Ernährungsinterventionen zur Senkung des LDL-Cholesterins

Juli 2015

Herz-​Kreislauf-​Erkrankungen stellen nach wie vor die Todes­ur­sache Nummer eins in Öster­reich und sind darüber hinaus weltweit im Steigen begriffen. Als Ursache werden von der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sation WHO vor allem Lebens­stil­fak­toren genannt. Einer der zen­tralen Krank­heits­me­cha­nismen, die Athero­sklerose, wird von einer Reihe von Fak­toren begünstigt, unter denen der LDL-​Cholesterin-​Spiegel eine bedeu­tende Rolle ein­nimmt. Ernäh­rungs­the­ra­peu­tische Maß­nahmen haben ein beträcht­liches Potenzial zur Senkung bzw. Ver­meidung über­höhter LDL-​Cholesterinspiegel. Der aktuelle Stand im Überblick. 

Der kli­nische Nutzen einer Senkung über­höhter Blut­fett­werte ist in zahl­reichen Studien belegt. Die Leit­linien der für Europa maß­ge­benden wis­sen­schaft­lichen Gesell­schaften – der European Society of Car­diology (ESC) und der European Atheros­cle­rosis Society (EAS) – beziehen sich nicht nur auf die gege­be­nen­falls erfor­der­liche Phar­ma­ko­the­rapie, sondern schließen Lebens­stil­maß­nahmen immer ein. Die gezielte Zusam­men­setzung der Ernährung gehört neben aus­rei­chend Bewegung zu den Stan­dard­emp­feh­lungen. Für nicht wenige Per­sonen mit erhöhten LDL-​Cholesterinwerten sind diä­te­tische Inter­ven­tionen aber von spe­zi­eller Bedeutung. Dazu Univ.-Doz. Dr. Bernhard Paul­weber von den Salz­burger Landeskliniken/​Universitätsklinikum Salzburg: „Besonders jene Pati­enten, die neben einem mäßig erhöhten LDL-​Cholesterin keine wei­teren Risi­ko­fak­toren auf­weisen, sind Ziel­gruppe für gezielte diä­te­tische Inter­ven­tionen.“ Darüber hinaus können auch jene Pati­enten von diä­te­ti­schen Maß­nahmen besonders pro­fi­tieren, die Statine nicht lang­fristig ein­nehmen können oder wollen. Die Öster­rei­chische Athero­skle­ro­se­ge­sell­schaft hat ein State­ment­papier ver­fasst, in dem die aktuelle Datenlage zu den nicht-​medikamentösen Methoden der LDL-​Senkung dar­ge­stellt wird (http://aas.at/files/LDL-Senkung_AAS_2014.pdf).

Im Blick­punkt einer gezielten Ernäh­rungs­an­passung im Hin­blick auf eine Senkung über­höhter LDL-​Cholesterinwerte stehen Fett­qua­lität, Nüsse, lös­liche Bal­last­stoffe, Pflan­zen­s­terine und eine Kom­bi­na­ti­onsdiät. Soja wird in diesem Zusam­menhang zwar häufig auch genannt, wird in der Folge aber nicht eigens ange­führt, da es zu keiner signi­fi­kanten Senkung des LDL-​Cholesterins kommen dürfte1. Außer Frage steht nach wie vor, dass der soge­nannte extrin­sische Effekt positiv zu bewerten ist. Mit extrin­si­schen Effekten des Soja­konsums sind die Aus­wir­kungen des Aus­tauschs tie­ri­scher Pro­dukte gemeint, die mit einer Ver­bes­serung des Lipid­profils ein­her­gehen2. Außerdem wären die erfor­der­lichen Mengen mit 16 bis 23g Soja­protein pro Tag3 beträchtlich und in der hier­zu­lande gän­gigen Ernährung schwierig umzusetzen.

Fett­qua­lität. Vielmehr als die Reduktion der abso­luten Menge an Nah­rungsfett ist der Ersatz von gesät­tigten durch unge­sät­tigte Fett­säuren ent­scheidend. Der aktu­ellen Lite­ratur ist zu ent­nehmen, dass gesät­tigte Fett­säuren 10% der Ener­gie­auf­nahme aus­machen sollten, der Haupt­anteil sollte aus einfach und mehrfach unge­sät­tigten Fett­säuren bestehen. Ein Ersatz gesät­tigter Fett­säuren durch Koh­len­hy­drate ist zu ver­meiden, da das Risiko eines Anstiegs der Tri­gly­ceride, einer HDL-​Cholesterin-​Senkung und der Zunahme kleiner, dichter LDL-​Partikel besteht4. Die aktuelle, über­ar­beitete Version der Leit­linie „Fett­zufuhr und Prä­vention aus­ge­wählter ernäh­rungs­mit­be­dingter Krank­heiten“ der Deut­schen Gesell­schaft für Ernährung (DGE) bestätigt, dass durch den Aus­tausch gesät­tigter durch mehrfach unge­sät­tigte Fett­säuren die Gesamt- und LDL-​Cholesterinkonzentration gesenkt und das Risiko für koronare Herz­krank­heiten ver­ringert werden kann. Weiters sind mehrfach unge­sät­tigte Omega-​3-​Fettsäuren ein wesent­licher Bestandteil der Ernäh­rungs­emp­feh­lungen zur kar­dio­vas­ku­lären Prä­vention5. Das LDL-​Cholesterin wird dadurch jedoch nicht signi­fikant beeinflusst.

