Supplemente zur Regeneration – evidenzbasiert evaluiert

November 2015

Zusam­men­fassung eines Vor­trags vom Initiator und Prä­si­denten der Swiss Sports Nut­rition Society (SSNS), Dr. Paolo Colombani, gehalten am 18. Sep­tember 2015 im Rahmen des Fachtags Sport­er­nährung in Wien.

Eine optimale Erholung nach phy­si­scher Akti­vität erfordert Maß­nahmen in vielen Bereichen. Die Ernährung ist dabei ein wich­tiger Faktor, muss aber immer im Kontext aller anderen Maß­nahmen betrachtet werden. Im Bereich der Ernährung spielen eben­falls mehrere Fak­toren eine Rolle, und nur einer davon sind Sup­ple­mente. Die Beur­teilung von Sup­ple­menten ist selbst für Fach­leute eine zeit­rau­bende Her­aus­for­derung. Angaben über deren Wirk­samkeit werden daher selten anhand von Pri­mär­li­te­ratur über­prüft. Bereits auf­ge­ar­beitete Infor­ma­tionen sind jedoch von unter­schied­licher Qua­lität und können durchaus unlautere Infor­ma­tionen ent­halten. Eine frei ver­fügbare Quelle von höchster Qua­lität ist das Sports Sup­plement Framework des Aus­tralian Institute of Sports (AIS). Im Rahmen des Sup­plement Frame­works sind Sup­ple­mente gemäß ihres poten­zi­ellen Nutzes für Sportler und Sport­le­rinnen in vier Gruppen ein­ge­teilt (Tab. 1). Die ABCD-​Klassifizierung wurde im Jahr 2000 erstellt und wird ständig aktua­li­siert. Für den all­ge­meinen Pra­xis­alltag kommen de facto nur Sup­ple­mente der A‑Gruppe in Frage, wobei der Einsatz ins­be­sondere von medi­zi­ni­schen Sup­ple­menten nur mit spe­zi­eller Fach­aus­bildung bzw. ‑beratung erfolgen sollte.

A‑GRUPPEN-​SUPPLEMENTE

Der Einsatz von A‑Supplementen zur Rege­ne­ration wird gemäß evi­denz­ba­sierter Pro­to­kolle unter­stützt – ist aller­dings nur dann sinnvoll, wenn die indi­vi­duelle Situation auch ent­spricht. Falsch ein­ge­setzte Sup­ple­mente fallen auto­ma­tisch in die C‑Gruppe, da keine Wirkung ein­treten wird. Die Gruppe A wurde 2014 in drei Unter­gruppen – Sport­nahrung, medi­zi­nische Sup­ple­mente, Performance-​Supplemente – unter­teilt (Tab. 2). Diese Ver­fei­nerung dürfte die klas­sische Fehl­in­ter­pre­tation bei den Vit­aminen und Mine­ral­stoffen beenden. Diese gelten nunmehr als medi­zi­nische Sup­ple­mente, deren Einsatz nur bei einer kli­ni­schen Indi­kation sinnvoll ist. Sie stellen jeden­falls keine Performance-​Supplemente dar, die direkt oder indirekt zur Leis­tungs­stei­gerung führen oder gar regel­mäßig ein­zu­nehmen sind.

SPORTNAHRUNG

Sport­nahrung ist per defi­ni­tionem eigentlich kein Sup­plement. Im Wesent­lichen geht es dabei um die  Con­ve­nience. Das gilt für Situa­tionen, wo die Erfor­der­nisse der Ath­leten grund­sätzlich zwar mit kon­ven­tio­nellen Lebens­mitteln gedeckt werden könnten, die Bereit­stellung von Energie-​und Nähr­stoffen mit Sport­nahrung aber ein­facher ist. Rege­ne­rative Maß­nahmen in der Sport­er­nährung betreffen in erster Linie den Energie- und Flüs­sig­keits­haushalt sowie den Pro­te­in­stoff­wechsel. Andere Aspekte sind ent­weder von unter­ge­ord­neter Bedeutung oder müssen nicht unmit­telbar nach einer Belastung berück­sichtigt werden. Des Wei­teren bestimmen Ziele und Fre­quenz des Trai­nings, inwiefern über­haupt Ernäh­rungs­maß­nahmen durch­ge­führt werden sollen. Generell gilt: Je häu­figer trai­niert wird, umso wich­tiger sind sie. Bei zwei Trai­nings­ein­heiten pro Tag gesellt sich nach der ersten Einheit und zusätzlich zum Ziel der kurz­fris­tigen Rege­ne­ration auch die Frage der Ver­dau­lichkeit der ein­ge­setzten Nah­rungs­mittel. Seit einigen Jahren wird ver­stärkt zwi­schen kurz­fris­tiger Rege­ne­ration und län­ger­fris­tigem Horizont unter­schieden. Kurz­fristig, für den Zeitraum von einigen Stunden, etwa zwei Trai­nings­ein­heiten pro Tag, liegt der Fokus auf dem Flüs­sig­keits­haushalt ergänzt durch Koh­len­hy­drate. Darüber hin­aus­ge­hende Maß­nahmen sind möglich, im All­ge­meinen aber nicht not­wendig. Län­ger­fristig werden auch Pro­teine relevant.

Mus­kel­gly­kogen. Die emp­fohlen Zufuhr der Koh­len­hy­drate liegt bei 1,2g pro Kilo­gramm Kör­per­ge­wicht pro Stunde1. Ein Zusatz von Protein oder Ami­no­säuren ver­bessert die Gly­ko­gen­re­syn­these nur, wenn eine sub­op­timale Menge an Koh­len­hy­draten ein­ge­nommen wird.

