Maddalena Strukul
In Österreich erkranken jährlich etwa 35.000 Menschen an onkologischen Erkrankungen. Durch die Entwicklung neuer Therapien hat die Sterblichkeitsrate abgenommen, beispielsweise bei Brust- und Darmkrebs um 10 bis 15%. Krebs bleibt jedoch die zweithäufigste Todesursache in Österreich. Die Bildung von entarteten Zellen ist nicht direkt tödlich. Vielmehr sind es die Folgen aufgrund der Vermehrung dieser Zellen. Durch das Einwachsen von Tumorgewebe in gesunde Areale kommt es zu ausgeprägten Organfunktionsstörungen bis hin zum kompletten Organversagen. Wenn Fernmetastasen vorliegen, sind häufig mehrere Organe davon betroffen.
Fortgeschrittene Tumorerkrankungen werden von einem starken Gewichtsverlust begleitet: die gefürchtete „Kachexie“, bei der Speicherfettdepots und Muskulatur abgebaut werden und es zu Funktionsausfällen von Organen mit einhergehender Atrophie kommen kann. Eine Kachexie entsteht nicht plötzlich, es ist ein Prozess, der Schritt für Schritt bereits in den ersten Stadien der Erkrankung nachgewiesen werden kann. Bei zirka 70% der Krebspatienten findet Monate vor Diagnosestellung ein ungewollter Gewichtsverlust statt.
Je mehr Tumorgewebe proliferiert und je schlechter der Allgemeinzustand des Erkrankten ist, desto rasanter werden die Merkmale dieses Abbauprozesses sichtbar. Hinzu kommen die therapiebedingten Nebenwirkungen, welche für die Betroffenen trotz deutlicher Verbesserung moderner Chemotherapeutika immer noch eine große Belastung darstellen. Erschöpfung, Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Meteorismus, Obstipation, Diarrhoen, Haarausfall, Schleimhaut-, Nagelschäden und vieles mehr sind keine Seltenheit. Patienten nehmen dadurch das Ausmaß ihrer Erkrankung wahr, was dazu führt, dass es zur Entstehung depressiver Episoden kommt: der Appetit nimmt weiterhin ab. Dies ist ein Teufelskreis, der nur mehr schwer unterbrochen werden kann.
Entwicklung der Ernährungstherapie
Noch vor 10 Jahren bestand die Ernährungstherapie beim onkologischen Patienten vorwiegend darin, die Essenswünsche während eines Krankenhausaufenthaltes aufzunehmen und an das Küchenpersonal weiterzuleiten. Während der Chemo- und Strahlentherapien kam es aufgrund von gastrointestinalen Problemen wie Übelkeit und Erbrechen und dem Vorliegen von Inappetenz zwangsläufig zu einem Gewichtsverlust. Wenn die Nebenwirkungen Tage bzw. Wochen nach Beendigung der Therapien ausgeklungen waren, setzte langsam der Appetit wieder ein, doch aufgrund der bestehenden katabolen Stoffwechsellage konnte das verlorene Gewicht nicht mehr zurückgewonnen werden. So kam es beispielsweise nach acht Zyklen Chemotherapie zu einem Gewichtsverlust von 20 bis 25 Kilogramm Körpergewicht.
Die Säulen der Therapie onkologischer Patienten bestehen aus diversen Maßnahmen mit dem Ziel, Tumorgewebe zu zerstören, zu verkleinern und an seinem Wachstum zu hindern: Chemo-, Strahlen-, Hormon- und Autoimmuntherapie. Heutzutage werden in jeder Krankenhauseinrichtung Prioritäten und Behandlungspläne festgelegt.
Der onkologische Patient profitiert stark von einem interdisziplinären Team von Behandlern: Onkologen, Chirurgen, Pflegepersonal, Diätologen, Physiotherapeuten und Psychologen. Diese bieten keine kurative Therapie an, bemühen sich sind jedoch um eine supportive Herangehensweise. Laut aktuellem Wissensstand kann Ernährung den Tumor nicht aushungern. Nicht zu vernachlässigen ist jedoch die mit stärkenden Maßnahmen verbundene positive Beeinflussung auf die Morbidität und Mortalität. Chemotherapie und Strahlenbehandlungen werden besser toleriert, was dazu führt, dass keine Behandlungsunterbrechungen vorgenommen werden müssen. Das Überleben der Patienten kann verlängert und vor allem die Lebensqualität verbessert werden.
Selbstverständlich müssen Therapieschritte unter den Berufsgruppen besprochen und koordiniert werden. Krebspatienten fühlen sich auch dadurch gut aufgehoben und dies beeinflusst positiv den Genesungsverlauf positiv.