Nüsse. In einer Reihe von Beob­ach­tungs­studien wurde gezeigt, dass regel­mä­ßiger Konsum von Nüssen – rund 60g pro Tag, vor allem Wal­nüsse, Mandeln, Hasel­nüsse – mit einer Ver­rin­gerung des LDL-​Cholesterins von 3 bis 8% ein­hergeht. Die Senkung des kar­dio­vas­ku­lären Risikos ist beachtlich. Mit einer Senkung des LDL-​Cholesterins alleine lässt sich der kar­dio­pro­tektive Effekt nicht erklären6. Nüsse liefern neben vor­wiegend mehrfach unge­sät­tigten Fett­säuren auch Bal­last­stoffe, Vitamin E, pflanz­liche Pro­teine, Fol­säure, Magnesium, Kupfer, Poly­phenole und Phytosterine.

Lös­liche Bal­last­stoffe. Wie ran­do­mi­sierte, kon­trol­lierte Studien gezeigt haben, kann das LDL-​Cholesterin mit einem Verzehr von 5 bis 10g lös­lichen und gel­bil­denden Bal­last­stoffen wie zum Bei­spiel Beta-​Glukan, Psyllium oder Pektin aus Hafer­kleie, Floh­samen, Äpfeln oder Hül­sen­früchten um rund 5% gesenkt werden7, 8. Man geht davon aus, dass diese Wirkung vor­wiegend auf die Bindung von Gal­len­säuren im Darm zurückgeht, wodurch diese aus dem ente­ro­he­pa­ti­schen Kreislauf ent­fernt werden und in Folge die hepa­tische Expression von LDL-​Rezeptoren steigt. Die Richt­linien der Euro­päi­schen Kar­dio­lo­gi­schen Gesell­schaft (ESC) und der Euro­päi­schen Athero­skle­ro­se­ge­sell­schaft (EAS) emp­fehlen im Hin­blick auf eine LDL-​Cholesterinsenkung die täg­liche Auf­nahme von 5 bis 15g lös­lichen Bal­last­stoffen9.

Pflan­zen­s­terine. Auf­grund ihrer ähn­lichen Struktur kon­kur­rieren Pflan­zen­s­terine mit Nahrungs- und endo­genem Cho­le­sterin um die Auf­nahme im Darm. Über die Trans­port­pro­teine ABCG5/​G8 werden sie aus den Muko­sa­zellen nahezu voll­ständig wieder ins Darm­lumen zurück trans­por­tiert und mit dem Stuhl aus­ge­schieden. Ein güns­tiger Effekt auf das Lipid­profil wurde in einer Reihe von Studien nach­ge­wiesen2, 10. In den ESC/​EAS-​Richtlinien wird der Verzehr von 2g Pflan­zen­s­te­rinen pro Tag als eine Option zur Senkung des LDL-​Cholesterinspiegels emp­fohlen. Lang­fristig kann dadurch eine Senkung des LDL-​Cholesterins um 8 bis 10% erzielt werden. Die Auf­nahme in Nord­europa wird auf 0,2 bis 0,4g pro Tag geschätzt. Pflan­zen­s­terine kommen in klei­neren Mengen in pflanz­lichen Lebens­mitteln wie Nüssen und Pflan­zenölen vor und finden sich in ange­rei­cherten Produkten.

Bedenken hin­sichtlich mög­licher ungüns­tiger kar­dio­vas­ku­lärer Effekte einer Erhöhung des Serum­spiegels pflanz­licher Sterole konnten bisher nicht durch Studien bestätigt werden. Im Februar 2012 wurden die Ergeb­nisse einer Meta-​Analyse (Genser et al. 2012) im renom­mierten European Heart Journal ver­öf­fent­licht, bei der 17 Beob­ach­tungs­studien zur Pro­ble­matik „Pflan­zen­s­terine und KHK-​Risiko“ ein­ge­schlossen wurden11. Das Ergebnis der Meta-​Analyse zeigte, dass es keinen Zusam­menhang zwi­schen mäßig erhöhten Pflan­zen­s­te­rin­spiegeln und dem KHK-​Risiko gibt. Die Datenlage hierzu wurde kürzlich in einem Posi­ti­ons­papier der EAS zusam­men­ge­fasst12.

