Julia Haberl
Unter dem Begriff „Wunde“ wird eine Trennung des Gewebszusammenhangs an äußeren oder inneren Körperoberflächen mit oder ohne Gewebsverlust definiert [5]. Neben den verschiedenen Wundarten können Wunden in akute oder chronische Ausprägungen unterteilt werden. Akuten Wunden liegt eine normale Wundphysiologie und eine entsprechende Wundheilung zugrunde, bei chronischen Wunden besteht eine beeinträchtigte Physiologie und eine eingeschränkte Wundheilung [6]. Um eine optimale Wundheilung sowohl bei akuten als auch bei chronischen Wunden zu gewährleisten, bedarf es neben einer adäquaten medizinischen Wundversorgung einer bedarfsgerechten Energie- und Nährstoffzufuhr [4]. Als ernährungsphysiologische Hauptrisikofaktoren für die Beeinträchtigung der Wundheilung sind das Vorliegen einer Mangelernährung sowie Diabetes mellitus anzuführen. Beide können zu einer verlangsamten Wundheilung, einer beeinträchtigten Immunantwort, einem erhöhten Infektions- und Komplikationsrisiko sowie zu einer eingeschränkten Mobilität führen, woraus ein reduzierter Therapieerfolg resultiert [7]. Die ernährungstherapeutische Intervention stellt somit einen Hauptpfeiler des Wundmanagements dar.
Zusammenfassung Die Prävalenz der Wundentstehung im Krankenhaussetting wird auf ca. 12 bis 24% eingestuft [1]. Neben den Hauptrisikofaktoren Immobilität und Inkontinenz werden Mangelernährung und Diabetes als ernste Risikofaktoren für die Entstehung von Wunden und die Beeinträchtigung der Wundheilung beschrieben [2]. Das Vorliegen von Wunden wird mit einer erhöhten Mortalität in Verbindung gebracht. Bei Diabetes unter schlecht geführter Blutzuckereinstellung kommt es zu einer verminderten Immunabwehr, einem erhöhten Infektionsrisiko, einer verminderten Gefäßversorgung sowie zu einem gebremsten Insulinstoffwechsel. Dies hat eine verlangsamte, unvollständige Wundheilung zur Folge. Auch Folgeerkrankungen des Diabetes wie gastrointestinale Motilitätsstörungen und Mikro- und Makroangiopathien haben negativen Einfluss auf die Wundheilung und begünstigen beispielsweise die Entstehung des diabetischen Fußsyndroms [3]. Eine adäquate Energie‑, Protein- und Nährstoffzufuhr sowie ein gut geführtes Blutzuckermanagement sind wichtige und notwendige Parameter im Zuge des Wundmanagements und tragen wesentlich zu einer optimierten Wundheilung bei [4]. |
Risikofaktoren für Wundheilungsstörungen
Neben lokalen Risikofaktoren wie Druckbelastung, Infektionen oder arterieller Minderdurchblutung zählen Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus oder der Mangel an Energie- und Nährstoffen zu den Hauptrisikofaktoren für die Entstehung von Wunden bzw. für die Beeinträchtigung der Wundheilung [8]. In einer österreichischen Erhebung werden Mangelernährung mit 24,8% sowie Diabetes mit 26,1% als ernste Risikofaktoren beschrieben [2]. Zellproliferation und Proteinsynthese, die für die Wundheilung benötigt werden, führen zu einem gesteigerten Bedarf an Energie- und Nährstoffen. Besteht bereits eine Mangelernährung bzw. wird eine zu geringe Menge an Energie- und Nährstoffen zugeführt, resultiert eine Beeinträchtigung der Wundheilung [9].
