Entstehung und Zukunft unserer Nahrungspflanzen

Juli 2015

Die Bilder von Lebens­mit­tel­über­schüssen und ‑ver­schwendung in der 1. Welt über­decken manchmal die drän­gende Frage, wie die wach­sende Welt­be­völ­kerung in Zukunft ernährt werden kann. Dazu sind Anstren­gungen auf meh­reren Ebenen erfor­derlich. Eine Schlüs­sel­rolle kommt dabei der Pflan­zen­züchtung zu. 

Margit Laimer, Fatemeh Maghuly

 

Auf der Erde gibt es rund 250.000 Pflan­zen­arten, von denen etwa 30.000 als essbar gelten. Schon 1500 v Chr. exis­tierten Kul­tur­formen von fast allen inzwi­schen weltweit genutzten Nah­rungs­pflanzen. Die Vielfalt von Kul­tur­pflanzen unter­teilen wir je nach Nut­zungsart in: Nahrungs‑, Arznei‑, Futter‑, Gewürz‑, Genussmittel‑, Zier‑, Forst- und Indus­trie­pflanzen. Daneben umfasst die Nutzung der Pflanzen auch hedo­nis­tische Aspekte, künst­le­rische Umset­zungen pflanz­licher Formen bis hin zur Prägung der Land­schaft und zur Beein­flussung des Klimas. Dabei ist es erstaunlich, auf wie wenige Arten sich die Menschheit ver­lässt, um ihren Bedarf an Koh­le­hy­draten, Pro­teinen, Fetten, Fasern usw. zu decken. Obwohl 80 Prozent der Nah­rungs­en­ergie aus Pflanzen stammen, wird der Großteil der welt­weiten Pro­duktion von Nah­rungs­pflanzen aus nicht mehr als 20 Arten her­ge­stellt (Abb. 1). 

Der Bedarf steigt. Laut der Ernährungs- und Land­wirt­schafts­or­ga­ni­sation der Ver­einten Nationen FAO werden auf­grund des Wachstums der Welt­be­völ­kerung im Jahr 2050 doppelt so viele Nah­rungs­mittel pro­du­ziert werden müssen wie im Jahr 2000. Gleich­zeitig muss man davon aus­gehen, dass dafür weniger Wasser und andere Res­sourcen als heute zur Ver­fügung stehen werden. Abge­sehen davon werden mensch­liche und kli­ma­tische Ein­flüsse die Wachs­tums­be­din­gungen für Pflanzen ver­ändern. Diese Fak­toren beein­flussen in vielen Fällen nicht nur die Menge und Qua­lität der Ernte negativ, sondern ver­ändern auch das Auf­treten von Pflanzenschädlingen. 

Die Land­wirt­schaft steht somit vor enormen Her­aus­for­de­rungen. Um diesen Her­aus­for­de­rungen zu begegnen, sind Anstren­gungen auf vielen Ebenen not­wendig. Dazu gehört unter anderem die Bewahrung und ver­stärkte Nutzung der pflan­zen­geneti­schen Vielfalt, die auf regio­naler und lokaler Ebene durchaus besteht. Die Kapa­zi­täten in der Pflan­zen­züchtung müssen weltweit ver­stärkt werden – neue (Bio)Technologien müssen ent­wi­ckelt werden, um die gene­ti­schen Res­sourcen ver­stärkt zu nutzen, aber auch zu bewahren. 

Herkunft der Nahrungspflanzen

So ver­traut die heu­tigen Nah­rungs­pflanzen uns auch erscheinen, so halten Her­kunft und Ent­stehung doch einige Über­ra­schungen bereit. Die bota­nische und geo­gra­phische Her­kunft ist nicht für alle Kul­tur­pflanzen sicher bekannt. Für die meisten Nah­rungs­pflanzen lässt sich die Spur aber recht genau in eine ursprüng­liche Wildform zurück­ver­folgen. Dabei fällt auf, dass es bevor­zugte Her­kunfts­ge­biete gibt, in denen die Wild­formen in besonders großer gene­ti­scher Vielfalt vor­kommen. Meist hat in diesen nach dem rus­si­schen Wis­sen­schafter und Züchter Nikolai Iwa­no­witsch Vavilov benannten Gen­zentren auch die Domes­ti­kation begonnen (Abb 2). 

