Ernährung & Medikamente – eine komplizierte Beziehung

April 2017

Die Wech­sel­wir­kungen zwi­schen Medi­ka­menten und Ernäh­rungs­fak­toren stellen eine kom­plexe The­matik von erheb­licher prak­ti­scher Bedeutung dar. Diese Pro­ble­matik kann aus vielen unter­schied­lichen Gesichts­punkten betrachtet werden. Im vor­lie­genden Beitrag wurde ver­sucht, einen Über­blick über einige dieser Gesichts­punkte zu geben.

Wolfgang Marktl

Im Zusam­menhang mit dem Komplex der wech­sel­sei­tigen Beein­flussung von Ernährung und Medi­ka­menten können vier Pro­blem­kreise ange­sprochen werden.

  1. Effekte der Ernährung bzw. ein­zelner Nähr­stoffe auf die Arzneimitteldisposition
  2. Arz­nei­mit­tel­dis­po­sition bei Mangelernährung
  3. Effekte von Arz­nei­mitteln auf die Ernährung
  4. Unver­träg­lichkeit zwi­schen Arz­nei­mitteln und Nahrungsbestandteilen

Medi­ka­mente unter­liegen grund­sätzlich den­selben Stoff­wech­sel­vor­gängen wie Nähr­stoffe, deshalb sind Inter­ak­tionen auf allen Ebenen des Meta­bo­lismus möglich: Ver­dauung, Resorption, Ver­teilung im Orga­nismus, Endo­gener Stoff­wechsel, Aus­scheidung. Die deut­lichsten Effekte können während der Resorption und im Rahmen von Stoff­wech­sel­vor­gängen auf­treten. Eine spe­zielle ernäh­rungs­phy­sio­lo­gisch rele­vante Pro­ble­matik stellt darüber hinaus die Inter­aktion zwi­schen Medi­ka­menten und der Regu­lation von Hunger und Sät­tigung dar.

Im Hin­blick auf die Inter­aktion von Medi­ka­menten und Mikro­nähr­stoffen können fol­gende Mecha­nismen beschrieben werden:

  • Ant­ago­nismus oder Synergismus
  • Inter­aktion bei der Ausscheidung
  • Inter­aktion im Stoffwechsel
  • Inter­aktion bei der Resorption
  • Ver­stärkung von Nebenwirkungen.

Darüber hinaus können die Inter­ak­tionen zwi­schen Medi­ka­menten und Ernährung in direkte phy­si­ko­che­mische Inter­ak­tionen und phy­si­ka­lische bzw. phy­sio­lo­gische Inter­ak­tionen ein­ge­teilt werden.

Aus nach­voll­zieh­baren Gründen sind pati­en­ten­be­zogene funk­tio­nelle Inter­ak­tionen von beson­derem Interesse. Der Ernäh­rungs­status eines Men­schen kann die Wirkung und Dis­po­sition von Medi­ka­menten beein­flussen. Der prak­tisch bedeut­samste dieser Fak­toren ist die Pro­te­in­syn­these. Eine ver­min­derte Pro­te­in­syn­these, die als Folge eines ali­men­tären Eiweiß­mangels oder einer schweren Erkrankung auf­tritt, kann die Resorption, den Transport, den Stoff­wechsel und die Aus­scheidung von Medi­ka­menten beein­flussen. Das Plas­maa­mi­no­säu­ren­muster, das auch von der Zusam­men­setzung der Nahrung abhängt, kann den Über­tritt von Medi­ka­menten in das Gehirn beein­flussen. Manche Medi­ka­mente benutzen für Ihren Transport über die Blut-​Hirn-​Schranke das­selbe Trans­port­system wie die großen neu­tralen Ami­no­säuren, wodurch es zu einer Kon­kurrenz um die Trans­port­ka­pa­zität kommen kann.

