Insekten auf österreichischen Tellern

November 2016

Sprechen Ernährungsphysiologie, Ökonomie und Ökologie für den Zukunftstrend Entomophagie?

Sabrina Schuhbauer, Klaus Nigl, Marianne Tammegger

Die steigende globale Fleischproduktion hat bald alle ihre Möglichkeiten ausgeschöpft, sie verbraucht viel Getreide- und Ackerland, hat den größten Beitrag der Landwirtschaft zum Klimawandel und ist einer der wichtigsten Verbraucher des verfügbaren Süßwassers. Um den Menschen ausreichend Nahrung bieten zu können, müssen Alternativen für das Lebensmittel Fleisch und seine Funktion als Proteinquelle geschaffen werden. Entomophagie, der Verzehr von Insekten, ist ein Trend in Europa, der sowohl Interesse als auch Abneigung und Ekel hervorruft. Insekten werden in anderen Kulturkreisen und Kontinenten seit langem konsumiert, sie gelten bei uns rechtlich als Novel Food, marketingmäßig als nachhaltiges Power-Food und ernährungsphysiologisch sollen sie Fleisch und Fisch in nichts nachstehen.

Im Bereich der Ökologie punkten Insekten mit einem essbaren Anteil von durchschnittlich 80 Prozent des gesamten Tieres. Bei Geflügel und Schwein gelten 55 Prozent als essbar und bei Rindern 40 Prozent. Auch die Futterverwertungsrate ist bei Insekten deutlich besser, dabei brauchen sie weniger Land und weniger Süßwasser. Ökonomisch liegen die Insekten in Europa im Hochpreissegment. Es gibt vereinzelt erste österreichische Insektenzuchten, oft werden die Tiere aus nordischen Staaten wie Belgien importiert. Ganz anders ist die preisliche Situation in jenen Ländern, in denen Insekten zum Ernährungsalltag gehören: Dort sind sie als sehr günstige Lebensmittel bekannt.

Essbare Insekten gehören in erster Linie zur Unterklasse der Fluginsekten, denen beispielsweise Eintagsfliegen, Libellen, Heuschrecken, Käfer, Termiten und Schmetterlinge angehören. In Afrika sind über 500 essbare Insektenarten bekannt. Alle Entwicklungsstadien werden verzehrt: Ei, Larve, Puppe und das fertig entwickelte Insekt. In puncto Hygiene halten sich die Anbieter aktuell an Vorgaben, die auch in der Verarbeitung anderer tierischer Lebensmittel Anwendung finden. Zoonosen, allergische Reaktionen und Unverträglichkeitserscheinungen können beim oder nach dem Konsum von Insekten eine Rolle spielen.

Methodik

Ausgehend von einem für Österreich typischen Fleischgericht (faschierte Laibchen als traditionelles Gericht bzw. Burger auf Rindfleischbasis als Fast Food), das abgewandelt auch in den modernen Varianten „Fisch“ und „Tofu“ (= vegan) konsumiert wird, sind „Heimchenlaibchen“ in einen ernährungsphysiologischen und ökonomischen Vergleich aufgenommen worden.

Ergebnisse

Neben den Daten aus dem Berechnungsprogramm Nut.s muss für die ernährungsphysiologische Bewertung des Heimchenlaibchens zusätzlich auf Daten aus der ASEAN Food Composition Database zurückgegriffen werden. Entsprechende Insektennährwerte sind bis dato nur über Datenbanken aus dem afrikanischen, asiatischen und pazifischen Raum verfügbar.

Auf Grund der recht unterschiedlichen Zutaten in den Rezepturen sind die Berechnungsergebnisse heterogen. Darüber hinaus sind die Portionsgrößen in den verwendeten Rezepturen ebenfalls recht unterschiedlich; aus diesem Grund wurde in der Tabelle 1 bei den Big 7 und beim Ballaststoffgehalt der Bezug zu 100 Gramm gewählt. Der Energiegehalt der vier Laibchenrezepturen differiert um den Faktor 3,1 wobei die Heimchenlaibchen die meiste Energie liefern.

