Sport, Ernährung & Immunsystem

November 2016

Beim dies­jäh­rigen Fachtag Sport­er­nährung wurden aktuelle Ergeb­nisse aus der Grund­la­gen­for­schung ebenso wie Fragen aus der täg­lichen Praxis prä­sen­tiert und dis­ku­tiert. Das Journal für Ernäh­rungs­me­dizin sprach mit Univ.-Doz. Dr. Barbara Prüller-​Strasser, die auch heuer wieder gemeinsam mit Univ.-Prof. Dr. Dietmar Fuchs die wis­sen­schaft­liche Leitung des Fachtags über­nommen hatte.

 

In der KORA-​Age-​Studie haben sie den Zusam­menhang zwi­schen Mus­kel­kraft und Mor­ta­lität unter­sucht. Wie stark ist dieser?

Wenn die Mus­kel­masse im Alter deutlich abnimmt, kann das die Lebens­er­wartung deutlich ver­ringern. Wir haben den Zusam­menhang zwi­schen spe­ziell der Greif­kraft und der Mor­ta­lität unter­sucht, wobei 1000 Per­sonen in die Studie ein­be­zogen waren. Adjus­tiert nach zahl­reichen Para­metern konnten wir fest­stellen, dass eine Greif­kraft von weniger als 30kg bei Männern bzw. weniger als 18kg bei Frauen mit einem 3,3‑fach erhöhten Mor­ta­li­täts­risiko einhergeht.

Wie lässt sich das erklären?

Die Mus­kel­kraft und ver­schiedene andere Alters­merkmale wie die respi­ra­to­rische Fitness beein­flussen ver­schie­denste Stoff­wech­selwege wie den Fett­stoff­wechsel, inflamm­a­to­rische Pro­zesse, Kno­chen­masse und ‑dichte. Die Ske­lett­mus­ku­latur sendet bei Akti­vierung zahl­reiche Myokine aus, sodass die Mus­ku­latur als endo­krines Organ zu ver­stehen ist.

Welche Rolle spielt dabei die Ernährung?

Da die Expression von Genen, die die Syn­these meta­bo­li­scher und myo­fi­bril­lärer Pro­teine steuern, abnimmt, kommt der Pro­te­in­auf­nahme eine erhöhte Bedeutung zu. Da sich mit zuneh­mendem Alter der Schwel­lenwert erhöht, ab dem ein ana­boler Sti­mulus wirkt, dürfte die Pro­te­in­syn­these bei älteren Men­schen weniger von einem höheren Gesamt­spiegel essen­ti­eller Ami­no­säuren als vielmehr von post­pran­dialen Spitzen abhängen. Darüber hinaus wird dieser anabole Weg in fort­ge­schrit­tenem Alter durch die häufig gegebene Insu­lin­re­sistenz und chro­nische Inflamm­ation gehemmt.

Gibt es in diesem Zusam­menhang Pro­te­in­quellen, die besonders geeignet sind?

Rasch in den Blut­kreislauf über­ge­hende Eiweiß­stoffe wie sie zum Bei­spiel in Molke ent­halten sind weisen einen grö­ßeren Effekt auf. Eine Schlüs­sel­rolle für den ana­bolen Effekt kommt Leucin zu. Zur Auf­recht­erhaltung der Stick­stoff­ba­lance benö­tigen ältere Men­schen – ins­be­sondere bei Vor­liegen einer Sar­ko­penie – eine erhöhte Pro­te­in­zufuhr von etwa 1–1,5 Gramm pro Kilo­gramm Kör­per­ge­wicht und Tag. Tat­sächlich liegt die Zufuhr in dieser Bevöl­ke­rungs­gruppe zu 50 Prozent bei weniger als 1 Gramm.

Kör­per­liches Training spielt für Dia­be­tiker offenbar auch eine besondere Rolle.

Dabei geht es in erster Linie um Typ-​2-​Diabetiker, die häufig einen großen Anteil an vis­ze­ralem Fett­gewebe auf­weisen. Kör­per­liches Training zeitigt positive Effekte auf grund­sätzlich zwei Ebenen. Eine Reduktion des vis­ze­ralen Fett­ge­webes wirkt in Richtung einer bes­seren Insu­lin­sen­si­ti­vität, weil weniger Adi­po­zy­tokine bzw. freie Fett­säuren in Umlauf gelangen, die die Signal­trans­duktion stören. Und da die Mus­kel­masse das größte glu­ko­se­auf­neh­mende Organ ist, wirkt sich ein Zugewinn positiv auf die Blut­zu­cker­ho­möo­stase aus. Das Erfolgs­ge­heimnis ist, dass durch ein Kraft­training die Fett­ver­brennung in Ruhe und damit auch der Grund­umsatz ange­kurbelt werden und dass bis zu einige Stunden nach dem Training ein Nach­brenn­effekt besteht, durch den eine gestei­gerte mus­kuläre Fett­oxi­dation vor­liegt. Das ver­bessert auch die Insu­lin­re­sistenz. Es gibt aber noch einen dritten Weg, über den sich Kraft­training positiv auswirkt.