Der Getrei­de­anbau dürfte im Nahen Osten (der fruchtbare Halbmond) vor rund 10.000 Jahren begonnen haben, als der Mensch all­mählich vom noma­di­schen Jäger und Sammler zum sess­haften Bauer wurde. Weitere Aus­gangs­punkte der Domes­ti­kation der Pflanzen dürfte neben Mit­tel­amerika (Panama bis Mexico), China, das Hochland Neu­guineas, ein schmales Band südlich der Sahara, die Anden-​Amazonasregion und der Osten Nord­ame­rikas gewesen sein. Fälsch­li­cher­weise nehmen viele an, unsere Kul­tur­pflanzen gäbe es schon sehr lange, dabei sind zum Bei­spiel Mais und Nacht­schat­ten­ge­wächse (Kar­toffel, Tomate) nach­weislich erst nach 1492 aus dem ame­ri­ka­ni­schen Raum nach Europa gekommen. Andere wurden erst in den letzten 100 bis 200 Jahren gezüchtet oder domestiziert. 

Oder nehmen wir das Bei­spiel Apfel: Als sein Ursprungs­zentrum wird Ost­asien ange­sehen, vor allem der Süd­westen Chinas, wo heute noch mehr als 20 Wild­arten wachsen. Als direkter Vor­fahre der modernen Apfel­sorten kann am ehesten Malus sie­versii aus zen­tral­asia­ti­schen Gebirgs­re­gionen betrachtet werden. Besonders schmack­hafte Indi­viduen wurden in Kultur genommen. Seit dem 6. Jh. v.Chr. wurden bei­spiels­weise in Persien besonders geschätzten Indi­viduen selek­tiert und durch Ver­edlung, eine seit Jahr­hun­derten bekannte Methode zum Erhalt des Genotyps der Mut­ter­pflanze, vege­tativ ver­mehrt. Diese Methode erzeugt Klone, d.h. idente Kopien der Mut­ter­pflanze. Die Apfel­züchtung war für lange Zeit auf das zufällige Auf­finden von inter­es­santen Säm­lingen beschränkt (siehe Tab. 1). Erst im 20. Jh. setzte eine gezielte Kreu­zungs­züchtung ein, in den USA und Groß­bri­tannien um 1910, in Deutschland gar erst um 1930. 

Ziele der Pflanzenzüchtung

Züchtung ist die Aus­nutzung des gene­ti­schen Poten­tials natürlich vor­kom­mender Arten und deren gezielt beein­flusste Evo­lution, etwa zum Zweck der ver­bes­serten Pro­duktion von Nah­rungs­mitteln. Unsere Kul­tur­pflanzen sind also eine evo­lu­ti­ons­ge­schichtlich sehr neue Errun­gen­schaft und das Resultat einer im Ver­gleich zur Ent­stehung der Arten rasanten Ent­wicklung, die durch den Men­schen in Gang gesetzt wurde. Man kann hier auch von einer durch den Men­schen gelenkten Evo­lution sprechen. Dabei wurden nicht nur bestehende Früchte geschmacklich ver­bessert, sondern auch Früchte geschaffen, die es vorher gar nicht gab. Die Erd­beere (Fra­garia x ana­nassa) gibt es nur deshalb in der uns bekannten Form, weil im 17. Jahr­hundert ein Gärtner im Garten von Ver­sailles die süd­ame­ri­ka­nische F. chi­loensis mit der nord­ame­ri­ka­ni­schen F. vir­gi­niana kreuzte. 

In erster Linie ori­en­tieren sich die Züch­tungs­ziele bei Nah­rungs­pflanzen am Bedarf an quan­ti­tativ und qua­li­tativ aus­rei­chender Ernährung. Schon lange ist bekannt, wie wichtig eine aus­ge­wogene Ernährung zur Ver­meidung von Man­gel­er­kran­kungen ist, etwa Seh­schwäche bei Vitamin-​A-​Mangel, Skorbut bei Vitamin-​C-​Mangel, Beriberi bei Vitamin-​B1-​Mangel. Mitt­ler­weile sind die Züch­tungs­ziele für eine optimale Nah­rungs­qua­lität durch die Erkennt­nisse der modernen Natur­wis­sen­schaft, Medizin und Ernäh­rungs­wis­sen­schaft wesentlich genauer defi­niert. Mit diesen Qua­li­täts­an­for­de­rungen und der grund­sätz­lichen For­derung nach größt­mög­lichem Ern­te­ertrag, güns­tigen Ver­ar­bei­tungs­be­din­gungen und der Berück­sich­tigung von Umwelt­kri­terien lauten die wich­tigsten Züch­tungs­ziele, die von der gene­ti­schen Varia­bi­lität des in der Züchtung ver­wen­deten pflanz­lichen Erbguts abhängen 

