Einen Prozess in Gang setzen

Oktober 2017

Ärz­te­kam­mer­prä­sident a.o. Univ.-Prof. Dr. Thomas Sze­keres im Gespräch.

 

JEM Laut Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sation WHO ist davon aus­zu­gehen, dass die ohnehin schon große Prä­valenz von Über­ge­wicht und Adi­po­sitas in allen euro­päi­schen Staaten bis 2030 auf mehr als 50 Prozent steigen wird.

Sze­keres Adi­po­sitas ist tat­sächlich eines der größten Gesund­heits­pro­bleme unserer Zeit, ins­be­sondere bei Kindern und Jugend­lichen. Über­ge­wichtige Kinder sind die kranken Erwach­senen von morgen. Da eine effektive Gewichts­re­duktion bei Erwach­senen äußerst schwierig ist, müssen prä­ventive Maß­nahmen auch und vor allem bei Kindern ansetzen.

JEM Welche Bedeutung haben da ein­zelne, kleinere Projekte?

Sez­keres Nach dem Motto „Think global, act local“ muss es Prä­ven­ti­ons­pro­gramme auf lokaler Ebene geben. Um noch ein Sprichwort zu zitieren: Auch der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Was anfangs als eine lediglich kleine Ver­hal­tens­än­derung erscheinen mag, kann auf längere Sicht große Wir­kungen zeigen. Das betrifft nicht nur die unmit­telbar invol­vierten Per­sonen. Wir brauchen auch Pro­jekte, die geeignet sind, als Basis für eine Aus­weitung zu fun­gieren. Es gilt ja, einen Prozess in Gang zu setzen, der weit­rei­chende Ver­hal­tens­än­de­rungen in der Gesell­schaft bewirkt.

JEM Welche Qua­li­täts­kri­terien sind bei solchen Prä­ven­ti­ons­pro­jekten anzulegen?

Sze­keres Abge­sehen von einer soliden fach­lichen Grundlage und Durch­führung ist auch eine Aus­wertung nach wis­sen­schaft­lichen Kri­terien zu fordern.

JEM Welche Rolle spielen da die Schulen? Das Projekt EDDY-​young wurde ja in Wiener Volks­schulen durchgeführt.

Sze­keres Schulen spielen eine wichtige Rolle, wobei Adi­po­si­t­as­prä­vention nur funk­tio­nieren kann, wenn Eltern und das ganze Umfeld ein­ge­bunden sind. Gesund­heits­vor­sorge in den Schulen ist in Öster­reich aller­dings ein schwie­riges Thema. Die Kom­pe­tenzen sind zwi­schen meh­reren Minis­terien auf­ge­teilt. Hier gibt es auf struk­tu­reller Ebene noch viel zu ver­bessern. Schul­ärzte könnten einen wesentlich grö­ßeren Beitrag leisten, als derzeit möglich ist.

JEM Wie sieht es mit der Prä­vention in Öster­reich generell aus?

Sze­keres In Öster­reich werden signi­fikant weniger Mittel für Prä­vention auf­ge­wendet als im Schnitt der OECD-​Staaten. Es kommt nicht von ungefähr, dass nur 11,5 Prozent der 15-​Jährigen täglich kör­perlich aktiv ist. Das ist ein inter­na­tional sehr schlechter Wert. Dabei werden die Aus­gaben für Prä­ven­ti­ons­maß­nahmen durch ein Viel­faches an Ein­spa­rungen bei The­ra­pie­kosten nach­ge­wie­se­ner­maßen wieder wettgemacht.