Bei einem männlichen Patienten (1944 geboren, 176cm groß, 73 Kilogramm Körpergewicht) wird im Jahr 1994 aufgrund eines vorliegenden Magenkarzinoms eine Billroth II Operation durchgeführt. Der Patient verliert zwei Monate vor Diagnosestellung 8 Kilogramm Körpergewicht. Nach der Operation kommt es zu einem Gewichtsverlust von weiteren 10 Kilogramm Körpergewicht. Der Patient erhält eine kurative Chemotherapie. 1995 wird diese abgeschlossen. Es vergehen zehn Jahre und der Patient nimmt insgesamt 29 Kilogramm Körpergewicht ab, sodass er nur mehr 44 Kilo wiegt. 2004 erhält der Patient eine Ernährungsbetreuung. Dank gezieltem Einsatz von Eiweißmodulen, einer hochkalorischen leicht verdaulichen Kost und einer begleitenden hochwertigen Probiotika-Therapie mit Enzymsubstitution kann der Patient acht Kilogramm zunehmen und sein Gewicht konstant halten. Der Patient trinkt täglich eine Zusatznahrung. Diese Maßnahme wird als angenehm und gewichtstabilisierend empfunden. Die Getränke werden regelmäßig von der Ernährungstherapeutin über die Krankenkassa verordnet. Der behandelnde Arzt und die Diätologin kooperieren zusammen. Die Ernährungstherapie wird fortlaufend den neuen Lebensumständen angepasst. Im Februar 2017 wiegt der Patient 53,5 Kilogramm.
Dank der Entwicklung neuer Ansätze beschäftigt sich die Ernährungstherapie in der Onkologie heute oft über Jahre mit dem Erhalt der Lebensqualität des Betroffenen. Symptome können rechtzeitig, effektiv und individuell behandelt werden. Patientinnen, die vom Mammakarzinom betroffen sind, können trotz gewichtsförderlicher Hormontherapie das Körpergewicht konstant halten und dabei sogar Muskulatur aufbauen.
Bei rechtzeitiger Intervention im Stadium der Präkachexie (Gewichtsverlust von < 5%) kann die Magermasse am effektivsten erhalten werden.
Nach wie vor „ernährungsfeindliche“ Abläufe in Krankenhäusern
Mangelernährung wird in Krankenhäusern aufgrund von diversen ungeordneten „ernährungstherapiefeindlichen“ Abläufen immer noch gefördert. Eine weibliche Patientin (148cm groß) wiegt 55 Kilogramm vor der Diagnose „Darmkarzinom“ im Jahr 2012. Es findet innerhalb von vier Jahren ein Gewichtsverlust von 8 Kilogramm statt. Die Patientin erhält 30 Zyklen Chemotherapie, jedoch keine Ernährungsberatung. Im Oktober 2016 verliert die Patientin innerhalb von zwei Wochen aufgrund von therapiebedingten schweren Durchfällen weitere sechs Kilogramm Körpergewicht. Da sie sich unwohl fühlt, isst die Patientin lediglich Reis, Kartoffeln und Haferflockensuppen und wird letztendlich in einem Krankenhaus aufgenommen. Die Patientin wird nicht parenteral ernährt. Da eine Koloskopie bevorsteht, wird zusätzlich Nahrungskarenz angeordnet. Die Patientin verstirbt aufgrund eines Multiorganversagens.
Während eines Spitalsaufenthaltes kommt es nicht selten vor, dass diagnostische Verfahren in den Mittelpunkt gestellt werden, sodass der Patient nicht die Zeit hat, seine Mahlzeiten einzunehmen. Betroffene werden oft gebeten, stundenlang nüchtern zu bleiben. Im Laufe des Diagnoseverfahrens mit dem Ziel, eine onkologische Erkrankung festzustellen, nimmt der Patient Muskulatur ab und wird dadurch zusätzlich geschwächt. Selbst während der Vorbereitung auf endoskopische Untersuchungen ist es in manchen Institutionen immer noch Gang und Gäbe, dem Betroffenen lediglich kalorienfreie Getränke anzubieten. Bewährt hat sich hierbei der Einsatz energie- und nährstoffreicher klarer Zusatznahrungen. Diese können problemlos getrunken werden, ohne das diagnostische Verfahren zu behindern. Ein standardisierter Einsatz der medizinischen Getränke kann effektiv vor Gewichtsverlust bewahren und der Betroffene fühlt sich dadurch wohler und kreislaufstabiler.
