Elisabeth Höld1, Jutta Möseneder1, Katharina Fellnhofer2
Das Ernährungswissen europäischer Kinder ist teilweise verbesserungswürdig und kann ein nachteiliges Ernährungsverhalten fördern (Worsley, 2002; Grosso, et al., 2012). So weisen auch österreichische Kinder unvorteilhafte Ernährungsverhaltensweisen auf. Sie konsumieren zu wenig pflanzliche Lebensmittel und Milchprodukte und zu viel an Fleisch, Wurst, Süß- und Backwaren. Auch das Bewegungsverhalten entspricht nicht den Empfehlungen und nimmt mit zunehmendem Alter ab. 16,7% aller österreichischen Kinder sind übergewichtig und 7,3% adipös (Elmadfa, et al., 2012).
Ernährungsspiele können einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsförderung bei Kindern leisten, denn sie erzielen sowohl in klassischer als auch in digitaler Form positive Wirkungen auf das Ernährungswissen (Lakshman, Sharp, Ong, & Forouhi, 2010) und das Ernährungsverhalten (Hieftje, Edelmann, Camenga, & Fiellin, 2013). Vor diesem Hintergrund befasst sich der Studiengang Diätologie der FH St. Pölten seit einigen Jahren in seinem Forschungsschwerpunkt Game Based Learning mit einer zielgruppengerechten, innovativ-spielerischen Vermittlung von Ernährungswissen. Die Herausforderung in der Spielentwicklung liegt in einem optimalen Zusammenspiel von unterhaltendem Spieldesign, fach- und mediendidaktisch hochwertigen Lerninhalten, der angewandten Lernstrategie und der abschließenden Bewertung durch die Zielgruppe. Das Ziel einer Kooperation mit „Fellnhofer Innovation Management“ im Rahmen eines Innovationsschecks (2014 – 2015) war die Entwicklung und Evaluierung zweier kindgerechter Ernährungsspiele.
Material und Methoden
Bereits 2012 wurden an der Fachhochschule St. Pölten, Studiengang Diätologie, drei Ernährungsspiele für Kinder unterschiedlichen Alters entwickelt. Diese Spiele wurden von 2014 bis 2015 nun mit „Fellnhofer Innovation Mangement“ zu zwei kindgerechten Ernährungsspielen, NutriDuo und NutriMove, weiterentwickelt. Eine umfassende Recherche zeigte, dass die Spiele entwicklungsbedingt auf kleinere Altersspannen als die anfänglichen Spiele zugeschnitten werden müssen (zwei statt vier Jahre).
In weiterer Folge wurde NutriDuo für 5- bis 6-jährige Vorschulkinder konzipiert. Es basiert auf dem Prinzip des Memory®-Spieles und bildet die ursprüngliche und die verarbeitete Form wichtiger Lebensmittel ab, z. B. Getreide – Brot. Pro Bilderpaar unterstützt eine „Geschichte hinter den Bildern“ mit Hintergrundinformationen den Wissenserwerb der Spielenden. Dadurch wird den Kindern die Herkunft von traditionellen Lebensmitteln vermittelt. Das zweite Spiel, NutriMove, zielt auf die Zunahme des Ernährungswissens 8- bis 10-jähriger Kinder ab. Es ist ähnlich wie das Activity®-Spiel aufgebaut. So soll der natürliche Bewegungsdrang der Kinder gefördert und der Lerneffekt verbessert werden. Schwierigere Begriffe werden in einem Glossar erklärt und nach jedem Spielzug vorgelesen.
Am 28.1.2015 wurden die Spiele im Kindergarten und der Volksschule in St. Martin am Ybbsfeld im Rahmen von Usabilitytests auf Akzeptanz, Schwierigkeitsgrad, Verständlichkeit von Formulierungen, verwendeten Materialien, Unterhaltungswert und die notwendige/optimale Spieleranzahl getestet. Der Test wurde mittels Videoaufzeichnungen, Notizen und Befragungen (Kinder und Pädagoginnen) dokumentiert und ausgewertet. Generell beurteilten sowohl die Pädagoginnen als auch die Kinder die Spiele als unterhaltsam und als pädagogisch sehr wertvoll. Basierend auf diesem Usabilitytest erfolgte eine weitere Verbesserung der Spiele wie z.B. die Umgestaltung des Spielbretts oder die Aussortierung von schwer erkennbaren Lebensmitteln.
