Anamnese
Frau T., 58 Jahre alt, ist ein Genussmensch. Sie hatte immer guten Appetit und konnte viel essen ohne dabei zuzunehmen. Erst ab dem Klimakterium kam es zu einer stetigen Gewichtszunahme und sie bemerkte, dass sie seither bei den Mahlzeiten mehr auf eine reduzierte Menge achten sollte, Beschwerden wurden keine genannt. Im Rahmen der Gesunden-Vorsorgeuntersuchung wurde ein erhöhter Nüchtern BZ im Serum von 117mg/dl festgestellt. Weitere Befunde, die erhoben wurden, sind in der Folge angeführt. Insgesamt spricht der Befund für einen Frühdiabetes. Frau T. ist noch berufstätig und sehr häufig auf Reisen, kein regelmäßiger Sport. Die Familienanamnese auf Diabetes ist negativ.
HbA1c: 6,1%
oGTT: Blutzucker nach 60 min: 179mg/dl, nach 120 min: 128mg/dl
Harnzucker nach Belastung: 21 (<15)
Intaktes Proinsulin: 12,60pmol/l (<11)
Gesamt-Cholesterin: 222mg/dl
LDL: 156mg/dl
HDL: 47mg/dl
Triglyzeride: 115mg/dl
Körpergröße: 1,73m
Körpergewicht: 81kg
BMI: 27
Bauchumfang: 100cm
RR aktuell: 125/85mmHg unter Candesartan 4mg 1/0/0
Frühstück: zwei Butter- oder Käsebrote, ein Kaffee mit Milch.
Vormittag: um etwa 10 Uhr wieder Hunger, hier folgt ein koffeinfreier Kaffee mit Milch und eine kleine Mehlspeise oder ein Kornspitz mit Schinken.
Mittagessen: eine Portion gemischter Salat mit Brot oder ein Nudelgericht, Joghurt zur Nachspeise.
Nachmittag: Kaffee mit Milch und eine kleine Süßspeise, z.B. Kuchen.
Abendessen: warme Speise (Mischkost) im Restaurant oder selbst gekocht, Nachspeise (zumindest ein Stück Schokolade) oder Käse, fast jeden Abend 1-3 Achterl Wein in Gesellschaft.
Ernährungs- und Lebensstilempfehlungen
Die Therapie bestand ausschließlich aus diätetische Maßnahmen und Bewegung. Die Ernährungsempfehlungen erfolgten nach den dafür geltenden ernährungstherapeutischen Prinzipien unter der Berücksichtigung von Aspekten der TCM. Die 5 Elemente Küche legt besonderen Wert auf eine bewusste Zubereitung von regionalen und saisonalen Nahrungsmitteln unter Einbeziehung aller Geschmacksrichtungen. Dieser Ansatz erfordert mitunter Freude am Kochen und die Bereitschaft zur Veränderung des gewohnten Essverhaltens. Da diese Patientin gerne „genussvoll“ isst und sich bereit erklärt hat, für Veränderungen offen zu sein, wurde eine ausführliche und intensive Ernährungsberatung durchgeführt. Ein persönliches Rezeptbuch wurde ausgehändigt.
- Verzicht auf alle raffinierten Kohlenhydratquellen wie Weißbrot, Semmeln, Süßspeisen, Knödelbrot sowie Zucker aller Art und Alkohol.
- Ernährung nach dem Trennkostprinzip, vermehrter Konsum von pflanzlichem und tierischem Eiweiß mit Gemüse.
- Regelmäßig Fisch aufgrund des Omega-3 Fettsäuregehalts.
- Aromatische Zubereitung mit frischen Kräutern wie Petersilie, Basilikum, Koriander, etc.
- Auf eine saftige Zubereitung der Speisen achten.
- Keine scharfen und trockenen Zubereitungsarten wie Grillen und scharfes Anbraten.
- Esskultur einführen wie z.B. Hinsetzen beim Essen, kein Fernsehen, keine simultane PC-Arbeit.
- Regelmäßige Essenszeiten mit mindestens 3 Stunden Essenspausen.
- Hochwertige pflanzliche Öle verwenden.
- Regionalität und die Saison beachten.
- Regelmäßige körperliche Bewegung!
Frühstück:
- Omelette mit Gemüse , Champions und vielen frischen Kräutern wie Kresse, Basilikum, Petersilie.
- Roggensauerteigbrot, Vollkorndinkelbrot oder glutenfreies Brot mit Avocadoaufstrich, Kichererbsen- oder Bohnenaufstrich.
- Zuckerfreies Kompott oder Mus.
Zwischendurch:
- 1/8l Apfelmus oder Kompotte selbst gemacht.
- Im Sommer 1/8 l Gemüsesaft (Karotte, Kürbis, Zucchini, Sellerie, Rote Rübe mit Ingwer).
- Eine Handvoll Nüsse knabbern.
Mittag bis spätestens 15 Uhr:
- Vorzugsweise eiweißreiches Getreide wie Quinoa, Hirse, Vollkornreis, Amaranth, Glasnudeln (aus Sojabohnenmehl) oder Konjaknudeln mit gegartem Gemüse in allen Farben.
- Hühner-Geschnetzeltes mit Zitrone und frischer Petersilie, Rinder-Wokpfanne mit Gemüse, Gewürzreis mit roten Rüben, Naturschnitzel mit Salat, viele frische Kräuter anwenden.
Abend:
- Gemüsegerichte mit Tofu, Hülsenfrüchten, Ei oder Fisch.
- Suppen.
Getränke:
- Rosenblütentee, Ringelblumenblütentee, Melissentee.
- Aromatisiertes Wasser: 1 TL gemischte Gewürze (Nelken, Orangenschalen, Kardamom,…) mit 1l heißem Wasser aufgießen und über den Tag verteilt trinken (Gewürze können drinnen bleiben).
Resultat
Die Patientin hielt die Empfehlungen unter intensiver Betreuung für 4 Wochen konsequent ein und machte regelmäßig (3x pro Woche) ausgedehnte Spaziergänge. Nach dieser Zeit wurde jedoch wieder vermehrt Brot, Erdäpfeln und weißer Reis in den Speiseplan aufgenommen. Der Verzicht auf Alkohol und Zucker war auch langfristig nicht so schwierig. Die Kontrolluntersuchung nach 3 Monaten hat ergeben:
Körpergewicht: 78kg (-3kg!!!)
Nüchtern-BZ: 102mg/dl
HbA1c: 5,8%
Diskussion und Ausblick
Die Erfahrung zeigt, dass PatientInnen mit einer diabetischen Stoffwechsellage keine Schmerzen haben und in ihrer Lebensweise nicht eingeschränkt sind. Dadurch besteht kein unmittelbarer Anlass zur Veränderung. Durch den erhöhten Proinsulin-Wert wurde ersichtlich, dass bereits eine Funktionseinschränkung der insulinproduzierenden Betazellen im Pankreas stattfindet. Bei einer Fortführung der bisherigen Ernährungsweise in Kombination mit dem Bluthochdruck würde neben der Zuckerkrankheit ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall resultieren. Diese Darstellung des Risikoprofils erscheint für PatientInnen drastisch, ist aber mitunter für ein Umdenken notwendig. Zudem stellt die rasche „Normalisierung“ der Blutwerte eine realistische Motivation zur Fortführung der Lebensstilmodifikation dar. Langfristig gesehen ist allerdings eine intensive therapeutische Betreuung dieser RisikopatientInnen unumgänglich, da die Compliance oder besser gesagt die Selbstdisziplin in den meisten Fällen sonst nachlässt.