  • Gehalt an inter­es­santen Inhaltsstoffen
  • Freiheit von uner­wünschten Inhalts­stoffen und
  • Resistenz gegen bio­tische und abio­tische Faktoren 

Hinzu kommen weitere Eigen­schaften wie Stand­ort­ver­träg­lichkeit, Lager­fä­higkeit, Anpassung an Anbau­tech­niken und Eignung für Verarbeitungsmethoden. 

Anpassung und Variabilität

Jede Pflanze besitzt ein an die jewei­ligen Umwelt­be­din­gungen ange­passtes äußeres Erschei­nungsbild (Phä­notyp), das von der gene­ti­schen Kon­sti­tution (Genotyp) geprägt ist. Jeder Phä­notyp reprä­sen­tiert einen viel­fäl­tigen Kom­promiss aus zahl­losen zufäl­ligen Muta­tionen sich erge­benden Mög­lich­keiten und den for­menden Ein­flüssen der Umwelt. So sind Funktion, Form, Größe und Anzahl von Blüten, Blättern, Stielen und Wurzeln einer Pflanze innerhalb gewisser Grenzen genau auf­ein­ander abgestimmt. 

Die Grenzen der Anpassung an die Umwelt­be­din­gungen sind nicht nur struk­turell durch die sta­tische Abstimmung der Pflan­zen­teile auf­ein­ander gegeben, sondern vor allem funk­tionell durch die maximale Stoff­wech­sel­leistung (Pro­duktion, Umsatz von Nähr­stoffen, Energie, Zell-​und Gerüst­ma­terial), die für über­pro­por­tio­nales Wachstum ein­zelner Organe von den anderen mobi­li­siert werden können. Die ein­seitige Spe­zia­li­sierung schränkt andere Leis­tungen wie die Wider­stands­kraft gegen Krank­heits­er­reger und andere Formen von Stress ein. Häufig geht dabei auch die gene­tische Grundlage für diese Eigen­schaften ver­loren. Tomaten mit ihren großen roten Früchten zum Bei­spiel sind das Ergebnis inten­siver Züchtung. Während dieses Pro­zesses sind viele der ursprüng­lichen Eigen­schaften der Wild­pflanzen aus dem Genpool der Kul­tur­to­maten ver­schwunden, zum Bei­spiel eine höhere Toleranz gegenüber ungüns­tigen Wachs­tums­be­din­gungen wie tro­ckene oder salzige Böden oder eine größere Resistenz gegenüber Pilzkrankheiten. 

Die Züchtung unserer Nah­rungs­pflanzen auf ein bestimmtes Ertrags­organ hat zu extremen mor­pho­lo­gi­schen Ver­än­de­rungen gegenüber ihren Wild­formen geführt. Der­artige Meta­mor­phosen kennt man bei einigen nahe ver­wandten Kohl­arten der Gattung Brassica: Vom Blu­menkohl ver­wendet man den stark ver­grö­ßerten und gestauchten Blü­ten­stand, vom Raps das Öl der Samen, vom Weiß- und Rot­kraut die Blätter, vom Kohlrabi die gestauchte Spross­achse und von der Kohlrübe die zum Spei­cher­organ umge­wan­delte Hauptwurzel. 

Das Potential der gene­ti­schen Varia­bi­lität zeigen auch ver­schiedene Nacht­schat­ten­ge­wächse, bei denen jeweils eines von vier Organen züch­te­risch besonders aus­ge­formt wurde: die Blüte der Petunie, das Blatt des Tabaks, die Früchte von Paprika und Tomate, sowie die Knolle der Kar­toffel. Zwar gibt es von allen fünf Arten viele gene­tische Vari­anten (Sorten, Varie­täten), deren Blüten, Blätter Früchte bzw. Knollen sich in Farbe, Form, Größe, Geschmack, Was­ser­gehalt, Nähr­stoff­zu­sam­men­setzung, Lager­fä­higkeit unter­scheiden. Aber es gibt keine Kartoffel- oder Toma­ten­sorte mit ess­baren Früchten und ess­baren Knollen und auch sonst keine dop­pelte Nutzung der fünf Arten. 