Zu beachten ist auch, dass die meisten Medi­ka­men­ten­do­sie­rungen sich auf das Gesamt­ge­wicht eines Men­schen beziehen. Medi­ka­mente wirken jedoch nur im fett­freien Com­partment. Bei Men­schen mit einem hohen Fett­anteil ist daher die Wirkung in der fett­freien Kör­per­masse aus­ge­prägter. Das Ausmaß des Kör­per­fetts ist auch für Medi­ka­mente relevant, die im Fett­gewebe gespei­chert werden.

Von einem bio­lo­gi­schen Ant­ago­nismus wird dann gesprochen, wenn ein Medi­kament und ein Nähr­stoff eine gegen­teilige bio­lo­gische Wirkung haben. Bei­spiele dafür sind erhöhte Elek­tro­lyt­ver­luste im Harn bei Ein­nahme von Ami­no­gly­co­si­d­an­ti­biotika und Ampho­te­ricin B oder eine ver­mehrte Aus­scheidung von Vitamin C im Harn durch Barbiturate.

Pharmakodynamische vs. pharmakokinetische Interaktionen

Eine weitere Mög­lichkeit der Ein­teilung der Wech­sel­be­ziehung zwi­schen Arz­nei­mitteln und Ernäh­rungs­fak­toren ist jene in phar­ma­ko­dy­na­mische und phar­ma­ko­ki­ne­tische Inter­ak­tionen. Phar­ma­ko­dy­na­mische Inter­ak­tionen können dann auf­treten, wenn die Nähr­stoffe und die Medi­ka­mente bzw. deren Inhalts­stoffe am Ort ihrer Wirkung oder in einem Regel­kreis syn-​oder ant­ago­nis­tisch wirken. Ange­sichts der Tat­sache, dass Mikro­nähr­stoffe häufig Funk­tionen als Co-​Enzyme oder Co-​Faktoren haben, mani­fes­tieren sich die Inter­ak­tionen in erster Linie auf enzy­ma­ti­scher Ebene. Ein Bei­spiel dafür ist die Inter­aktion zwi­schen Coenzym Q10 und den Sta­tinen. Statine hemmen nicht nur das Schlüs­sel­enzym der endo­genen Cho­le­ste­rin­bio­syn­these, sondern auch andere Ver­bin­dungen, die aus Isopen­tenyl­py­ro­phosphat auf­gebaut sind wie z.B. das erwähnte Coenzym Q10.

Phar­ma­ko­ki­ne­tische Inter­ak­tionen spielen sich u.a. bei der ente­ralen Resorption, der Bio­trans­for­mation und bei der Aus­scheidung ab. Die meisten phar­ma­ko­ki­ne­ti­schen Wech­sel­wir­kungen finden im Magen-​Darm-​Trakt statt. Ein Bei­spiel dafür ist die Inter­aktion zwi­schen den Pro­to­nen­pum­pen­hemmern und der ente­ralen Resorption von Vitamin B12.

Bestimmte Anti­epi­leptika indu­zieren Cytochrom-​P450-​haltige Monooxy­ge­nasen in der Leber, die den Abbau und die Meta­bo­li­sierung von Vitamin D beschleu­nigen. Eine Kon­se­quenz dessen ist eine niedrige Kon­zen­tration von Vitamin D im Plasma, was zu einer Hypo­cal­ciäme und einem Anstieg der Kon­zen­tration des Para­thyrins im Plasma führt. Bei län­gerer Dauer der Ein­nahme von Diuretika können prin­zi­piell Ver­luste an was­ser­lös­lichen Vit­aminen und von anor­ga­ni­schen Mikro­nähr­stoffen auf­treten. Ein Bei­spiel dafür sind die Ver­luste an Kalium, Magnesium und Zink bei Ein­nahme von Schleifendiuretika.

Ernährung und Medikamente: Funktionelle Interaktionen im Gastro-Intestinal-Trakt

Grund­sätzlich können Wech­sel­wir­kungen zwi­schen Medi­ka­menten und Ernährung innerhalb der Nah­rungs­matrix, im Gastro-​Intestinal-​Trakt sowie während des Trans­ports im Orga­nismus, des endo­genen Stoff­wechsels und der Aus­scheidung auf­treten. Details dazu können der Tabelle 1 ent­nommen werden.