Parallel dazu wurden altersgerechte Evaluationsmethoden entwickelt. Für die Erhebung des Ernährungswissens wurde ein kindgerechter Wissenstest erarbeitet. Die Recherchen zur altersgerechten Evaluation zeigten, dass eine Wissenszunahme gerade im Bereich Ernährung von sehr vielen Faktoren beeinflusst wird, z.B. durch Ernährungswissen der Eltern. Daher wurde für diese prospektive Pilotstudie ein Ein-Gruppen-Design gewählt und eine Interventionszeit von vier Wochen festgelegt, in denen die Spiele zwei Mal pro Woche in Anwesenheit der Pädagoginnen gespielt wurden. Die Intervention fand im Frühling 2015 statt. Insgesamt wurde NutriDuo sieben und NutriMove neun Mal mit den Kindern gespielt. Die drei Messungen im Kindergarten (n=4) und in der Volksschule (n=9) in St. Martin am Ybbsfeld wurden von drei Bachelorstudierenden (Karoline Mayer, Verena Ölzant und Gertraud Wagner) durchgeführt. Die teilnehmenden Kinder wurden gleichermaßen aus beiden Geschlechtern und unterschiedlichen Jahrgängen gewählt. Als Evaluierungstool wurde kindgerecht und altersangepasst bei den Vorschulkindern (NutriDuo) der Wissenszuwachs durch einen Bilder-Single-Choice-Test mit zusammenhängender verbaler Fragestellung evaluiert.
Die Effektivität von NutriMove wurde mittels Fragebogenerhebung in Anwesenheit einer Pädagogin gemessen. Der Kraus-Weber Test (Bös, 2001) für Schulkinder wurde zur Überprüfung der minimalen muskulären Leistungsfähigkeit durchgeführt. Dieser Screening-Test wurde im Anschluss an den Wissenstest vorgenommen. Zur Beurteilung des Wissenszuwachses wurde pro Messzeitpunkt ein Ernährungswissensindex gebildet und über die Interventionszeit hinweg verglichen. Die Auswertungen erfolgten mittels SPSS 23 und dem U-Test nach Mann und Whitney. Das Signifikanzniveau wurde auf p≤0,050 festgelegt.
Ergebnisse
NutriDuo. Unter Berücksichtigung der geringen Stichprobengröße zeigte die statistische Evaluierung von NutriDuo (n=4) innerhalb des Interventionszeitraumes tendenziell eine Zunahme des Ernährungswissens (p=0,068). Diese Zunahme fand bereits in der ersten Hälfte des Interventionszeitraumes statt (m=7; IQR=3,5; p=0,066). In der zweiten Hälfte des Interventionszeitraumes blieb die Wissenszunahme stabil (m=0; IQR=0,25; p=0,317).
NutriMove. Die statistische Evaluierung von NutriMove (n=9) zeigte, dass über den gesamten Interventionszeitraum hinweg betrachtet das Ernährungswissen stabil blieb (p=0,121). In der ersten Interventionshälfte konnte ein schwach tendenzieller Wissensanstieg (m=1; IQR=3; p=0,071) beobachtet werden, während in der zweiten Interventionshälfte keine weitere Wissenszunahme induziert werden konnte (m=1; IQR=-0,25; p=0,942).
Keine Verbesserungen zeigten sich im Interventionsverlauf hinsichtlich der muskulären Leistungsfähigkeit (1 MZP: m=16; IQR=5; 2 MZP: 17; IQR=5; 3 MZP: m=18; IQR=4; p=0,892). Zwischen dem Ernährungswissen und der muskulären Leistungsfähigkeit konnte kein Zusammenhang berechnet werden (p=0,624).
Diskussion
Das spielerische Erlernen – gerade bei Kindern naheliegend – kann neben der Unterhaltung auch wichtige Lernerfahrungen mit sich bringen (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization, 1988). Beide Spiele – NutriDuo und NutriMove – entsprechen dem Entwicklungsstand und den Bedürfnissen der Zielgruppen. Die Usabilitytests zeigten, dass die Spiele sowohl von Kindern als auch von Erwachsenen als unterhaltsam und lehrreich eingestuft wurden. Dies ist gerade bei Spielen wichtig, denn nur wenn sie Spaß machen, werden sie auch eingesetzt.
Bei beiden Spielen war ein tendenzieller Ernährungswissensanstieg zu beobachten. Wissen rund um Lebensmittel und Ernährung ist eine der Grundlagen für eine ausgewogene Ernährung (Worsley, 2002). Somit können die Spiele beitragen, die Gesundheit der SpielerInnen positiv zu beeinflussen. Allerdings stammen die vorliegenden Daten aus einem Pilotprojekt mit kleiner Stichprobe. Ähnlich den Ergebnissen von Joseph, Gorin, Mobley und Mobley (2015) ist bei einer größeren Stichprobe auch trotz der kurzen Interventionsdauer mit einem deutlicheren Ergebnis zu rechnen. So führte das Brettspiel Kaledo nicht nur zu einer Verbesserung des Ernährungswissens, sondern auch zu einem gesundheitsförderlichen Ernährungsverhalten und einem Gewichtsverlust bei übergewichtigen Kindern (noch 18 Monate nach Ende der Intervention messbar) (Viggiano, et al., 2015). Auch andere Studien weisen ähnliche positive Wirkungen von Game Based Learning-Ansätzen auf das Ernährungsverhalten auf (Piziak, 2012; Baranowski, et al., 2003; Hieftje, Edelmann, Camenga, & Fiellin, 2013).