Grundlegender Mechanismus: Mutation 

Die allen züch­te­ri­schen Vor­gängen zugrun­de­lie­genden Mecha­nismen sind Muta­tionen, die zu Ver­än­de­rungen in der Struktur der Gene und Chro­mo­somen führen. Einige dieser Muta­tionen wirken letal oder stark schä­digend, viele beein­träch­tigen Struktur und Funktion der Pro­teine nur so weit, dass es zu schwä­cheren Effekten kommt. „Stille” Muta­tionen wie­derum ver­ur­sachen gar keine sicht­baren Effekte, weil sie in nicht-​codierenden Regionen auf­treten, oder weil sich auf­grund der Red­undanz der Codons die Ami­no­säu­re­se­quenz der Pro­teine nicht verändern. 

Durch Muta­tionen wird der Genpool einer Popu­lation zufällig ver­ändert. Unter dem Ein­fluss der natür­lichen Selektion zeigt sich mit der Zeit, ob die durch eine Mutation her­vor­ge­rufene neue Merk­mals­aus­prägung eine sinn­volle Anpassung ergibt oder nicht. Falls ja, wird sie in Zukunft häu­figer wei­ter­ge­geben, weil die betrof­fenen Indi­viduen einen Vorteil haben. Ist die Mutation nicht sinnvoll (also wir­kungslos oder nach­teilig), werden die betrof­fenen Indi­viduen weniger in der Lage sein, sie wei­ter­zu­geben. Sie wird selten bleiben oder ganz verschwinden. 

Bei einer geschlecht­lichen Ver­mehrung von Pflanzen (also allen Kul­tur­pflanzen, die über Samen ver­mehrt werden) ent­stehen durch ein­malig ver­wirk­lichte Kom­bi­na­ti­ons­mög­lich­keiten von Genen ein­malige Indi­viduen, die sich in der gesamten Erd­ge­schichte aus zwei sehr unter­schied­lichen Gründen nicht wie­der­holen. Zum einen ist die Wahr­schein­lichkeit, dass genau die­selbe Mischung von zweimal vielen Tausend Genen ent­steht, unendlich gering. Zum andern beruht die langsame, aber stetige Evo­lution der Arten auf einer spon­tanen Mutation aller Gene mit einer Rate von 10-5 bis 10-9. Gene ver­ändern sich also langsam. Über den Zeitraum von ca. 400 Mil­lionen Jahren, die man für die Evo­lution der Land­pflanzen annimmt, war diese Muta­ti­onsrate aus­rei­chend, um die Ent­stehung der jetzt lebenden Arten zu erklären. Dagegen ist sie niedrig genug, um die Iden­tität der Arten zu garantieren. 

Die Methoden der Pflanzenzüchtung

Die Methoden der Pflan­zen­züchtung sind drei großen Gruppen zuzu­ordnen: der Aus­wahl­zucht als ältestes Ver­fahren, der unbe­wusst oder bewusst durch­ge­führten Kreu­zungs­züchtung und schließlich den modernen Methoden. 

Auswahlzucht als uralte Methode 

Jeder Bauer, der einen Teil seiner Ernte für die nächste Aussaat aus­wählt, betreibt Aus­wahl­zucht. Diese Auswahl wird zur Ver­än­derung der Pflanzen im Ver­gleich zur Aus­gangs­po­pu­lation führen. Aus jeder ess­baren Wild­pflanze, die sich zur Domes­ti­kation eignete, sind auf diese Weise über viele Stufen zunächst unbe­wusster, später auch bewusster Aus­wahl­züch­tungen zahl­reiche Kul­tur­formen mit zum Teil stark unter­schied­lichen Merk­mals­aus­prä­gungen hervorgegangen. 