Und dieser hat auch mit dem Glu­ko­se­stoff­wechsel zu tun?

Das hat er und er ist offenbar von aus­schlag­ge­bender Bedeutung. Kraft­training führt nämlich zu einer ver­mehrten Akti­vität der AMP-​aktivierten Pro­te­in­kinase (AMPK), die – insu­lin­ab­hängig – zu einem Anstieg der Glu­ko­se­trans­porter in den Mem­branen der Mus­kel­zellen führt. Wir konnten in einer Studie zeigen, dass Dia­be­tiker mit einem grenz­wer­tigen HbA1c von 6,3 oder 6,4 durch gezieltes Kraft­training die erfor­der­lichen Medi­ka­mente zumindest deutlich redu­zieren und teil­weise auch absetzen konnten. Bei insu­lin­pflich­tigen Dia­be­tikern konnte eben­falls die Dosis der Medi­ka­mente redu­ziert werden.

Was gilt in der Sport­er­nährung derzeit als „Hot Topic“?

Viel dis­ku­tiert werden Aspekte der Ernährung nach Sport­ver­let­zungen, Ernäh­rungs­stra­tegien zur Infek­ti­ons­pro­phylaxe und auch die Bedeutung von Vitamin D.

Worum geht es bei der Ernährung nach Sport­ver­let­zungen konkret?

Nach Sport­ver­let­zungen kommt es zu einer ver­min­derten Pro­te­in­bindung in Muskeln und Sehnen sowie zu einer ver­min­derten Sti­mu­lierung durch Ami­no­säuren, was einen raschen Abbau von Mus­kel­masse und ‑funktion zur Folge hat. Daher ist es wichtig, dass auch in dieser Situation für eine aus­rei­chende Kalo­rien­zufuhr gesorgt wird. Häufig redu­zieren Sportler nach Ver­let­zungen die Kalo­rien­auf­nahme, um eine Gewichts­zu­nahme zu ver­meiden. Doch der Grund­umsatz sinkt ent­gegen der ver­brei­teten Meinung nicht, sondern steigt durch den Hei­lungs­prozess noch über das normale Maß hinaus an. Weiters ist auf eine aus­rei­chende Pro­te­in­zufuhr zu achten, das heißt min­destens die bei Sportlern üblichen 1,5 Gramm pro Kilo­gramm Kör­per­ge­wicht und Tag, besser wären 2 Gramm – auf­ge­teilt auf 4 bis 6 Mahl­zeiten. Eine zusätz­liche Pro­te­in­zufuhr am Abend kann den Mus­kel­aufbau noch weiter unterstützen.

Wie sind Sup­ple­mente nach Sport­ver­let­zungen einzuschätzen?

Generell ist die Zufuhr über Nah­rungs­mittel zu bevor­zugen. Unter Umständen kann eine Sup­ple­men­tierung von Mikro­nähr­stoffen wie z.B. Zink oder Vitamin C sinnvoll sein. Eine Sup­ple­men­tierung mit Fischöl wäre zu über­legen, jeden­falls weisen einige Studien in diese Richtung.

Die Sup­ple­men­tierung mit anti­oxi­dativ wir­kenden Stoffen ist in letzter Zeit ver­mehrt Thema von Diskussionen.

Ein Über­schuss von vor allem anti­oxi­da­tiven Vit­aminen als Nah­rungs­er­gänzung hat sich als kon­tra­pro­duktiv her­aus­ge­stellt und das nicht nur im Bereich der Ernährung von Sportlern. Hier jeden­falls ist zu sagen, dass eine Ent­zündung für einen guten Hei­lungs­erfolg ent­scheidend sein kann, während eine künst­liche Hemmung der Ent­zündung mög­li­cher­weise trai­nings­in­du­zierte Anpas­sungen ver­hindert, die durchaus im Sinn des Trai­nings­zieles wären.

Herz­lichen Dank für das Gespräch!

Univ.-Prof. DDr. Barbara Prüller-Strasser
  • geboren in St. Pölten
  • Leis­tungs­sport­lerin Tennis (1982–1992)
  • Studium der Sport­wis­sen­schaften in Wien und Gesund­heits­wis­sen­schaften in Hall in Tirol; Prin­cipal Sci­entist, Center of Che­mistry and Bio­me­dicine, Medi­zi­nische Uni­ver­sität Innsbruck
  • For­schungs­in­teresse: Prä­vention, kognitive Pro­zesse, Healthy Aging, Sport- und Ernährungsmedizin