Ein Muss: Ernährungsscreening und fortlaufende Ernährungstherapie
Von allen Fachgesellschaften (A.S.P.E.N, DGEM, ESPEN) wird frühzeitig, also ab Diagnosestellung, auch eine Ernährungsdiagnostik empfohlen. Jede onkologische Abteilung sollte Patienten auf Mangelernährung screenen. Wichtige Punkte, die dabei berücksichtigt werden müssen, sind: der Gewichtsverlauf, das Ernährungsverhalten und das Vorliegen von Faktoren, die sich negativ auf normale Verdauungs- und Resorptionsprozesse auswirken können. Folgebetreuungstermine sollten auch im Bereich der Ernährungstherapie angeboten werden. Aktuell gibt es in Einrichtungen keine einheitliche Vorgehensweise. Bei einer einmaligen Beratung besteht lediglich die Zeit, mit dem Betroffenen notwendige Diätmaßnahmen zu besprechen. Beispielsweise wird nach einem status post „Darmresektion mit Anlegung eines Stomas“ der Patienten auf die Besonderheiten der notwendigen Ernährungsweise aufmerksam gemacht. Um Entzündungen und der Okklusionsgefahr des künstlichen Darmausganges entgegen zu wirken wird dem Patienten geraten, eine faserarme und säurereduzierte Kost einzunehmen. Zusätzlich wird auf eine leicht verdauliche eiweiß- und mikronährstoffreiche Ernährung eingegangen. Nach Spitalsentlassung sieht sich der Patient jedoch mit einer Vielzahl an neuen Herausforderungen konfrontiert. Fragen zur praktischen Umsetzung im Alltag entstehen, Probleme treten gehäuft auf. Da keine diätologische Betreuung angeboten wurde, versucht der Erkrankte eigenständig mit der Situation zurecht zu kommen. Einige Maßnahmen, die von Verwandten und Bekannten empfohlen werden oder aus Zeitschriften, Büchern und dem Internet stammen, werden umgesetzt, oft so lange, bis das Ausmaß an Nebenwirkungen die Überhand gewonnen hat. Durch einen gezielten ernährungstherapeutischen Einsatz hätten die Beschwerden punktuell und rechtzeitig behoben werden können.
Wichtige Maßnahmen
Bedeutende Maßnahmen, die von Diätologen im Bereich der Onkologie gesetzt werden, sind jene, die dazu bestimmt sind, die Muskulatur zu erhalten und einem Gewichtsverlust entgegen zu steuern. Dabei muss beachtet werden, dass die ohnehin bereits vorhandene Insulinresistenz nicht verstärkt wird. Es liegt eine Vielzahl an Daten vor, durch die bestätigt werden konnte, dass die Zunahme von Fettgewebe und eine kohlenhydratreiche Ernährungsweise, vor allem reich an Einfachzuckern, die Prognose verschlechtern.
Eiweißbedarf decken
Die notwendigen Eiweißquellen sollten vom Ernährungstherapeuten genau ausgewählt werden. Einiges bleibt nach wie vor ungeklärt. Viele Studien müssen noch durchgeführt werden. Erkrankte werden zurzeit des Öfteren mit der Empfehlung, weniger tierisches Eiweiß zu essen, konfrontiert. Tatsache ist, dass der Eiweißbedarf onkologischer Patienten hoch ist. Bei niedriger Eiweißzufuhr und gleichzeitiger kataboler Stoffwechsellage kommt es rasch zu einem gravierenden Verlust an Muskulatur und zur Schwächung des Abwehrsystems. Für die Gestaltung des individuellen Speiseplans sollten hochwertige Eiweißlieferanten verwendet werden: tierische Lebensmittel aus gesicherter Herkunft kombiniert mit unterschiedlichen Eiweißträgern pflanzlichen Ursprungs. Unter den vegetarischen Lebensmitteln enthalten Hülsenfrüchte den höchsten Eiweißgehalt, diese werden jedoch oft schlecht vertragen. Eiweißpulver pflanzlicher Herkunft wie Reis-, Hanf-, Lupinen-, Soja- und Erbsenprotein werden von diversen Firmen angeboten. Dank der Kombination von veganem und tierischem Eiweiß kann eine besonders hohe biologische Wertigkeit erreicht werden: das zugeführte Nahrungsprotein wird zu über 100% in Körperprotein umgewandelt. Es fällt weniger Harnsäure an und die Nieren werden dadurch weniger belastet.
