Palmöl – ein Pflanzenfett, das für Diskussionen sorgt

Juli 2017

Schät­zungen zufolge enthält jedes zweite Produkt im Super­markt Palmfett und sorgt damit für heftige Dis­kus­sionen. Der Haupt­vorwurf betrifft vor allem Umwelt­folgen durch den Anbau. Tat­sächlich ist Palmöl in öko­lo­gi­scher Hin­sicht besser als sein Ruf in der west­lichen Welt. Auch ernäh­rungs­phy­sio­lo­gisch betrachtet schneidet es in sinn­vollen Ein­satz­be­reichen besser ab als die meisten Alter­na­tiven. Der weltweit stei­gende Bedarf erfordert aber Maß­nahmen, um die Öko­bilanz von Palmfett zu ver­bessern. Dabei müssen vom Pro­du­zenten bis zum Kon­su­menten alle Betei­ligten mit­wirken. Ein Gespräch mit Helene Glatter-​Götz vom WWF und Regine Schön­lechner von der BOKU Wien.

 

In welchen Ländern ist der Palm­öl­ver­brauch pro Kopf am höchsten? Wo stehen die EU bzw. Öster­reich?

Glatter-​Götz: Kon­krete Ver­brauchs­zahlen in ein­zelnen Ländern sind schwierig zu erheben, weil sich ein sehr großer Anteil des Palmöls in ver­ar­bei­teten Pro­dukten findet. Prin­zi­piell wird Palmöl in Asien seit langem in der Küche ver­wendet. Bevöl­ke­rungs­wachstum und mehr Wohl­stand haben den Ver­brauch in letzter Zeit dort stark steigen lassen. Von der 2013/​2014 pro­du­zierten Menge wurden jeden­falls ins­gesamt 69 Prozent in Asien und 11 Prozent in der EU ver­braucht. Von den 60 Mil­lionen Tonnen Jah­res­pro­duktion sind 1,8 Mil­lionen Tonnen nach Deutschland gegangen (Auf der Ölspur – Berech­nungen zu einer palm­öl­freien Welt, WWF 2016; Anm. d. Red.). Für Öster­reich wurden keine eigenen Berech­nungen angestellt.

Wie hoch ist der Anteil der Palm­öl­menge, die in die Lebens­mit­tel­pro­duktion fließt?

Glatter-​Götz: Das hängt stark vom Bezugs­rahmen ab. Weltweit gesehen werden rund 68 Prozent für Lebens­mittel ver­wendet, in Deutschland sind es 40 Prozent. Dieser Anteil ist auf­grund der immer stär­keren Nach­frage nach ver­ar­bei­teten Pro­dukten im Steigen begriffen. Der Ver­brauch an Palmöl in Indus­trie­ländern nimmt auch auf­grund des immer stär­keren Ein­satzes von Agro-​Kraftstoffen zu.

Fällt die Palm­öl­menge, die in Europa ver­zehrt wird, im welt­weiten Ver­gleich eigentlich ins Gewicht?

Glatter-​Götz: In Europa werden rund 6,5 Prozent des weltweit als Lebens­mittel ver­wen­deten Palm­fetts ver­braucht. Das spielt schon eine Rolle.

Schön­lechner: Der Anteil nimmt mit dem stei­genden Fett­konsum auch zu.

Wie sind Alter­na­tiven zu Palmöl öko­lo­gisch zu bewerten? Sind z.B. Kokosfett oder Sojaöl die bessere Wahl?

Glatter-​Götz: Grund­sätzlich ist Palmöl aus öko­lo­gi­scher Sicht kein „schlechtes“ Öl. Die Ölpalme ist extrem ertrag­reich, sodass ver­gleichs­weise wenig Anbau­fläche benötigt wird. Ölpalmen liefern durch­schnittlich 3,3 Tonnen pro Hektar, Kokos­palmen 0,7 und Soja 0,4 Tonnen. Eine Umstellung auf andere Ölpflanzen hätte negative Aus­wirkung – der Flä­chen­bedarf würde stark steigen, die Emission von Treib­haus­gasen zunehmen und ohnehin schon bedrohte Tier- und Pflan­zen­arten noch weiter unter Druck kommen. Daher sagen wir vom WWF, dass Palm­öl­ver­zicht auch keine Lösung ist. Es geht vielmehr darum, einen nach­hal­tigen Anbau aller Pflan­zenöle sicher­zu­stellen und eine Senkung des Bedarfs zu erwirken.

Mitt­ler­weile gibt es mehrere Nach­hal­tig­keits­in­itia­tiven rund um Palmöl – RSPO, POIG und FONAP. Was ist dar­unter zu ver­stehen und wie unter­scheiden sich diese von­ein­ander?