Art und Ausmaß des Ein­flusses der Ernährung bzw. von Nah­rungs­mitteln auf die Bio­ver­füg­barkeit von Medi­ka­menten hängen ab von

  •  dem Medi­kament an sich,
  • der Dosierung des Medikaments,
  • der Rezeptur,
  • der Größe und Zusam­men­setzung der Nahrung sowie
  • der zeit­lichen Beziehung zwi­schen der Nah­rungs­zufuhr und der Medikamenteneinnahme.

Unab­hängig von den che­mi­schen und phy­si­ka­li­schen Inter­ak­tionen, die zwi­schen dem Medi­kament und ein­zelnen Nah­rungs­kom­po­nenten auf­treten, ist eine Ver­än­derung der ente­ralen Resorption generell abhängig von jenen Vor­gängen, die mit dem Übergang vom präpran­dialen zum post­pran­dialen Zustand ver­bunden sind. Die größte Bedeutung haben dabei die Sekretion des Magen­saftes, der Gal­len­flüs­sigkeit, des Pan­kre­as­se­krets, die Änderung der gastro-​intestinalen Motorik, der vis­ze­ralen Durch­blutung und des Lymph­flusses. Nicht ganz uner­wartet unter­liegt die Resorption leicht lös­licher bzw. gelöster Medi­ka­mente gerin­geren Nah­rungs­ein­flüssen, als die Resorption schwer lös­licher Medikamente.

Die Mecha­nismen der Beziehung zwi­schen der Nahrung und der Medi­ka­men­ten­re­sorption können in 5 Kate­gorien ein­ge­teilt werden:

  • Ver­min­derung der Resorption
  • Ver­zö­gerung der Resorption
  • Beschleu­nigung der Resorption
  • Erhöhung der Resorption
  • Kein Effekt auf die Resorption.

Grund­sätz­liche Mög­lich­keiten als Ursache eine ver­min­derte Bio­ver­füg­barkeit eines Medi­ka­ments sind eine ver­min­derte enterale Resorption, ein rascher Abbau des Medi­ka­ments bei der ersten Leber­passage oder eine erhöhte Cle­arance des Medi­ka­ments im Stoffwechsel.

Eine Ver­zö­gerung oder Ver­min­derung der Medi­ka­men­ten­re­sorption hängt in der Regel mit einer ver­lang­samten Magen­ent­leerung oder mit einem Anstieg des pH-​Werts des Magen­saftes im Zusam­menhang mit der Nah­rungs­zufuhr zusammen. Fak­toren welche die Magen­ent­leerung ver­lang­samen bezie­hungs­weise beschleu­nigen, sind in Tabelle 2 dargestellt.

Eine ver­zö­gerte Magen­ent­leerung kann unter­schied­liche Aus­wir­kungen auf die Bio­ver­füg­barkeit von Medi­ka­menten haben. Säu­re­labile Medi­ka­mente wie z.B. bestimmte Antio­biotika können dadurch abgebaut werden, wes­wegen ihre Wirkung ver­mindert ist. Die Medi­ka­men­ten­auf­nahme kann aber durch die Ein­wirkung der Magen­säure auch beschleunigt werden, weil eine voll­ständige Lösung und dadurch eine raschere Resorption im Dünndarm erfolgt. Bei­spiele dafür sind bestimmte Anti­biotika, Diuretika vom Hydro­chlo­rothia­zidtyp und Simvastatin.