Kreuzungszüchtung

Während Aus­wahl­züchtung von Indi­viduen ausgeht, die in einer Popu­lation vor­handen sind, erzeugt Kreu­zungs­züchtung gezielt Indi­viduen mit neuen Merk­mals­kom­bi­na­tionen, die vorher so nicht vor­ge­kommen sind. Aller­dings muss die Merk­mals­kom­bi­nation im Genpool zumindest eines Kreu­zungs­partners von vorne herein vor­handen sein. Kreu­zungs­züchtung vermag gene­tisch bedingte Merkmale, die zunächst in ver­schie­denen Indi­viduen getrennt auf­treten, in einer neuen Varietät zu ver­ei­nigen, sofern zwei Grund­vor­aus­set­zungen gegeben sind: a) die Merkmale müssen einen pas­senden gene­ti­schen Hin­ter­grund vor­finden, der ihre domi­nante Aus­prägung zulässt und b) die ent­spre­chenden Eltern­pflanzen müssen mit­ein­ander kreuzbar sein, wodurch Kreu­zungen meist nur innerhalb der natür­lichen Art­grenzen fertile Nach­kommen ergeben. Die Ent­de­ckung und Nutzung des Heterosis-​Effektes bei F1- Hybrid­pflanzen (seit 1909 durch G. H. Shull) garan­tiert den Bauern ca. 30% höhere Erträge, was höhere Saat­gut­kosten durchaus recht­fertigt. Dieser Effekt ver­schwindet in der F2-​Population wie­derum, was den Nachbau von Saatgut unren­tabel macht. Ein Bei­spiel von Hete­rosis zeigt die Hybride Alnus incana × Alnus glu­tinosa zwi­schen Grau-​Erle und Schwarz-​Erle, die höher und dicker wächst als die Elternsorten. 

Die wis­sen­schaft­liche Grundlage für dieses neue und wesentlich gezieltere Vor­gehen ist die von Gregor Mendel (1881) begründete Genetik, die Anfang des 20. Jahr­hun­derts von Tschermak, Vries und Correns wie­der­ent­deckt wurde. Inter­essant mag viel­leicht das Detail erscheinen, dass Mendel aus­ge­rechnet der Akti­vität eines Trans­posons (DNA-​Abschnitt, der seine Position ver­ändern kann, „sprin­gendes Gen“) den Phä­notyp des run­ze­ligen Erb­sen­samens zu ver­danken hatte. Dieses Trans­poson in einem Gen für Stär­ke­ver­zweigung ver­ur­sacht nämlich die run­zelige Samenform. 

Die Erkenntnis, dass jede Ver­bes­serung von Nutz­pflanzen auf die­selbe Art gene­ti­scher Muta­tionen des Erb­gutes zurück­zu­führen ist – ganz gleich, ob sie spontan auf­treten oder durch Züchtung erzeugt und anschließend selek­tiert werden, ist seit Beginn des letzten Jahr­hun­derts aner­kannt. Aller­dings mahnte bereits 1906 der Züchter Luther Burbank große Vor­sicht ein, wie mit diesem neu erlangten Wissen umzu­gehen sei: “We have recently advanced our know­ledge of genetics to a point where we can mani­pulate life in a way never intended by nature. We must proceed with the utmost caution in the appli­cation of this new-​found knowledge.” 

Zu Mendels Zeiten war die che­mische Natur der Gene, ihre Anordnung und Loka­li­sation im Zellkern noch unbe­kannt. Die ope­ra­tionale Defi­nition von Genen in der Kreu­zungs­züchtung, etwa durch genaue Beob­ach­tungen, von wie vielen Genen ein Merkmal geprägt wird, war eine ent­schei­dende Vor­aus­setzung für die heutige, wesentlich detail­liertere Analyse ein­zelner Gene mit Methoden der Mole­ku­lar­bio­logie. Durch Marker-​gestützte Züchtung (Marker assisted sel­ection MAS) kann die Auswahl geeig­neter Kan­di­daten viel rascher getroffen werden. 

 

Den zweiten Teil des Beitrags, in dem moderne Züchtungsmethoden inklusive gentechnischer Verfahren und ihr Potenzial beschrieben werden, lesen Sie in der nächsten Ausgabe des Journals für Ernährungsmedizin.

 

Univ.-Prof. Dr. Margit Laimer, Univ.-Doz. Dr. Fatemeh Maghuly, Uni­ver­sität für Boden­kultur Wien, Department Bio­tech­no­logie, Abteilung für Pflan­zen­bio­tech­no­logie, Muth­gasse 18, 1190 Wien, margit.laimer@boku.ac.at

Lite­ratur bei den Verfassern 

 

Zur Ver­tiefung empfohlen: 

Klaus Hahl­brock: Kann unsere Erde die Men­schen noch ernähren? Bevöl­ke­rungs­explosion – Umwelt – Gen­technik. Her­aus­geber: Klaus Wie­gandt, S. Fischer Verlag 2008 

Vaclav Smil: Feeding the World – A Challenge for the Twenty-​First Century. MIT Press 2001