Mus­ku­latur. Während vor ein bis zwei Jahr­zehnten der Schwer­punkt auf der täg­lichen Pro­te­in­zufuhr lag, wird heute dem Zeit­punkt der Pro­te­in­zufuhr sowie der Pro­te­in­menge innerhalb einer ein­zelnen Mahlzeit größere

Bedeutung bei­gemessen. Die aktuelle Emp­fehlung lautet: 0,25–0,30g Protein pro kg Kör­per­ge­wicht pro Mahlzeit, vor­zugs­weise Milch­protein – eine Portion unmit­telbar nach inten­siven Leis­tungen, die­selbe Menge alle wei­teren zwei Stunden und die letzte kurz vor dem Schlafengehen2.

Hydrat­ation. Der Aus­gleich von belas­tungs­be­dingten Flüs­sig­keits­ver­lusten in der Rege­ne­ra­ti­ons­phase erfolgt etwas rascher, wenn das Getränk etwas Natrium enthält. Es ist jedoch schwierig, eine kon­krete Flüs­sig­keits­menge für die optimale Rehy­dration zu nennen. Zu viele Fak­toren spielen hier eine Rolle. Wenn das Harn­vo­lumen in der Rege­ne­ra­ti­ons­phase aber klein ist und die Harn­farbe dunkler als sonst, sollte man mehr trinken. Das Ziel sollte aber nicht sein, mög­lichst blassen Harn zu pro­du­zieren … 3.

SCHOKOMILCH: OPTIMAL ZUR REGENERATION

Ins­gesamt kommt es bei nut­ri­tiven Maß­nahmen zur Rege­ne­ration auf drei Punkte an:

1. Flüs­sigkeit (und Salz) zur Rehydration,

2. Ener­gie­zufuhr mit Koh­len­hy­draten und Fett, und

3. Pro­te­in­zufuhr – jede inten­sivere Belastung führt zu einem etwas stär­keren Abbau, eine gezielte Pro­te­in­zufuhr in der Erho­lungs­phase ist sinnvoll, um Struk­turen wieder auf­zu­bauen und generell den Mus­kel­aufbau zu unterstützen.

Milch und Scho­ko­milch ent­halten die für eine optimale Rege­ne­ration not­wen­digen Nähr­stoffe, wenn auch nicht genau in den Mengen laut Leit­linien. Dennoch schnitten Milch bzw. Scho­ko­milch in rund 20 Studien immer zumindest gleich gut und einige Male sogar besser ab als übli­cher­weise ein­ge­setzte Ver­gleichs­ge­tränke. Die Trink­mengen bewegten sich dabei um die 50 bis 70ml, sodass die Stu­di­en­erkennt­nisse durchaus pra­xisnah sind. Ent­spre­chend gelten heute Milch bzw. Scho­ko­milch als natür­liche und kos­ten­günstige Rege­ne­ra­ti­ons­ge­tränke und werden selbst im Spit­zen­sport eingesetzt4.

MEDIZINISCHE SUPPLEMENTE

Hier ist die indi­vi­duelle Abgabe sehr wichtig, diese Sup­ple­mente können nicht pau­schal emp­fohlen werden. Es muss ein Mangel vor­liegen. Das gilt auch für Mul­ti­vit­amin­prä­parate, wobei zu beachten ist, dass kein Zusatz­nutzen mehr zu erwarten ist, sobald der Mangel aus­ge­glichen ist. Ins­be­sondere gilt dies auch für Anti­oxi­dantien. Generell ist eine gute Dia­gnostik erfor­derlich, um Sub­stanzen gezielt ein­setzen zu können.

PERFORMANCE-​SUPPLEMENTE

Soferne das Setting stimmt, kann damit eine Leis­tungs­stei­gerung erreicht werden. Um die Erfor­der­nisse eines Sportlers beur­teilen zu können, ist ein ent­spre­chendes Know-​How not­wendig. Eine Sub­stanz zur Unter­stützung des Mus­kel­aufbaus etwa ist nur dann sinnvoll, wenn zusätz­liche Reize durch Kraft­training gesetzt werden. Abge­sehen davon ändern sich die Ziele bei Performance-​Supplementen im Lauf der Kar­riere eines Ath­leten. Während zu Beginn der Mus­kel­aufbau im Vor­der­grund steht, ist das später weniger der Fall. Die Klas­siker in dieser Sub­stanz­gruppe sind Koffein, Kreatin und ver­schiedene Puf­fer­sub­stanzen. Beta-​Alanin und Randensaft/​Rote Beete-​Saft sind erst vor kurzem in die A‑Gruppe „auf­ge­stiegen“.

LINKTIPPS

Aus­tralian Institute of Sport: http://www.ausport.gov.au/ais

Swiss Sports Nut­rition Society: http://www.ssns.ch/

Stiftung Anti­doping Schweiz: http://www.antidoping.ch/de

LITERATUR:

1 Cermak NM & van Loon LJ: The use of car­bo­hy­drates during exercise as an ergo­genic aid; Sports Med 2013; 43: 1139–1155

2 Phillips SM: A brief review of higher dietary protein diets in weight loss: a focus on ath­letes; Sports Med 2014; 44 Suppl 2: S149-153

3 Maughan RJ & Shirreffs SM: Dehy­dration and rehy­dration in com­pe­tative sport; Scand J Med Sci Sports 2010; 20 Suppl 3: 40–47

4 Prit­chett K & Prit­chett R: Cho­colate milk: a post-​exercise recovery beverage for endu­rance sports; Med Sport Sci 2012; 59: 127–134