Bei Retard­prä­pa­raten kann es durch eine ver­zö­gerte Magen­ent­leerung und zu lange Ein­wirkung der Magen­säure mög­li­cher­weise zu einer plötz­lichen Frei­setzung des Wirk­stoffs mit nach­fol­gender stär­kerer Resorption und hohen Plas­ma­kon­zen­tra­tionen kommen (Drug-​Dumping). Führt hin­gegen eine ver­lang­samte Magen­ent­leerung zu einer Resorp­ti­ons­ver­zö­gerung, so kann dies bei jenen Medi­ka­menten ungünstig sein, bei denen wie z.B. bei Analgetika, ein rascher Wir­kungs­ein­tritt erwünscht ist.

Magen­saft­re­sis­tente Tabletten ver­bleiben oft stun­denlang im Magen, wenn sie gemeinsam mit der Nahrung ein­ge­nommen werden und können daher even­tuell erst nach den Mahl­zeiten den Magen ver­lassen. Werden mehrere Tabletten in einem bestimmten zeit­lichen Abstand ein­ge­nommen, kann es auf diese Weise zu einer Über­do­sierung kommen. Magen­saft­re­sis­tente Tabletten wie z.B. Diclo­fenac sollten daher besser auf nüch­ternen Magen ein­ge­nommen werden.

Erhöhung der Medikamentenresorption

Eine deut­liche Stei­gerung der Bio­ver­füg­barkeit von Medi­ka­menten tritt bei fett­reichen Mahl­zeiten auf. Dabei spielen mög­li­cher­weise die stärkere Sekretion von Gal­len­salzen, des Pan­kre­as­se­krets, von Ver­dau­ungs­en­zymen oder von gastro-​intestinalen Hor­monen eine Rolle.

Auch die Bindung von Medi­ka­menten an die Nah­rungs­pro­teine kann die Bio­ver­füg­barkeit der Medi­ka­mente beein­flussen. Eine bessere Bio­ver­füg­barkeit von Medi­ka­menten die gemeinsam mit Medi­ka­menten ein­ge­nommen werden, wie z.B. Gaba­pentin, wird auf eine trans-​Stimulation zurück­ge­führt. Dar­unter ist ein Carrier-​vermittelter Trans­port­prozess zu ver­stehen, bei dem es durch die Erhöhung der intr­alu­mi­nalen Ami­no­säu­ren­kon­zen­tration zu einer Up-​Regulation eines L‑Aminosäurentransporters kommt.

Medikamentenresorption und Getränke

Art, Tem­pe­ratur und Volumen eines Getränks können die Medi­ka­men­ten­re­sorption beein­flussen. Inter­ak­tionen sind besonders für Frucht­säfte, Cola­ge­tränke und alko­ho­lische Getränke, besonders für Rotwein beschrieben. Ein besonders bekanntes Bei­spiel ist der Effekt von Grape­fruitsaft. Grape­fruitsaft kann eine deut­liche Erhöhung der Plas­ma­kon­zen­tration ver­schie­dener Medi­ka­mente mit kli­ni­schen Folgen her­bei­führen. Betroffen davon sind z.B. Ter­fenadin, Fel­o­dipin, Cyclos­porin oder Mid­azolam. Die Bio­ver­füg­barkeit von bestimmten Sta­tinen wie Sim­vas­tatin oder Lavo­statin kann durch Grape­fruitsaft bis zum 16-​Fachen erhöht werden. Milch oder Milch­pro­dukte können die Resorption von Medi­ka­menten durch Ver­än­derung des pH Wertes im Magen oder bzw. und durch Bildung von Che­laten beein­flussen. Bei­spiele für Medi­ka­mente, deren Resorption durch Milch beein­flusst wird, zeigt Tabelle 3. Tannine in Getränken beein­träch­tigen die Eisen­re­sorption. Fla­vi­noide im Tee beein­träch­tigen die Resorption von Nicht-​Häm Eisen wenn der Tee zu den Mahl­zeiten getrunken wird, während Tee zwi­schen den Mahl­zeiten keinen Ein­fluss hat. Die beste Resorption eines Medi­ka­ments erfolgt dann, wenn das Medi­kament durch Wasser ver­dünnt wird. Gründe dafür sind die Hypo­os­mo­la­rität und das Volumen.