Onkologische Patienten sollten immer darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass mehrere Maßnahmen zum gewünschten Ziel führen können. Der Einsatz von Zusatznahrungen wird häufig empfohlen, vor allem, wenn der Energie- und Nährstoffbedarf des Betroffenen nicht länger mit herkömmlicher Nahrung gedeckt werden kann. Nach monatelangem Verzehr von ein- und denselben Zusatzgetränken kommt es unweigerlich zur Entstehung einer starken Aversion. Erkrankte nehmen ab, da sie keine gleichwertigen Alternativen kennen. Um dem entgegenzusteuern soll den Betroffenen von Anfang erklärt werden, wie medizinische Getränke durch einfache Maßnahmen geschmacklich attraktiver und abwechslungsreicher gestaltet werden können. Proteinreiche Zwischenmahlzeiten können auch in Form von Eiweißriegeln, Eiweißwaffeln und vieles mehr angeboten werden. Denjenigen, die gerne frische Speisen zubereiten, soll gezeigt werden, wie aus unterschiedlichen Lebensmitteln, Eiweißmodulen und hochwertigen Ölen (Leinöl, Hanföl, Rapsöl, Chiaöl, Camelina-Öl, Arganöl, Mandel- und Nussöle) einfache Mahlzeiten oder Zwischenmahlzeiten zubereitet werden können. In den meisten Fällen ist es überaus sinnvoll, Angehörige mit einzuschulen, sodass Betroffene in Phasen vorliegender Fatigue tatkräftig unterstützt werden können.
Unhaltbare Versprechungen entlarven
Betroffenen wird häufig empfohlen, verschiedene Präparate einzunehmen. Insbesondere Mamma-Karzinom-Patientinnen werden mit einer Vielzahl an „Heilmitteln“ konfrontiert. Eine unüberschaubare Anzahl an Zusatzstoffen werden von Alternativmedizinern und Ernährungstherapeuten ohne diätologischer Ausbildung beworben: Algenpräparate, hochdosierte Kurkumatabletten, konzentrierte Pflanzenextrakte in Tabletten- und Pulverform. Andererseits wird der Verzehr von natürlichen Lebensmitteln (z.B. Milchprodukte) häufig verboten. Oft wird diesen Lebensmitteln gar eine krebserregende Wirkung zugesprochen. Als Onkologe und Diätologe ist es daher wichtig, für Klarheit zu sorgen und den Betroffenen mitzuteilen, dass solche Empfehlungen keinerlei wissenschaftliche Relevanz haben.
Eine junge Patientin (1967 geboren) mit invasiv ductalem Mamma-Karzinom teilt ihrer Diätologin, nachdem diese sie während der notwendigen acht Zyklen Chemotherapuie begleitet hat, mit: „Ich denke oft an Sie und spreche auch oft von Ihnen. Unter vielen Ängsten war eine, dass ich meine Ernährung komplett umstellen muss. Diese Sorgen haben Sie mir genommen. Ich probiere, mich abwechslungsreich und ‚bunt‘ zu ernähren“. Ende September 2016 wurde der erste Zyklus Chemotherapie durchgeführt, im Februar 2017 der letzte. Das Körpergewicht der Patientin lag in dieser Zeit bei 59 bis 61 Kilogramm. Die Ernährung wurde aus hochwertigen pflanzlichen und tierischen Eiweißlieferanten zusammengestellt. Lieblingsspeisen wie Fischgerichte wurden häufig verzehrt. Einige Wochen fühlte sich die Patientin extrem erschöpft. Regelmäßige körperliche Aktivität und eine zusätzliche Eiweißanreicherung der Speisen halfen dabei, dass der Allgemeinzustand verbessert werden konnte. Die aktive Körperzellmasse wurde erhalten (24 bis 25 Kilogramm).
Supplemente wenn nötig
Supplemente sollten nur dann eingesetzt werden, wenn Nährstoffmängel bestehen beziehungsweise der Betroffene sich nicht bedarfsdeckend ernähren kann. Die Art und Form der Supplementierung soll mit dem Onkologen bzw. dem Diätologen abgesprochen werden. Ein Zuviel an Eisen und diversen Antioxidantien, wie Vitamin C und E, wird in diversen Studien mehrfach als kontraproduktiv beschrieben. Diese Stoffe agieren gegen die notwendige zellschädigende Wirkung von Chemo- und Strahlentherapien.