Im Unterschied zu dem Spiel Kaledo (Viggiano, et al., 2015) konnte bei NutriMove keine Verbesserung der muskulären Leistungsfähigkeit Kindern erzielt werden. Allerdings zeigten die teilnehmenden Kinder bereits zu Beginn gute Ergebnisse und der Kraus-Weber Test (Bös, 2001) ist als Screeningverfahren einzustufen und somit unempfindlicher gegenüber geringfügigen Veränderungen. Darüber hinaus ist die Zunahme des Ernährungswissens das primäre Ziel des Spieles und Bewegung stellt nur ein unterhaltendes Spielelement dar.
Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass die von der FH St. Pölten, Studiengang Diätologie, entwickelten Spiele NutriDuo und NutriMove sowohl in Bildungseinrichtungen wie Kindergärten und Volksschulen als auch im familiären Kontext einen Beitrag zur Gesundheitsförderung bei Kindern leisten könnten.
1 Fachhochschule St. Pölten GmbH
2 Feld und Hof – Die Agrarplattform
Korrespondenz: FH-Prof. Dr. Jutta Möseneder, FH St. Pölten GmbH, Matthias-Corvinus-Straße 15, 3100 St. Pölten; jutta.moeseneder@fhstp.ac.at
Literatur:
Baranowski, T., Baranowski, J., Cullen, K. W., Marsh, T., Islam, N., Zakeri, I., . . . deMoor, C. (2003). Squire’s Quest! Dietary outcome evaluation of a multimedia game. Am J Prev Med, 24, S. 52–61.
Bös, K. (2001). Handbuch Motorische Tests. Göttingen: Hogrefe Verlag.
Elmadfa, I., Hasenegger, V., Wagner, K., Weidl, N.-M., Wottawa, D., Kuen, T., . . . Rieder, A. (2012). Österreichischer Ernährungsbericht 2012. Wien: Druckerei Berger.
Gomes da Silva, S., & Arida, R. M. (2015). Physical activity and brain development. Expert Rev Neurother, 15(9), S. 1041-51.
Grosso, G., Mistretta, A., Turconi, G., Cena, H., Roggi, C., & Galvano, F. (2012). Nutrition knowledge and other determinants of food intake and lifestyle habits in children and young adolescents living in a rural area of Sicily, South Italy. Public Health Nutrition, 16(10), S. 1827-1836.
Hieftje, K., Edelmann, J., Camenga, D. R., & Fiellin, L. (2013). Electronic Media-Based Health Interventions for Behaviour Change in Youth: A Systematic Review. JAMA Pediatrics, 167(6), S. 574-580.
Joseph, L. S., Gorin, A. A., Mobley, S. L., & Mobley, A. R. (2015). Impact of a Short-Term Nutrition Education Child Care Pilot Intervention on Preschool Children’s Intention To Choose Healthy Snacks and Actual Snack Choices. Child Obes, 11(5), S. 513-20. doi:10.1089/chi.2015.0028
Kersting, M., & Alexy, U. (2011). Ernährung bei Vorschulkindern: Empfehlungen und Wirklichkeit. Journal für Klinische Endokrinologie und Stoffwechsel, 4(2), 11-15. Abgerufen am 3. 9 2015 von www.kup.at/kup/pdf/9520.pdf
Lakshman, R., Sharp, S. J., Ong, K. K., & Forouhi, N. G. (2010). A novel school-based intervention to improve nutritional knowledge in children: cluster randomised controlled trial. BMC Public Health, 10, S. 123.
Piziak, V. (2012). A Pilot Study of a Pictorial Bilingual Nutrition Education Game to Improve the Consumption of Healthful Foods in a Head Start Population. Int. J. Environ. Res. Public Health, 9, S. 1319-1325. doi:10.3390/ijerph9041319
United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization. (1988). Games and Toys in teaching of Technology and Science. Paris. Abgerufen am 03. 11 2015 von www.unesco.org/education/pdf/325_41.pdf
Viggiano, A., Viggiano, E., Di Costanzo, A., Viggiano, A., Andreozzi, E., Romano, V., . . . Amaro, S. (2015). Kaledo, a board game for nutrition education of children and adolescents at school: cluster randomized controlled trial of healthy lifestyle promotion. Eur J Pediatr, 174, S. 217-228. doi:10.1007/s00431-014-2381-8
Worsley, A. (2002). Nutrition knowledge and food consumption: can nutrition knowledge change food behaviour? Asia Pacific J Clin Nutr, 11(Suppl), S. S579-S585.