Ballaststoffe und Medikamentenresorption

Bal­last­stoffe erhöhen nicht nur die Moti­lität, sondern können auch andere Nähr­stoffe und Medi­ka­mente binden und auf diese Weise die Bio­ver­füg­barkeit beein­träch­tigen. So wird die Resorption von Lovo­statin durch Bal­last­stoffe ver­mindert und dies führt zu einer Erhöhung der Kon­zen­tration von LDL im Plasma. Wei­zen­kleie beein­trächtigt die Bio­ver­füg­barkeit von Thy­roxin durch unspe­zi­fische Bindung an Roh­fasern, was im Falle der Behandlung eines Hypo­thy­reo­idismus ungünstig sein kann.

Bei der Beein­flussung der Medi­ka­men­ten­re­sorption spielen die makro­mo­le­ku­lären und struk­tu­rellen Eigen­schaften der Bal­last­stoffe eine Rolle, was besonders bei Pek­tinen deutlich ist, weil die Ver­zö­gerung der Medi­ka­men­ten­re­sorption abhängig vom Ausmaß der Este­ri­fi­kation der Pektine ist. Pektine, bei denen die freien Car­boxyl­gruppen block­artig ange­ordnet sind, ver­zögern die Medi­ka­men­ten­re­sorption deut­licher als dies bei zufäl­liger Ver­teilung der Car­boxyl­gruppen der Fall ist. Pektine mit einer hohen intrin­si­schen Vis­ko­sität ver­zögern die Medi­ka­men­ten­re­sorption, während Pektine mit nied­rigem Mole­ku­lar­ge­wicht und geringer Vis­ko­sität nur gering­fügige Aus­wir­kungen zeigen.

Aus­schlag­gebend für die Beein­flussung der Medi­ka­men­ten­re­sorption durch Roh­fasern dürfte die Kom­plex­bildung im Intesti­nallumen sein. So können z.B. unlös­liche Roh­fasern die Bio­ver­füg­barkeit von Levodopa ver­bessern, was sich günstig bei Pati­enten mit fort­ge­schrit­tenem M. Par­kinson auswirkt.

Medikamenteneinnahme und Nahrungszufuhr: Faktor Zeit

Zu dieser Frage sollen vorab fol­gende Fest­stel­lungen getroffen werden: ener­gie­freie Flüs­sig­keiten ver­lassen den Magen nach ca. 10 bis 35 Minuten. Bei festen Mahl­zeiten ist die Ver­weil­dauer im Magen 3 Stunden und länger. Fett, Speisen mit hoher Vis­ko­sität oder Osmo­la­rität sowie Nahrung, die unge­nügend zer­kleinert wurde, ver­zögern die Magen­ent­leerung. Die Begriffe vor und nach einer Mahlzeit müssen prä­zi­siert werden, weil sie sonst einen belie­bigen Ermes­sens­spielraum ermög­lichen. Es erscheint daher sinnvoll, diese Zeit­an­gaben auf jeweils ½ bis 1 Stunde Zeit­ab­stand zwi­schen der Nah­rungs­zufuhr und der Medi­ka­men­ten­ein­nahme zu beziehen. Ein beson­deres Problem stellt in dieser Hin­sicht der zeit­liche Abstand zwi­schen der Mahl­zei­ten­zufuhr und der Ein­nahme von Biphos­pho­naten dar. Biphos­phonate haben eine sehr niedrige Bio­ver­füg­barkeit von 1 – 3%. Eine Nah­rungs­auf­nahme in enger zeit­licher Beziehung zur Ein­nahme von Biphos­pho­naten sowie eine Che­lat­bildung mit Calcium oder Eisen können die Bio­ver­füg­barkeit noch weiter redu­zieren und auf diese Weise zu einem The­ra­pie­ver­sagen führen. Um dies zu ver­hindern, muss zwi­schen der Mahl­zei­ten­zufuhr und der Ein­nahme von Biphos­pho­naten ein zeit­licher Min­dest­ab­stand von 2 Stunden ein­ge­halten werden.