Benefit künstlicher Ernährungsformen
Künstliche Ernährungsformen bedeuten eine großartige Unterstützung für viele Patienten. Betroffene, die ablehnend reagieren, verbinden derartige Maßnahmen mit einer schlechten Prognose, da sie in der Vergangenheit nur bei Betroffenen im Endstadium angewandt wurden. Eine umfassende Aufklärung muss daher vorgenommen werden. Der Einsatz einer eiweißreichen, möglichst zuckerarmen parenteralen Ernährung, bestehend aus langkettigen Omega-3 Fettsäuren, hat sich in Phasen von völliger Inappetenz und Unwohlsein stark bewährt. Somit wird der Patient nicht zum Essen gezwungen, was dazu führt, dass keine Abneigungen entstehen. Außerdem wird der Verlust von Körpergewicht und aktiver Körperzellmasse dadurch eingedämmt. Bei länger andauernder Inappetenz kann die parenterale Ernährung nach Beendigung eines Chemotherapiezyklus auf heimparenteraler Ebene ausgedehnt werden. Wenn der Appetit erneut einsetzt, kann der Patient flexibel auf ausschließlich orale Ernährung umstellen.
Parenterale Albumininfusionen zeigen ihre Wirkung häufig innerhalb weniger Tage: Patienten fühlen sich vitaler, die Haut wird rosiger. Das Beispiel einer weiblichen Patientin (1963 geboren) mit inoperablem Pancreas-Karzinom und starkem Aszites kann hier erwähnt werden. In den letzten sechs Monaten vor ihrem Ableben im November 2016 verbrachte die Patientin kostbare Zeit zuhause mit ihrer Familie. Alle zwei Wochen erfolgte ein Krankenhausaufenthalt. Eine palliative Chemotherapie und eine Ernährungstherapie wurden regelmäßig durchgeführt. Die Patientin erhielt eine parenterale Ernährung bestehend aus 60 Gramm Albumin und 50 Gramm hochwertiger Lipid-Mischung. Zusätzlich nahm die Patientin Trinknahrungen und eine proteinangereicherte Kost zu sich. Das Gesamteiweiß konnte dadurch, trotz massiver Ödeme und Aszites, bei 5,5 bis 5,7 g/l und das Körpergewicht bei zirka 60 Kilogramm Körpergewicht (Trockengewicht) konstant gehalten werden. Die Patientin erlebte nach jeder parenteralen Nahrungsgabe einen „Energieschub“ und der Appetit kehrte zurück. Aufgrund des fortschreitenden Krankheitsverlaufes wurde auch zuhause parenteral ernährt. Die Infusion erfolgte nachts. Untertags kochte die Patientin und erfreute sich an ihren selbst zubereiteten Speisen. Ein Eiweißpulver wurde in Teige, Suppen und Cremen gerührt. Lediglich eine Woche, bevor die Patientin verstarb, kam es zu einer groben Verschlechterung des Allgemeinzustandes.
Adäquate Ernährungstherapie & Gewichtsverlauf
Wenige Studien im Bereich der Onkologie beschäftigen sich mit den Auswirkungen gezielter Ernährungsmaßnahmen auf das Wohlbefinden der Betroffenen und deren Krankheitsverlauf. Laut aktueller Daten bewirkt eine Ernährungsintervention keine konsistente Verlängerung der Lebensdauer, der Allgemeinzustand kann dadurch jedoch erheblich verbessert werden. Alle 49 onkologischen Patienten der Privatklinik Rudolfinerhaus, die seit September 2016 regelmäßig in ernährungstherapeutischer Betreuung sind, konnten dies bestätigen. Eine Steigerung der Lebensqualität von 40 bis 70 % wird angegeben. Um eine Weiterbetreuung wird aktiv gebeten. Ernährungstherapie-Ergebnisse aus der Privatklinik Rudolfinerhaus – Wien sind in Abb. 3–5 dargestellt.
Conclusio
Ernährungstherapeuten im Bereich Onkologie werden mit einem inhomogenen Patientenkollektiv konfrontiert. Einige der Betroffenen sind bereits ab Diagnosestellung multimorbid, andere waren ihr Leben lang gesund und in dieses aktiv eingebunden. Besonders viel Einfühlungsvermögen ist gefragt. Nur wer sich als Betreuer Zeit nimmt, kann alltagstaugliche Strategien entwickeln. Wenn sich der Betroffene in der Beratungssituation wohl fühlt, teilt er seine Bedürfnisse mit. Je mehr Informationen weitergegeben werden, umso besser kann der Patient unterstützt werden. Nicht die Ziele des Ernährungsberaters, sondern vielmehr jene des Erkrankten sollen anvisiert werden.
Maddalena Strukul, Diätologin und Diabetesberaterin, Privatklinik Rudolfinerhaus, Billrothstraße 78, 1190 Wien, m.strukul@rudolfinerhaus.at
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ESPEN Guidelines bei der Verfasserin
Ernährungstherapie-Aufzeichnungen, Abteilung Diätologie, Privatklinik Rudolfinerhaus, Datensammlung ab September 2016 – März 2017