In der KORA-Age-Studie haben sie den Zusammenhang zwischen Muskelkraft und Mortalität untersucht. Wie stark ist dieser?
Wenn die Muskelmasse im Alter deutlich abnimmt, kann das die Lebenserwartung deutlich verringern. Wir haben den Zusammenhang zwischen speziell der Greifkraft und der Mortalität untersucht, wobei 1000 Personen in die Studie einbezogen waren. Adjustiert nach zahlreichen Parametern konnten wir feststellen, dass eine Greifkraft von weniger als 30kg bei Männern bzw. weniger als 18kg bei Frauen mit einem 3,3-fach erhöhten Mortalitätsrisiko einhergeht.
Wie lässt sich das erklären?
Die Muskelkraft und verschiedene andere Altersmerkmale wie die respiratorische Fitness beeinflussen verschiedenste Stoffwechselwege wie den Fettstoffwechsel, inflammatorische Prozesse, Knochenmasse und -dichte. Die Skelettmuskulatur sendet bei Aktivierung zahlreiche Myokine aus, sodass die Muskulatur als endokrines Organ zu verstehen ist.
Welche Rolle spielt dabei die Ernährung?
Da die Expression von Genen, die die Synthese metabolischer und myofibrillärer Proteine steuern, abnimmt, kommt der Proteinaufnahme eine erhöhte Bedeutung zu. Da sich mit zunehmendem Alter der Schwellenwert erhöht, ab dem ein anaboler Stimulus wirkt, dürfte die Proteinsynthese bei älteren Menschen weniger von einem höheren Gesamtspiegel essentieller Aminosäuren als vielmehr von postprandialen Spitzen abhängen. Darüber hinaus wird dieser anabole Weg in fortgeschrittenem Alter durch die häufig gegebene Insulinresistenz und chronische Inflammation gehemmt.
Gibt es in diesem Zusammenhang Proteinquellen, die besonders geeignet sind?
Rasch in den Blutkreislauf übergehende Eiweißstoffe wie sie zum Beispiel in Molke enthalten sind weisen einen größeren Effekt auf. Eine Schlüsselrolle für den anabolen Effekt kommt Leucin zu. Zur Aufrechterhaltung der Stickstoffbalance benötigen ältere Menschen – insbesondere bei Vorliegen einer Sarkopenie – eine erhöhte Proteinzufuhr von etwa 1–1,5 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag. Tatsächlich liegt die Zufuhr in dieser Bevölkerungsgruppe zu 50 Prozent bei weniger als 1 Gramm.
Körperliches Training spielt für Diabetiker offenbar auch eine besondere Rolle.
Dabei geht es in erster Linie um Typ-2-Diabetiker, die häufig einen großen Anteil an viszeralem Fettgewebe aufweisen. Körperliches Training zeitigt positive Effekte auf grundsätzlich zwei Ebenen. Eine Reduktion des viszeralen Fettgewebes wirkt in Richtung einer besseren Insulinsensitivität, weil weniger Adipozytokine bzw. freie Fettsäuren in Umlauf gelangen, die die Signaltransduktion stören. Und da die Muskelmasse das größte glukoseaufnehmende Organ ist, wirkt sich ein Zugewinn positiv auf die Blutzuckerhomöostase aus. Das Erfolgsgeheimnis ist, dass durch ein Krafttraining die Fettverbrennung in Ruhe und damit auch der Grundumsatz angekurbelt werden und dass bis zu einige Stunden nach dem Training ein Nachbrenneffekt besteht, durch den eine gesteigerte muskuläre Fettoxidation vorliegt. Das verbessert auch die Insulinresistenz. Es gibt aber noch einen dritten Weg, über den sich Krafttraining positiv auswirkt.
Und dieser hat auch mit dem Glukosestoffwechsel zu tun?
Das hat er und er ist offenbar von ausschlaggebender Bedeutung. Krafttraining führt nämlich zu einer vermehrten Aktivität der AMP-aktivierten Proteinkinase (AMPK), die – insulinabhängig – zu einem Anstieg der Glukosetransporter in den Membranen der Muskelzellen führt. Wir konnten in einer Studie zeigen, dass Diabetiker mit einem grenzwertigen HbA1c von 6,3 oder 6,4 durch gezieltes Krafttraining die erforderlichen Medikamente zumindest deutlich reduzieren und teilweise auch absetzen konnten. Bei insulinpflichtigen Diabetikern konnte ebenfalls die Dosis der Medikamente reduziert werden.
Was gilt in der Sporternährung derzeit als „Hot Topic“?
Viel diskutiert werden Aspekte der Ernährung nach Sportverletzungen, Ernährungsstrategien zur Infektionsprophylaxe und auch die Bedeutung von Vitamin D.
Worum geht es bei der Ernährung nach Sportverletzungen konkret?
Nach Sportverletzungen kommt es zu einer verminderten Proteinbindung in Muskeln und Sehnen sowie zu einer verminderten Stimulierung durch Aminosäuren, was einen raschen Abbau von Muskelmasse und -funktion zur Folge hat. Daher ist es wichtig, dass auch in dieser Situation für eine ausreichende Kalorienzufuhr gesorgt wird. Häufig reduzieren Sportler nach Verletzungen die Kalorienaufnahme, um eine Gewichtszunahme zu vermeiden. Doch der Grundumsatz sinkt entgegen der verbreiteten Meinung nicht, sondern steigt durch den Heilungsprozess noch über das normale Maß hinaus an. Weiters ist auf eine ausreichende Proteinzufuhr zu achten, das heißt mindestens die bei Sportlern üblichen 1,5 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag, besser wären 2 Gramm – aufgeteilt auf 4 bis 6 Mahlzeiten. Eine zusätzliche Proteinzufuhr am Abend kann den Muskelaufbau noch weiter unterstützen.
Wie sind Supplemente nach Sportverletzungen einzuschätzen?
Generell ist die Zufuhr über Nahrungsmittel zu bevorzugen. Unter Umständen kann eine Supplementierung von Mikronährstoffen wie z.B. Zink oder Vitamin C sinnvoll sein. Eine Supplementierung mit Fischöl wäre zu überlegen, jedenfalls weisen einige Studien in diese Richtung.
Die Supplementierung mit antioxidativ wirkenden Stoffen ist in letzter Zeit vermehrt Thema von Diskussionen.
Ein Überschuss von vor allem antioxidativen Vitaminen als Nahrungsergänzung hat sich als kontraproduktiv herausgestellt und das nicht nur im Bereich der Ernährung von Sportlern. Hier jedenfalls ist zu sagen, dass eine Entzündung für einen guten Heilungserfolg entscheidend sein kann, während eine künstliche Hemmung der Entzündung möglicherweise trainingsinduzierte Anpassungen verhindert, die durchaus im Sinn des Trainingszieles wären.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Univ.-Prof. DDr. Barbara Prüller-Strasser
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