Grund­sätzlich kann davon aus­ge­gangen werden, dass die Ein­nahme eines Medi­ka­ments kurz vor oder während einer Mahlzeit die Resorption des Medi­ka­ments ver­zögert. So kommt es zu einer deut­lichen Ver­min­derung der Eisen­re­sorption aus Eisen­prä­pa­raten, wenn diese Prä­parate gleich­zeitig mit der Nahrung ein­ge­nommen werden um die schleim­haut­rei­zende Wirkung der Eisen­prä­parate zu mildern.

Das Trinken grö­ßerer Flüs­sig­keits­vo­lumina von z.B. 250 ml sti­mu­liert die Magen­ent­leerung und geht mit einer bes­seren Lös­lichkeit vieler Medi­ka­mente einher. Aus diesem Grund kommt es bei Ein­nahme ver­schie­dener Medi­ka­mente auf nüch­ternen Magen mit aus­rei­chender Flüs­sig­keits­zufuhr zu einer schnel­leren Resorption.

Nah­rungs­zufuhr gleich­zeitig mit Medi­ka­men­ten­auf­nahme kann zu einer Ver­min­derung von Neben­wir­kungen führen, kann aber ande­rer­seits auch die Haupt­wirkung beein­flussen. Ein bekanntes Bei­spiel ist die Inter­aktion zwi­schen MAO-​Hemmern und Tyramin in fer­men­tierten Nah­rungs­mitteln und Getränken. Durch Tyramin kann es zur Frei­setzung großer Mengen an Nor­ad­re­nalin kommen und in der Folge eine hyper­tensive Krise auftreten.

Medikamente und Proteine

Das Ausmaß der Pro­te­in­bindung eines Medi­ka­ments wird von der Plas­ma­pro­te­in­kon­zen­tration, besonders der Albumin­kon­zen­tration beein­flusst und hat dadurch Aus­wir­kungen auf die Plas­ma­kon­zen­tration des freien, wirk­samen Anteils des Medi­ka­ments. Fak­toren, welche die Arz­nei­mit­tel­ver­teilung und die Pro­te­in­bindung bei älteren Men­schen beein­flussen, sind in der Tabelle 4 zusammengefasst.

Eine hohe Pro­te­in­zufuhr asso­ziiert mit nied­riger Koh­len­hy­drat­zufuhr kann den Meta­bo­lismus von Medi­ka­menten in der Leber beschleu­nigen. Dies kann durch eine niedrige Pro­te­in­zufuhr und eine hohe Koh­len­hy­drat­zufuhr ant­ago­ni­siert werden. Koh­len­hy­drate selbst haben jedoch keinen Ein­fluss auf den Stoff­wechsel von Medikamenten.

Eine niedrige Pro­te­in­zufuhr kann mit einer Beein­träch­tigung der renalen Durch­blutung, der Krea­ti­nin­cle­arance und der Cle­arance vieler Medi­ka­mente einhergehen.

Nährstoffstatus und Nahrungsaufnahme: Effekte von Medikamenten

Effekte von Arz­nei­mittel auf Para­meter der Ernährung treten häufig als uner­wünschte Neben­wir­kungen auf und betreffen:

  • die Beein­flussung des Appetits
  • Ver­än­de­rungen der pH-​Verhältnisse im Magen-Darm-Trakt
  • Inter­ak­tionen mit den Gallensäuren
  • Beein­flussung der Moti­lität im Magen-Darm-Trakt
  • Inak­ti­vierung von Verdauungsenzymen
  • Kom­pe­titive Hemmung der Nährstoffresorption
  • Schä­digung der resor­bie­renden Enterocyten
  • Kom­plex­bildung zwi­schen Nähr­stoffen und Medikamenten
  • Beein­flussung der Meta­bo­li­sierung und Uti­li­sation von Nährstoffen
  • Ver­än­derung der Nährstoffausscheidung.

