Michael Wäger*
Die Pathogenese der Arteriosklerose umfasst allgemein Fettablagerungen an den inneren Schichten der Arterien, welche die Gefäße über einen jahrelangen Zeitraum verstopfen können. Dieser „atheromatöse Plaque“ wird durch die Ablagerung kleiner Cholesterinkristalle in der Intima und den darunterliegenden glatten Muskelzellen gebildet. Durch die Proliferation des Bindegewebes und der umliegenden glatten Muskelzellen kommt es zum Wachstum des Plaques, was zu einer Verdickung der Arterien mit anschließend konsequent reduziertem Blutfluss führt. Die zusätzliche Produktion von Bindegewebe durch die Fibroblasten und die Ablagerung von Calcium beim Ort der Arterienläsion führt außerdem zu einer Sklerose und Verhärtung der betroffenen Arterien. Letztendlich resultiert die unebene Oberfläche der Gefäßwand in deren Verklumpung, einer Thrombose und einer abschließenden, plötzlich auftretenden, Obstruktion des Blutflusses. Die Folgen dieser Erkrankung manifestieren sich häufig in Ischämie, Angina pectoris, Herzinfarkt, Thrombo-Embolie, Schlaganfall oder plötzlichem Herztod.
Nicht unerwähnt darf die Bedeutung von oxidativem Stress bei der Ausbildung einer Arteriosklerose bleiben, da dieser in Form von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) die oxidative Modifikation des LDL-Cholesterins (low-density lipoprotein) verursacht. Dieser Vorgang bildet das eigentliche Schlüsselereignis, was die weiteren Vorgänge der Krankheitsentwicklung einleitet.
Gibt es die „richtige“ Ernährung zur Prävention?
Das Ernährungsverhalten beeinflusst die Ausbildung zahlreicher Erkrankungen signifikant und spielt auch eine tragende Rolle bei der Pathobiologie von Arteriosklerose. Welcher Ernährungsstil nun aber die meisten gesundheitlichen Vorteile mit sich bringt, ist immer noch Hauptthema zahlreicher Diskussionen. Generell sticht besonders die Wahl eines größtenteils auf Pflanzen basierenden Ernährungsstils heraus, was sowohl den Vegetarismus als auch den Veganismus umfasst. So vermag eine vegetarische Kost verschiedene Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen nachhaltig zu verbessern. Neben abdominalem Übergewicht, Blutdruck und dem Blutzucker kann auch das Lipidprofil positiv beeinflusst werden. Aktuelle Studien berichten von einer Senkung des Gesamtcholesterins um 7,2 bis 26,6 Prozent, das LDL-Cholesterin soll um 8,7 bis 35 Prozent verringert werden können. Neben den erwähnten Parametern werden auch diverse Entzündungsmarker, wie etwa das C-reaktive Protein, positiv beeinflusst und oxidativer Stress signifikant reduziert, was zu verminderter Plaque-Bildung in den Gefäßen führt. Schätzungen zufolge weisen Vegetarier im Alter von 55 Jahren nur eine Wahrscheinlichkeit von 6,1 Prozent für die Ausbildung einer kardiovaskulären Erkrankung auf, wohingegen Omnivoren („Allesfresser“) eine Wahrscheinlichkeit von 17,9 Prozent aufweisen.
Eine strikte vegane Ernährung, also der vollkommene Verzicht auf tierische Lebensmittel, weist die stärksten positiven Effekte auf die kardiovaskuläre Gesundheit auf. So konnten die Ergebnisse der EPIC-Studie (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition) zeigen, dass Veganer am seltensten von Bluthochdruck betroffen waren und sowohl den niedrigsten systolischen als auch diastolischen Blutdruck aufwiesen. Andere wissenschaftliche Erkenntnisse berichten von einem bei Veganern um 63 Prozent verringerten Risiko, eine Hypertonie auszubilden im Vergleich zu Nicht-Vegetariern, wohingegen Vegetarier ein um 43 Prozent reduziertes Risiko aufweisen konnten. Nicht zu vernachlässigen ist bei Einhaltung einer veganen Ernährung jedoch die ausreichende Versorgung mit Vitamin B12, da dieser Mikronährstoff besonders häufig – ohne Zuhilfenahme eines Mikronährstoffpräparates – in zu geringem Maße über die Nahrung zugeführt wird. In Folge verminderter B12-Spiegel kann Homocystein nicht mehr abgebaut werden und eine Hyperhomocysteinämie, welche einen weiteren unabhängigen Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen darstellt, ist die Folge. Niedrige B12-Konzentrationen wirken sich außerdem negativ auf die flussmediierte Dilatation (FMD) und die Intima-Media-Dicke (IMT), zwei bei Arteriosklerose verwendete Surrogatparameter, aus. Personen mit veganer Ernährung sollten sich deshalb regelmäßig auf deren Vitamin B12-Spiegel screenen lassen, um einer potentiellen Unterversorgung zeitnah entgegenwirken zu können.
