Mit den Statinen wurde vor mehr als 20 Jahren eine effektive Senkung überhöhter LDL-Cholesterinwerte auf medikamentösem Weg ermöglicht. Für Hochrisikopatienten, bei denen diese Therapie nicht ausreicht oder die Statine nicht vertragen, zeichnen sich nun neue Therapiemöglichkeiten ab. Von den verschiedenen Wirkprinzipien, die derzeit untersucht werden, gilt der Einsatz von Antikörpern als der vielversprechendste und deren Entwicklung ist auch am weitesten fortgeschritten.
Die Antikörper, um die es hier geht, greifen am PCSK9 an, wobei PCSK9 für Proprotein Convertase Subtilisin-like/Kexin Typ 9 steht. Seine Rolle im Stoffwechsel besteht darin, LDL-Rezeptoren dem lysosomalen Abbau zuzuführen. Wird es aus dem Verkehr gezogen, werden die mit Cholesterinmolekülen beladenen LDL-Rezeptoren nach Abgabe des Fettstoffs im Zellinneren nicht abgebaut, sondern gelangen wieder an die Zelloberfläche. Dort können sie weitere LDL-Cholesterinpartikel aufnehmen und so den LDL-Cholesterinspiegel verringern.
Welche Bedeutung das PCSK9 im Stoffwechsel hat, wird durch natürlich vorkommende Genmutationen verdeutlicht. Bei einer Überfunktion von PCSK9 steigt die Abbaurate des LDL-C-Rezeptors. Damit ist ein hoher LDL-Cholesterin-Spiegel verbunden. Bei einer Überfunktion hingegen sinkt die Abbaurate der Rezeptoren. Damit ist ein niedriger LDL-Cholesterin-Spiegel assoziiert, wobei auch ein im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt deutlich geringeres Risiko für koronare Herzkrankheiten beobachtet wurde.
Vielversprechende Studienergebnisse
Im April dieses Jahres wurden im „New England Journal of Medicine“ bahnbrechende Studien publiziert. Dabei wurde bei insgesamt rund 6.700 Probanden untersucht, wie sich die Gabe von PCSK9-Antikörpern bzw. „PCSK9-Hemmern“ (Alirocumab und Evolocumab) zusätzlich zur Standardtherapie mit Cholesterinsenkern auswirkt. Bei den Probanden handelte es sich um Hochrisikopatienten für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Bei der Studie mit Alirocumab konnte der LDL-Cholesterinspiegel trotz maximaler Statintherapie nicht unter 70mg/dl gesenkt werden. In der Studie mit Evolocumab betrug der Ausgangsspiegel von LDL-Cholesterin im Schnitt 120mg/dl. In den gemeinsamen Empfehlungen der European Society of Cardiology und der European Atherosclerosis Society wird für Hochrisikopatienten ein Zielwert von 70mg/dl empfohlen.
In beiden Untersuchungen kam es zu einer Reduktion des LDL-Cholesterinspiegels um mehr als 60 Prozent. In der Untersuchung mit Evolocumab sank der Wert von durchschnittlich 120 auf 48mg/dl. Im Lauf der Beobachtungszeit von einem bzw. eineinhalb Jahren wurde in beiden Studien etwa eine Halbierung der Häufigkeit akuter Herz-Kreislauf-Erkrankungen (tödliche und nicht tödliche Herzinfarkte, Schlaganfälle und instabile Angina pectoris) registriert.
Eine Untergrenze für „verträgliche“ LDL-Cholesterinspiegel im Blut gibt es offenbar nicht. Mit den neuen Behandlungskonzepten kann das LDL-Cholesterin sogar unter 50mg/dl gesenkt werden, was in etwa den Werten von Neugeborenen entspricht.
Erster PCSK9-Hemmer zur Zulassung empfohlen
Als erster PCSK9-Hemmer hat der Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur EMA im Mai d.J. Evolocumab zur Zulassung empfohlen. Als Einsatzbereich werden Hochrisikopatienten empfohlen, wozu Patienten gehören, deren LDL-Cholesterinwerte sich unter Standardtherapie nicht auf den Zielwert senken lassen oder die eine Statintherapie nicht vertragen. Dazu zählen viele Personen mit Familärer Hypercholesterinämie. Deren heterozygote Form ist wesentlich häufiger als bis vor kurzem angenommen, die homozygote Form ist zwar selten, aber durch dramatisch erhöhte Cholesterinspiegel und eine entsprechend gravierende Gefährdungslage gekennzeichnet. Das Medikament wird als 140mg Injektionslösung in einer Fertigspritze oder in einem vorgefüllten Injektor verabreicht. Bestehende lipidsenkende Therapien sollten beibehalten werden, eine entsprechende Diät sollte ebenfalls eingehalten werden, betont die EMA in einer Aussendung.
APA; Medscape; EMA; Red.