Glatter-​Götz: Der RSPO (Round Table of Sus­tainable Palmoil) wurde vor mehr als zehn Jahren von WWF, anderen Orga­ni­sa­tionen und Unter­nehmen gegründet. Ziel war, ein Min­destmaß an Nach­hal­tigkeit und Trans­parenz in den Palm­öl­anbau zu bringen. Um mehr Nach­hal­tigkeit zu erreichen, fordern wir die Ein­haltung von Zusatz­kri­terien wie den Rodungs­stopp von Regen­wäldern, kein Anbau auf Torf­böden, Offen­legung der Treib­haus­gas­emis­sionen, das Setzen von Reduk­ti­ons­zielen und Ver­zicht aus hoch­giftige Pes­tizide. Zu den Initia­tiven, die diese Kri­terien umzu­setzen ver­suchen, gehört die Palm Oil Inno­vators Group (POIG), die sich zum Teil aus RSPO-​Mitgliedern rekru­tiert. Das FONAP (Forum nach­hal­tiges Palmöl) kon­zen­triert sich auf den D‑A-​CH-​Raum und ver­sucht hier zu erreichen, dass aus­schließlich zer­ti­fi­ziertes Palmöl nach­ge­fragt wird. Letztlich sollen das RSPO- und andere Zer­ti­fikate auf ein höheres Niveau gehoben werden.

Schön­lechner: Das Verbot der Rodung von Regenwald müsste unbe­dingt in die RSPO-​Kriterien auf­ge­nommen werden.

Glatter-​Götz: Der WWF arbeitet gemeinsam mit anderen NGOs ständig daran, die Kri­terien für das RSPO-​Zertifikat weiter aus­zu­bauen. Das ist ein lang­wie­riger Prozess, weil hier sehr viele Betei­ligte mit unter­schied­lichen Inter­essen invol­viert sind. Trotzdem ist das RSPO eine Ver­bes­serung für die Öko­bilanz von Palmöl.

Schön­lechner: Idea­ler­weise sollte in ganz Europa nur zer­ti­fi­ziertes Palmöl ver­wendet werden. Der Kon­kur­renz­druck bei Fetten ist ja sehr groß, die Gewinn­margen sind eng. Ein Umstieg auf das teurere zer­ti­fi­zierte Palmöl kann einer Firma durchaus Wett­be­werbs­nach­teile bringen.

Trotz Ver­bes­se­rungs­bedarf ist es also sinnvoll, auf Pro­dukte mit zer­ti­fi­ziertem Palmöl zu achten

Glatter-​Götz: Bei Pro­dukten mit Palmöl emp­fehlen wir auf eine Zer­ti­fi­zierung für nach­haltige Pro­duktion zu achten. Ist diese nicht ersichtlich, kann man bei Unter­nehmen nach­fragen und damit auch eine Sen­si­bi­li­sierung bewirken.

Schön­lechner: Von einigen Lebens­mit­tel­pro­du­zenten wird schon RSPO-​zertifiziertes Palmöl ver­wendet. Eine Kenn­zeichnung ist aller­dings nur bei eti­ket­tierten Pro­dukten möglich, sei es Mar­garine, Tro­cken­suppen oder Seife. Ein großer Anteil des Palm­fetts ist aber in Zieh­mar­garine ent­halten und das damit her­ge­stellte Gebäck wird z.B. in Bäcke­reien im All­ge­meinen ohne Etikett verkauft.

Findet man in Pro­duk­ti­ons­ländern ein offenes Ohr für nach­hal­tigen Anbau? 

Glatter-​Götz: In Indo­nesien und Malaysien zum Bei­spiel, wo die größten Anbau­ge­biete liegen, ist man sich der Umwelt­pro­ble­matik durchaus bewusst. Die Palm­öl­pro­duktion ist aber auch ein wich­tiger wirt­schaft­licher Faktor und rund ein Drittel der Pro­du­zenten sind Klein­bauern, die aus­schließlich darauf ange­wiesen sind. Das muss man dif­fe­ren­ziert betrachten. Wir vom WWF ver­suchen einer­seits, die Nach­frage nach nach­haltig pro­du­ziertem Palmöl – sowie nach anderen Pro­dukten– zu erhöhen und arbeiten ande­rer­seits mit Pro­du­zenten zusammen, um die Instal­lierung ent­spre­chender Zer­ti­fi­zie­rungs­systeme zu unterstützen.

Was schlagen Sie umwelt­be­wussten Kon­su­menten vor, um den Palm­öl­ver­brauch zu redu­zieren? Welche Maß­nahmen machen am meisten Sinn?