Diabetes mellitus und Mangelernährung gehören zu den wichtigsten Risikofaktoren für Wundheilungsstörungen. |
Die Prävalenz des Diabetes als häufigste Stoffwechselerkrankung in den westlichen Industrienationen nimmt stetig zu und stellt somit auch einen wesentlichen Risikofaktor für die Wundheilung bzw. das Auftreten von Wundgeschehen dar [10]. Laut WHO kommt es beispielsweise bei Patienten mit Diabetes und Wundgeschehen im Bereich der unteren Extremitäten zu einem 20-fach höheren Risiko einer Amputation als bei Nicht-Diabetikern [11]. 15 bis 20% aller Diabetiker erleiden die Komplikation eines Diabetischen Fußsyndroms [3]. Des Weiteren ist bei schlecht eingestelltem Diabetes nach Operationen mit einem erhöhten Infektionsrisiko zu rechnen [12]. Dies wurde auch bei Verbrennungspatienten mit Diabetes festgestellt, welche eine signifikant höhere Wundinfektionsrate sowie längere Krankenhausaufenthalte verzeichneten [13]. Auf Grund von Hyperglykämien kommt es zu einer verminderten Immunität, einer Beeinträchtigung der Mikrozirkulation, sowie zur Verstärkung von inflammatorischen Prozessen [3]. Des Weiteren spielt die medikamentöse Therapie eine wesentliche Rolle. Im Zuge der Diabetesmedikation kommt es zur down-Regulation von proinflammatorischen Zytokinen sowie zu einer up-Regulation von Wachstumsfaktoren, die sich positiv auf die Wundheilung auswirken [14]. Auch die entsprechende Insulintherapie ist ein wesentlicher Faktor, der nicht nur den Blutzucker reguliert, sondern als Wachstumsfaktor die Einwanderung von Hautzellen und deren Vermehrung im Wundareal begünstigt [15].
Des Weiteren beeinflussen Begleiterkrankungen wie gastrointestinale Motilitätsstörungen oder Mikro- und Makroangiopathien das Wundgeschehen. Auf Grund einer Dysfunktion des Nervus vagus im Rahmen einer generalisierten, autonomen Neuropathie kann es beispielsweise zu Magenentleerungsstörungen (Gastroparesis diabeticorum) kommen. Aber auch in den Dünndarmarealen sowie im Bereich des Kolons können Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, welche zu Symptomen wie Diarrhoe oder Obstipation führen. Diese Begleiterkrankungen können einerseits die Nährstoffaufnahme beeinflussen, andererseits das adäquate Blutzuckermanagement erschweren, was sich wiederum negativ auf die Wundheilung auswirkt [3].
Praxis-Ernährungstherapie-Empfehlungen
Die NPUAP/EPUAP als nationale/europäische Gesellschaft zur Prävention und Therapie von Dekubitus hat 2014 neben pflegerischen Empfehlungen evidenzbasierte Leitlinien zur Ernährungstherapie bei Wundgeschehen veröffentlicht [4].
1. Screening und Assessment
Es wird empfohlen, den Ernährungsstatus anhand eines validierten Ernährungsscreeningtools zu erheben, um Risikopatienten schnellstmöglich zu erkennen und Ernährungsinterventionen durchzuführen. Anhand eines Ernährungsassessments soll die aktuelle Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme beurteilt werden.
2. Energie- und Proteinzufuhr
Im Allgemeinen wird eine Energiezufuhr von 30–35 kcal pro Kilogramm Körpergewicht empfohlen. Bei bestehender Mangelernährung soll die Energiezufuhr erhöht, bzw. bei Gewichtsänderungen adaptiert werden. Die Proteinzufuhr im Zuge eines Wundgeschehens entspricht 1,2–1,5g pro Kilogramm Körpergewicht und soll zu einer positiven Stickstoffbilanz führen. Diese Empfehlung sollte entsprechend der Nierenfunktion abgestimmt werden. Bei unterkalorischer Ernährung wird Protein zur Energiebereitstellung herangezogen und steht der Wundheilung nicht mehr zu Verfügung. Deshalb wird empfohlen, bei Nichterreichen der erforderlichen Energie- und Proteinzufuhr energieangereicherte Lebensmittel/Speisen bzw. orale Nährstoffsupplemente (ONS) einzusetzen. Diese Empfehlung finden sich auch in den S3-Leitlinien Klinische Ernährung in der Chirurgie [16]. Ist eine adäquate Energie-Proteinzufuhr trotz oben genannten Unterstützungsmöglichkeiten nicht möglich, kann eine additive enterale / parenterale Ernährung angedacht werden.