Besonders interessant ist auch die Tatsache, dass vegane und vegetarische Ernährungsgewohnheiten, kombiniert mit anderen Lebensstilfaktoren (Nikotinabstinenz, Gewichtsverlust), eine Arteriosklerose rückgängig machen können: schon wenige Monate nach der Umstellung des Ernährungs- und Lebensstils konnte der in den Gefäßen vorhandene Plaque signifikant verringert werden. Die erwähnten Effekte konnten außerdem ohne den Einsatz cholesterinsenkender Medikamente erreicht werden. Die Einhaltung einer pflanzenbasierten Ernährungsweise sollte von Personen mit Herz-Kreislauferkrankungen aufgrund der zahlreichen positiven Eigenschaften jedenfalls in Betracht gezogen werden.
Effekte der „Mittelmeerdiät“
Neben dem Vegan- und Vegetarismus hat sich auch die mediterrane Ernährung oder „Mittelmeerdiät“ bewährt. Reichlich Früchte und Gemüse, Vollkorngetreide, natürliches und kaltgepresstes Olivenöl, Nüsse und der moderate Fisch- und Rotweinkonsum zählen zu den festen Bestandteilen dieses Ernährungsverhaltens. Neben protektiven Effekten auf koronare Herzerkrankungen und die allgemeine kardiovaskuläre Gesundheit sind außerdem positive Auswirkungen auf Krebs, Alzheimer und Parkinson zu erwarten. Die gesundheitlichen Vorteile der Mittelmeerdiät werden auf die synergistischen Interaktionen der verschiedenen Nahrungskomponenten zurückgeführt und umfassen neben Nitraten, einfach ungesättigten Fetten, Omega-3-Fettsäuren und Polyphenolen auch andere Mikronährstoffe.
EPA und DHA gehören zu den in Fisch enthaltenen Omega-3-Fettsäuren und können bei regelmäßiger Einnahme die kardiovaskuläre Mortalität signifikant senken und das Risiko eines plötzlichen Herztodes um bis zu 35 Prozent reduzieren. Des Weiteren können durch die ausreichend hohe Einnahme von EPA und DHA verschiedene Entzündungsmarker und die Thrombogenese günstig beeinflusst werden, was sich direkt auf die Pathogenese von Arteriosklerose auswirkt.
Die unter anderem aus Olivenöl und Rotwein stammenden Polyphenole beeinflussen primär verschiedene atherothrombotische Eigenschaften positiv, wie etwa das Lipidprofil, die Plättchenaggregation, oxidativen Stress, endotheliale Dysfunktionen und verschiedene Entzündungsprozesse. Sie verhindern die Oxidation des LDL-Cholesterins, wirken gefäßerweiternd und haben günstige Auswirkungen auf den Blutdruck, was besondere Bedeutung bei der Prophylaxe und Behandlung von Gefäßerkrankungen hat.
Neben den Auswirkungen des allgemeinen Ernährungsstils spielen jedoch auch einzelne Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe eine essentielle Rolle bei der Prophylaxe und nutritiven Therapie von kardiovaskulären Erkrankungen und Arteriosklerose.
Lutein und Lycopin verringern Intima-Media-Dicke der A. carotis
Die Carotinoide Lutein und Lycopin weisen starke antioxidative Eigenschaften auf und konnten so etwa in diversen „in vivo“-Studien die oxidative Modifikation des LDL-Cholesterins und somit die Progression einer Arteriosklerose erfolgreich verhindern. Ergebnisse einer aktuellen Humanstudie bescheinigen Lutein und Lycopin außerdem günstige Effekte bei einer vorherrschenden Arteriosklerose-Erkrankung. So konnte gezeigt werden, dass durch die Supplementierung der erwähnten Carotinoide bei Personen mit bestehender Erkrankung die IMT der Arteria carotis, einem Marker für die Frühdiagnose von Arteriosklerose, signifikant gesenkt werden konnte und sowohl die Lutein- als auch die Lycopin-Konzentrationen der Probanden anstiegen. Die Studienergebnisse konnten außerdem zeigen, dass besonders bei der Kombination beider Carotinoide günstige Effekte zu erwarten sind.