Glatter-​Götz: Wir vom WWF emp­fehlen, auf eine Ernährung nach den gel­tenden Gesund­heits­stan­dards zu achten. Das bedeutet im All­ge­meinen weniger Fleisch, mehr Gemüse und Obst – vor allem in Bio-​Qualität – zu ver­zehren und Speisen mög­lichst oft frisch zuzu­be­reiten. Denn Palmöl findet sich besonders in ver­ar­bei­teten Pro­dukten wie Fer­tig­ge­richten, Scho­ko­laden und Knab­be­reien. Das ergibt eine Win-​Win-​Situation, weil man sowohl der Umwelt als auch der eigenen Gesundheit etwas Gutes tut. Eine WWF-​Studie hat gezeigt, dass ins­be­sondere die Reduktion des Ver­zehrs tie­ri­scher Pro­teine in Öster­reich die Emission von Treib­haus­gasen – also den Klima-​Fußabdruck – um 22 Prozent ver­ringern würde (Achtung: Heiß und fettig – Klima & Ernährung in Öster­reich, WWF 2015; Anm. d. Red.). Erwäh­nenswert in diesem Zusam­menhang ist auch, dass Palmfett laut Berech­nungen für Deutschland zu acht Prozent als Fut­ter­mit­tel­zusatz ver­wendet wird, v.a. bei Geflügel und Schweinen. Wenn man seinen Fleisch­konsum redu­ziert, ver­ringert man also indirekt auch den Ver­brauch an Palmöl. „Weniger Fleisch, dafür aber bes­seren Fleisch“ wäre schon ein gutes Motto – zurück zum Sonn­tags­braten quasi.

Schön­lechner: Damit wäre schon ein großer Schritt getan. Eine Ernäh­rungs­um­stellung wie beschrieben wäre natürlich die beste Lösung, wir wissen aber, wie schwierig das ist. Was nun das Fett betrifft – davon essen wir zu viel und häufig das falsche. Aller­dings wird für manche Pro­dukte Palmfett aus tech­no­lo­gi­schen oder sen­so­ri­schen Gründen benötigt, zum Bei­spiel Back­waren wie Blät­terteig, Hasel­nuss­auf­strich usw. Es ist jedoch die Frage, ob man von diesen Pro­dukten wirklich so große Mengen ver­zehren muss, wie es derzeit der Fall ist. Was die Pro­du­zenten betrifft: In vielen Pro­dukten könnte anstelle von festem Palmfett sehr gut Pflan­zenöl ver­wendet werden, z. B. wäre zum Frit­tieren Öl statt dem häufig ver­wen­deten Palmfett geeignet. Freilich ist das nicht zuletzt eine Preis­frage. Die Ver­ant­wortung liegt jeden­falls sowohl bei Kon­su­menten als auch Produzenten.

Ein Boykott von Palmöl ist also nicht als sinnvoll zu betrachten?

Schön­lechner: Es ist ein Trug­schluss anzu­nehmen, dass man mit einem Boykott von Palmöl die Pro­bleme lösen könnte. Die­je­nigen, die es ver­wenden, als Übel­täter zu brand­marken, ist nicht wirklich kon­struktiv. Aber Aus­ein­an­der­set­zungen wie die um Palmöl bekommen oft eine gewisse Eigen­dy­namik. Grund­sätzlich ist die Dis­kussion ja zu begrüßen, weil sie eine bestehende Pro­ble­matik in das all­ge­meine Bewusstsein rückt. Diese ist aller­dings nicht auf Palmöl beschränkt, sondern betrifft viele andere Natur­pro­dukte ebenso.

Glatter-​Götz: Wir vom WWF sind wie gesagt ja zu dem Schluss gekommen, dass kein Palmöl auch keine Lösung ist. Darüber zu reden und eine öffent­liche Aus­ein­an­der­setzung zu führen, wie wir die der­zei­tigen Umwelt­pro­bleme wie die Rodung von Regen­wäldern und die Gefährdung von Tier- und Pflan­zen­arten ein­dämmen können, finde ich aber schon sehr wichtig. Es geht ja nicht allein um Palmöl, sondern um alle Pflan­zenöle und letztlich um die Frage der Nach­hal­tigkeit generell.

Wie sieht es eigentlich mit der Fett­säu­re­zu­sam­men­setzung aus? Wie kann Palmfett aus ernäh­rungs­phy­sio­lo­gi­scher Sicht bewertet werden? Vor allem im Ver­gleich zu dem derzeit tren­digen Kokosfett.