Diät. Die Ergeb­nisse zum cho­le­ste­rin­sen­kenden Effekt ein­zelner Nah­rungs­mittel bzw. Nah­rungs­mit­tel­be­stand­teile wurden 2002 von Jenkins et al. zusam­men­ge­fasst und auf deren Basis – und im Hin­blick auf mög­liche syn­er­gis­tische Effekte – wurde die „Portfolio-​Diät“ for­mu­liert. Die Basis dieser Diät ist eine fettarme (hier defi­niert als ≤30 En% Gesamtfett), vege­ta­rische Kost, die pro 1.000kcal durch 1g Pflan­zen­s­terine, 8–10g lös­liche Bal­last­stoffe, 16–23g Soja­protein und 16–23g Nüsse ergänzt wird. 

Die erzielte Senkung des LDL-​Cholesterins um bis zu 33 Prozent war beträchtlich und ent­sprach einem Statin3, 17. Aller­dings konnten diese Werte nur nach 4 Wochen gemessen werden. Nach 6 und 12 Monaten lag die Reduktion des LDL-​Cholesterins bei 13 Prozent18, 19, was vor allem auf eine nach­las­sende Com­pliance zurück­ge­führt wurde. Dabei wurde die Auf­nahme der erfor­der­lichen Menge lös­licher Bal­last­stoffe als am schwie­rigsten ange­geben, am leich­testen der Konsum von Pflan­zen­s­te­rinen und Nüssen. Unge­sät­tigte Fett­säuren wurden später in die Portfolio-​Diät auf­ge­nommen20.

 

Zusam­men­fassung

Dass eine nach­haltige Senkung des LDL‑C, ganz gleich durch welche Inter­vention, zu einer signi­fi­kanten Senkung des kar­dio­vas­ku­lären Risikos führt, steht außer Zweifel. Mit einer Ernährung reich an unge­sät­tigten Fett­säuren, Nüssen, lös­lichen Bal­last­stoffen und Pflan­zen­s­te­rinen lassen sich die LDL-​Cholesterinwerte signi­fikant ver­ringern. Die Anrei­cherung von Lebens­mitteln mit Pflan­zen­s­te­rinen wird von einem Exper­ten­panel der European Atheros­cle­rosis Society vor allem für zwei Pati­en­ten­gruppen emp­fohlen: Zum einen Per­sonen mit einem nied­rigen oder mitt­leren kar­dio­vas­ku­lären Risiko, für die in den gel­tenden Richt­linien keine Phar­ma­ko­the­rapie vor­ge­sehen ist. Zum anderen Erwachsene und Kinder (>6 Jahre) mit Fami­liärer Hypercholesterinämie. 

 

Red.

 

Lite­ratur:

1 Taku K et al., Am J Clin Nutr 2007; 85: 1148–1156

2 Harland JI, Nutr Res Rev 2012; 25: 249–266

3 Jenkins DJ et al., Meta­bolism 2002; 51: 1596–1604

4 Willett WC, J Intern Med 2012; 272: 13–24

5 Chowdhury R et al., Ann Int Med 2014; 160: 398–406

6 Ros E, Nut­rients 2010; 2: 652–682

7 Poli A et al., Nutr Metab Car­diovasc Dis 2008; 18: 1–16

8 Sanchez-​Muniz FJ, Nutr Hosp 2012; 27: 31–45

9 Reiner Z et al., Eur Heart J 2011; 32: 1769–1818

10 Demonty J et al., J Nutr 2009; 139: 271–284

11 Genser B et al., Eur Heart J 2012; 33: 444–451

12 Gylling H et al., Atheros­cle­rosis 2014; 232: 346–360

13 Zam­pelas A, Atheros­cle­rosis 2014; 233: 357–358

14 Vergès B & Fumeron F, Dia­betes Meab 2015; 41: 76–81

15 Wein­gärtner O et al., Biochem Biophys Res Comm 2014; 446: 811–813

16 Ras RT et al., Eur J Prev Cardiol 2014 Oct 10. pii: 2047487314554864

17 Jenkins DJ et al., Am J Clin Nutr 2005; 81: 380–387

18 Jenkins DJ et al., Am J Clin Nutr 2006; 83: 582–591

19 Jenkins DJ et al., JAMA 2011; 306: 831–839

20 Jenkins DJ et al., CMAJ 2010; 182: 1961–1967