In den Ergebnissen der Nährwertberechnung präsentieren sie sich als kalorienreiches und ausgewogenes Lebensmittel. Der Gehalt an Fett, Kohlenhydraten und Protein entspricht bei den Heimchenlaibchen beinahe den Empfehlungen der Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Die Insekten lassen sich im verwendeten Rezept auf 100 g vor allem als Proteinquelle mit dem Rindfleisch gleichsetzen. Der Proteingehalt getrockneter Insekten – wie sie auch in Form von Heimchen in der berechneten Rezeptur verwendet wurden – liegt zwischen 40 und 75 Prozent. Die Gehalte an den Aminosäuren Methionin und Cystein sind gering, die Aminosäuren Lysin und Threonin sind gut vertreten. Die Biologische Wertigkeit ist mit ca. 70 geringer als jene im Fleisch von Wirbeltieren. Grund ist neben dem Aminosäuremuster auch der hohe Gehalt an Chitin (bis 10 Prozent des getrockneten Insektes). Chitin wiederum fungiert als unlöslicher tierischer „Ballaststoff“, vergleichbar der Cellulose in Pflanzen. Die Biologische Wertigkeit lässt sich durch Extraktion von Chitin deutlich steigern. Hohe Fettgehalte weisen Schmetterlinge und Termiten auf; der Gehalt ungesättigter Fettsäuren ist mit dem in Geflügel und Fisch vergleichbar. Bei den Mikronährstoffen fallen gute Gehalte an Kuper, Eisen, Selen, Zink und den Vitaminen Thiamin und Riboflavin auf.

Schlussfolgerung

So wie im Rahmen einer Ernährung ohne Insekten auch ist nicht ein einzelnes Lebensmittelsegment für die ernährungsphysiologische, ökologische und ökonomische Bewertung relevant, sondern die Kombination im Rahmen der täglichen Zufuhr über Essen und Trinken. Insekten sind nährreich – sie sind gute Energie- und Proteinlieferanten. Neben diesen rationalen Vorzügen spielen bei der Entomophagie auch emotionale Faktoren eine wesentliche Rolle. Die ernährungsphysiologische Beurteilung über europäische Nährwertdatenbanken ist aktuell nicht möglich, die Werte aus außereuropäischen Datenbanken sind teilweise alt und lückenhaft. Möglicherweise ändert sich die Verfügbarkeit von europäischen Daten sobald der rechtliche Status der Insekten auf österreichischen Tellern geklärt ist.

Korrespondenz:

FH Gesundheitsberufe OÖ, Studiengang Diätologie, Sabrina Schuhbauer, BSc., E-Mail: 1310658014@stud.fhgooe.ac.at

Literatur (Auswahl):

van Huis, Arnold, et al. 2013. Edible insects: future prospects for food and feed security. Rom : Food and Agriculture Organization of the United Nations, 2013. ISBN 978-92-5-107595-1

Haerlin, Benedikt and Beck, Angelika. 2013. Wege aus der Hungerkrise. Berlin : Zukunftsstiftung Landwirtschaft, 2013. ISBN 978-3-00-044819-5.

Halloran, Afton and Vantomme, Paul. 2013. Der Beitrag von Insekten zu Nahrungssicherung, Lebensunterhalt und Umwelt. Rom : Food and Agriculture Organization of the United Nations, 2013

Thomann, Christoph. 2016. Insekten zum Essen. 2016. [Zitat vom: 20. Mai 2016.] http://insektenessen.at/

Nut.s. nutritional software (2015). Version 1.32.31, 2015.9.4.

ASEAN Network of Food Data System . 2014. ASEAN Food Composition Database . Salaya : Institute of Nutrition, Mahidol University, 2014