Für die Beein­flussung der Nähr­stoff­ver­dauung durch Medi­ka­mente werden fol­gende Ursachen diskutiert:

  • Beein­träch­tigung der Pan­kre­as­funktion mit Ver­min­derung der Enzymsekretion
  • Inak­ti­vierung von Ver­dau­ungs­en­zymen im Darmlumen
  • Beein­flussung der Darm­schleimhaut und der Bürstensaumenzyme.
  • Ein Ein­fluss auf die Akti­vität von Ver­dau­ungs­en­zymen kann durch Sul­fo­n­amide, Diuretika, Anti­cho­li­nergica, Anti­kon­vulsiva und orale Kon­tra­zeptiva aus­geübt werden.

Medikamente und Hunger-Sättigung-Mechanismus

Bei der Pro­ble­matik des Ein­flusses von Medi­ka­menten auf Hunger und Sät­tigung ist zwi­schen einer Ver­min­derung und einer Stei­gerung der Nah­rungs­auf­nahme zu unterscheiden.

Die Ursache der Ver­min­derung der Nah­rungs­zufuhr ist, mit Aus­nahme einer Beein­flussung bestimmter Neu­ro­trans­mitter z.B. durch Appe­tit­zügler, in erster Linie auf Medi­ka­men­ten­ne­ben­wir­kungen wie Übelkeit, Erbrechen oder Schleim­haut­rei­zungen zurückzuführen.

Bei Tran­qui­lizern kann eine unzu­rei­chende Spei­chel­pro­duktion mit einer Beein­träch­tigung des Appetits ein­her­gehen. Bestimmte Anti­biotika und Zink­mangel können zu Ver­än­de­rungen des Geruchs- und Geschmacks­emp­findens führen.

Zu einer gestei­gerten Nah­rungs­auf­nahme führen Neu­ro­leptika vom Chlor­pro­ma­zintyp, Tran­qui­lizer wie Valium, tri­cy­clische Anti­de­pressiva und Lithiumsalze.

Bei einer Stei­gerung der Nah­rungs­auf­nahme im Zusam­menhang mit der Ein­nahme von Medi­ka­menten können Pro­bleme mit der Ent­wicklung von Über­ge­wicht auf­treten. Mit der Zunahme der Fett­masse können sich phar­ma­ko­ki­ne­tische Cha­rak­te­ristika ver­ändern, was Aus­wir­kungen auf die Wir­kungs­dauer der Medi­ka­mente haben kann. Schließlich kann die Gewichts­zu­nahme dazu führen, dass sich die Medi­ka­men­ten­com­pliance verschlechtert.

Ein Bei­spiel für eine Ver­än­derung der Nah­rungs­mit­tel­prä­fe­renzen betrifft das tri­cy­clische Anti­de­pres­sivum Amit­ryp­tilin, bei dessen Auf­nahme als Neben­wirkung ein Heiß­hunger nach Koh­len­hy­draten beschrieben wird.

Alle Medi­ka­mente, die zu einer Ver­än­derung der Nah­rungs­auf­nahme führen, haben einen direkten oder indi­rekten Ein­fluss auf die Nähr­stoff­ver­sorgung. Besonders bei Ein­nahme meh­rerer Medi­ka­mente, wie dies bei älteren Men­schen oft der Fall ist, kann sich das Risiko für einen Nähr­stoff­mangel erhöhen. So führt die gleich­zeitige Ein­nahme von Cho­le­s­ty­ramin und Phe­nytoin zu einer Erhöhung des Risikos für eine Vitamin D Unter­ver­sorgung, weil Cho­le­s­ty­ramin die Resorption von Vitamin D ver­mindert und Phe­nytoin dessen Kat­abo­lismus steigert.

Ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Marktl, Wiener Inter­na­tionale Aka­demie für Ganz­heits­me­dizin, Sana­to­ri­umstr. 2, 1140 Wien, e‑mail: marktl@gamed.or.at

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