3. Flüssigkeitszufuhr, Vitamine und Mineralstoffe
Vor allem bei nässenden Wunden und Verbrennungen soll auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden, bei Dehydrationszuständen, erhöhter Temperatur, Erbrechen oder starkem Schwitzen auf eine zusätzliche Flüssigkeitszufuhr. Als individuelle Berechnungsgrundlage für den Flüssigkeitsbedarf kann 1ml/kcal herangezogen werden. Eine adäquate Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen wird empfohlen. Dies soll mit einer gesunden Ernährung erreicht werden. Wenn auf Grund von verminderter Nahrungsaufnahme die Versorgung nicht gewährleistet werden kann bzw. bereits Mängel vermutet werden, sollen Vitamin- und Mineralstoffsupplemente zum Einsatz kommen.
Wundheilungsstörungen verursachen neben individuellem Leid bedeutende zusätzlich Kosten. |
4. Immunmodulierende Substanzen
In verschiedenen Studien wird der Einsatz immunmodulierender Substanzen wie Arginin, Glutamin, Omega-3-Fettsäuren sowie verschiedene Vitamine und Spurenelemente thematisiert. In Bezug auf Arginin gibt es bedeutende Evidenz für einen positiven Effekt auf die Wundheilung und es wird auch in den NPUAP/EPUAP empfohlen. Arginin dient als Vorläufersubstanz für den Aufbau von Nukleotiden und Fibroblasten und unterstützt den Einbau von Kollagen in das Wundareal. Auch wird der Einsatz von ONS, angereichert mit Arginin, Zink und Antioxidantien als positiv beschrieben [17–19]. Laut einer Studie mit 200 mangelernährten Patienten wurde eine signifikante Reduktion des Ulkus-Areals sowie eine signifikant schnellere Wundheilung unter dem Einsatz von ONS, angereichert mit Arginin, Zink und Antioxidantien verzeichnet [20].
5. Ernährungsintervention: Kosten-Nutzen
Die Wichtigkeit eines optimalen Wundmanagements kann auch hinsichtlich der Kosten für die Wundversorgung unterstrichen werden. Am Beispiel einer retrospektiven Kohorten-Analyse aus Großbritannien bei 1000 Wundpatienten konnte eindrucksvoll der finanzielle Unterschied zwischen gut und schlecht heilenden Wunden gezeigt werden. Hierbei wurde gezeigt, dass es bei nicht heilenden Wunden zu einem Mehrkostenaufwand von durchschnittlichen 135% kam [21]. Weiters konnte durch verschiedene Studien gezeigt werden, dass die beschriebenen Ernährungsinterventionen eine signifikante Größenreduktion des Wundareals sowie eine schnellere Wundheilung mit sich bringen (siehe Tabelle 1) [20, 22].
Diskussion
Ernährungstherapeutische Interventionen bei PatientInnen mit chronischem Wundgeschehen und Diabetes nehmen einen wichtigen Stellenwert im Krankenhaussetting ein. Neben einem frühzeitigen Ernährungsscreening bzw. Assessment basiert die Ernährungstherapie auf einer berechneten, bedarfsdeckenden Energie- und Proteinzufuhr sowie einer adäquaten Zufuhr an Vitaminen und Mineralstoffen. Wenn die ausreichende Zufuhr nicht möglich ist, wird eine supportive Ernährung in Form von ONS bzw. additive enterale / parenterale Ernährung empfohlen. Laut den derzeitig gültigen Guidelines kann die Ernährungstherapie auch mit immunmodulierenden Nährstoffen wie Arginin unterstützt werden. Zur optimalen PatientInnenversorgung sollte somit ein multiprofessionelles Wundmanagement mit einer ernährungstherapeutischen Intervention durch eine DiätologIn als wesentlicher Eckpfeiler erfolgen.
Julia Haberl BSc, MSc, Diätologin, LKH-Universitätsklinikum Graz, Ernährungsmedizinischer Dienst, Julia.Haberl@klinikum-graz.at
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