handelt es sich um eine seltene (1:20.000) Stoff­wech­sel­störung, die auf einem gene­tisch bedingten Enzym­defekt beruht. In diesem Fall wird Fruktose zwar resor­biert, kann in der Leber auf­grund des Mangels an Aldolase B aber nicht abgebaut werden und rei­chert sich dort an. Während die Auf­nahme von Fruktose bei einer Mal­ab­sorption unan­ge­nehme, aber nicht schwer­wie­gende Beschwerden ver­ur­sacht, führt die Akku­mu­lation von Fruktose-​1-​Phosphat in der Leber bei einer her­edi­tären Into­leranz zu gra­vie­renden Schäden. Erste Anzeichen wie Erbrechen, Durchfall und auch Schock treten im Säug­lings­alter bei der Ein­führung von Beikost auf.

Karin Gruber

Foto-​Credit: © Ingimage

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