Niedrige Vitamin D-Konzentrationen begünstigen Progression von Arteriosklerose
Seit mehreren Jahren ist bekannt, dass Vitamin D nicht nur im Calcium- und Knochenstoffwechsel essentielle Funktionen übernimmt, sondern auch die kardiovaskuläre Gesundheit signifikant beeinflusst. So erhöhen verminderte Vitamin D-Spiegel etwa das Risiko für Bluthochdruck, periphere arterielle Verschlusskrankheit, Myokardinfarkte, Herzversagen und die allgemeine kardiale Mortalität. Verschiedene Untersuchungen assoziieren niedrige Cholecalciferol-Konzentrationen weiters mit endothelialen Dysfunktionen, Entzündungsprozessen, auftretender Arteriensteifigkeit und verstärkten Ablagerungen von Calcium in den Gefäßen.
Eine im Februar 2015 publizierte Studie kam außerdem zu dem Schluss, dass verminderte Vitamin D-Level die Progression von Arteriosklerose fördern könnnen und führt diese Erkenntnisse auf verschiedene Mechanismen zurück. So stimuliert Cholecalciferol etwa die Produktion von Prostacyclin in den glatten Muskelzellen der Gefäße und verhindert die Bildung von Thromben, Zelladhäsion und die Proliferation glatter Muskelzellen. Andere wissenschaftliche Ergebnisse berichten von hemmenden Wirkungen von Vitamin D auf die Entstehung von Schaumzellen über eine Reduktion der Cholesterolaufnahme durch Makrophagen. Zu guter Letzt wird auch die anti-entzündliche Wirkung von Vitamin D als möglicher Mechanismus vorgeschlagen, da inflammatorische Prozesse in allen Phasen des Krankheitsverlaufs von Arteriosklerose eine wichtige Rolle spielen.
Die Erkenntnisse dieser Studien über Vitamin D spielen insofern eine tragende Rolle, da kardiovaskulären Erkrankungen ein globales gesundheitspolitisches Problem darstellen und beispielsweise große Teile der österreichischen Bevölkerung erniedrigte Konzentrationen dieses wichtigen Mikronährstoffes aufweisen. Laut dem österreichischen Ernährungsbericht von 2012 sollen demzufolge bis zu 40 Prozent der Gesamtbevölkerung mit Vitamin D unterversorgt sein.
Über einen gesunden Lebensstil, der Wahl des „richtigen“ Ernährungsverhaltens und der gezielten Zufuhr ausgewählter Vitamine und sekundärer Pflanzenstoffe können zahlreiche Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen und Arteriosklerose positiv beeinflusst werden. Um individuelle Aussagen treffen zu können und die Gesundheit des Herz-Kreislaufsystems optimal zu unterstützen, sollten Screenings auf potentielle Nährstoffmängel, besonders bei Personen mit fortschreitendem Alter, bedacht und auch durchgeführt werden.
* Michael Wäger, BSc., Assistent Wissensmanagement, Biogena Naturprodukte GmbH & Co KG, Millergasse 35, 1060 Wien
Referenzen:
1. http://www.who.int/cardiovascular_diseases/enwww.who.int/cardiovascular_diseases/en (Stand: 13.05.2015)
2. Rafieian-Kopaei, M. et al. 2014. Atherosclerosis: process, indicators, risk factors and new hopes. Int J Prev Med. 5(8):927-46.
3. Cullum-Dugan, D., Pawlak R. 2015. Position of the academy of nutrition and dietetics: vegetarian diets. J Acad Nutr Diet. 115(5):801-10.
4. Woo, K. S. et al. 2014. Vegan diet, subnormal vitamin B-12 status and cardiovascular health. Nutrients. 6(8):3259-73.
5. Scoditti, E. et al. 2014. Vascular effects of the Mediterranean diet-part II: role of omega-3 fatty acids and olive oil polyphenols. Vascul Pharmacol. 63(3):127-34.
6. Zou, Z. Y. et al. 2014. Effects of lutein and lycopene on carotid intima-media thickness in Chinese subjects with subclinical atherosclerosis: a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Br J Nutr. 111(3):474-80.
7. Satilmis, S. et al. 2015. Association between serum vitamin D levels and subclinical coronary atherosclerosis and plaque burden/composition in young adult population. Bosn J Basic Med Sci. 15(1):67-72.
8. Elmadfa, I. et al. 2012. Österreichischer Ernährungsbericht 2012.