Schön­lechner: Das Roh­produkt Palmöl ist ein wert­volles Öl mit einem extrem hohen Gehalt an Caro­ti­noiden. Für die Lebens­mit­tel­pro­duktion benötigt man aller­dings den festen bzw. halb­festen Anteil, der durch Raf­fi­nation gewon­nenen wird, wobei auch die Caro­ti­noide abge­trennt werden. Nur dann bekommt man die in der Tat aus­ge­zeich­neten tech­no­lo­gi­schen Eigen­schaften. Damit enthält das hier­zu­lande in der Lebens­mit­tel­pro­duktion ver­wendete Palmfett natur­gemäß einen relativ hohen Anteil an gesät­tigten Fett­säuren. Im Ver­gleich zu Kokosfett ist dieser Anteil aber nur etwa halb so groß. Als hoch­ge­sät­tigtes Fett ist Kokosfett von Natur aus fest, hat aber nicht die tech­no­lo­gi­schen Eigen­schaften des Palm­fetts. Es hat auf­grund der sehr vielen kurz­ket­tigen Fett­säuren einen sehr engen Schmelz­punkt­be­reich von ein bis zwei Grad und wird sofort flüssig. Für Streich­fette braucht man einen breiten Schmelz­be­reich. Als gesundes Fett kann man das derzeit gehypte Kokosfett nicht bezeichnen. Es kur­sieren sogar Mel­dungen, es würde gegen Demenz helfen. Solche Glo­ri­fi­zie­rungen sind natürlich aus der Luft gegriffen. Palmfett enthält etwa sechs Mal so viel Omega-​6-​Fettsäuren wie Kokosfett. Omega-​3-​Fettsäuren sind zwar in geringer Menge, aber doch ent­halten, während sie in Kokosfett völlig fehlen.

Konkret zum Thema Lebensmittel-​Einkauf: In welchen Pro­dukten steckt in Relation zur Ver­zehrs­menge das meiste Palmöl und worauf soll der Kon­sument im Super­markt achten?

Glatter-​Götz: Mehr als 40 Prozent werden in Form von Brot- und Back­waren, Pizzen, anderen Fer­tig­pro­dukten und Knab­ber­gebäck gegessen. Daher emp­fiehlt es sich, besonders bei diesen Pro­dukten auf eine Zer­ti­fi­zierung zu achten bezie­hungs­weise so viel wie möglich selbst zu kochen und so den Konsum von Palmfett zu kon­trol­lieren. Absolut betrachtet am höchsten ist der Gehalt zwar in Mar­garine, die 20 bis zu 50 Prozent Palmfett enthält. Aller­dings sind hier die Ver­zehrs­mengen ver­gleichs­weise klein und so findet sich nur rund ein Drittel des für Lebens­mittel ver­wen­deten Palm­fetts in Margarine.

Wie sieht es bei den Streich­fetten aus? Ist Butter die öko­lo­gisch bessere Wahl als Mar­garine?

Glatter-​Götz: Es gibt relativ viele Studien zu diesem Thema und grund­sätzlich schneidet Mar­garine besser ab – selbst wenn Palmöl ent­halten ist. Butter ist so wie jedes tie­rische Produkt mit einem hohen Ver­brauch von Land­flächen ver­bunden. Rinder ver­ur­sachen Emis­sionen von Treib­haus­gasen und die Pro­duktion der Fut­ter­mittel muss eben­falls berück­sichtigt werden. Gerade Butter ist nicht einfach zu bewerten, da spielen noch zahl­reiche andere Fak­toren eine Rolle. Jeden­falls sollte man in beiden Fällen zur Variante aus Bio­landbau greifen.

Ein gewagter Blick in die Zukunft: Aus welchen Ölpflanzen werden wir in 20 Jahren unser Fett gewinnen?

Schön­lechner: Die ideale Ölpflanze wird es wohl nicht geben. Man kann davon aus­gehen, dass die Ölpalme auch in 20 Jahren noch angebaut werden wird – ganz zu Recht. In Europa dürfte der Raps und in den USA Soja die größte Bedeutung behalten. Mit großen Ver­schie­bungen rechne ich hier nicht. In mehr­facher Hin­sicht wün­schenswert wäre ein Rückgang des Fett­konsums, ins­be­sondere der Konsum von gesät­tigten Fett­säuren durch weniger Fleisch, Wurst und tie­ri­schem Fett.

Glatter-​Götz: Palmöl hat in den letzten 25 Jahren einen extremen Boom erlebt, die Anbau­fläche hat sich seit 1990 mehr als ver­drei­facht. Es ist nicht davon aus­zu­gehen, dass sich der Trend umkehrt. Man muss eher mit weiter stei­gender Nach­frage rechnen. Dazu tragen unter anderem das Bevöl­ke­rungs­wachstum, der zuneh­mende Konsum von Fer­tig­pro­dukten und ein wahr­scheinlich stei­gender Einsatz in der Agro-​Kraftstoffproduktion bei. Darum ist ein nach­hal­tiger Anbau von Palmöl, aber auch von anderen pflanz­lichen Fetten, so wichtig.

Herz­lichen Dank für das Gespräch.

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