Sonja Grünzweil*, Klaus Nigl, Marianne Tammegger
Die Erhebung und Dokumentation der Ernährungsgewohnheiten spielen eine entscheidende Rolle in der Ernährungsberatung. Nur so kann ein klares Bild über die Gewohnheiten der Patient/innen entstehen und mögliche Unverträglichkeiten, Erkrankungen, Abneigungen, etc. können erkannt werden (Poschwatta-Rupp, 2013). Immer mehr Menschen verwenden heute ein Smartphone mit zusätzlichen Funktionen. Die Forschung zu mobilen Anwendungen im Ernährungssektor befindet sich in den Anfängen, doch die Thematik neuer Technologien wird in Zukunft weiter an Wichtigkeit gewinnen (Laura Dennison et al., 2013). Diätolog/innen werden dadurch nicht ersetzt werden, da die diätologische Expertise für die individuelle Betreuung notwendig ist. Sie können die Patient/innen jedoch auf neue Art und Weise aktiv in den diätologischen Prozess einbinden. Wichtig ist angesichts der Vielzahl von Ernährungsapps am Markt zu wissen, welche Apps für die Ernährungsberatung sinnvoll sind und wo die Grenzen der Technologien liegen (Boyce, 2014).
Zielsetzung, Methodik & Zielgruppen
Es existiert eine große Anzahl an Applikationen zur Dokumentation des Ernährungsverhaltens. Nicht alle sind als seriös zu bewerten und bringen einen Nutzen (Boyce, 2014). Ziel der Bachelorarbeit ist es, eine Übersicht über ausgewählte Apps zu geben und herauszuarbeiten, welche sinnvollen Möglichkeiten es beim Einsatz dieser Tools im Ernährungsberatungsprozess gibt bzw. welche Herausforderungen bestehen.
Es wurde eine systematische Literaturrecherche mithilfe der Datenbanken PubMed, Google Scholar, Google Books und der elektronischen Zeitschriftenbibliothek (EZB) der FH Gesundheitsberufe OÖ durchgeführt. Wichtig für die Erreichung des Ziels ist die Analyse der Nutzergruppe für mobile Dienste. Weiters wurde eine Marktrecherche in Bezug auf Apps zur Dokumentation des Ernährungsverhaltens durchgeführt.
Laut einer von Google publizierten Nutzer/innenanalyse ist die Hauptzielgruppe für den Einsatz von mobilen Applikationen Jugendliche und junge Erwachsene (bis ca. 34 Jahren). Diese Altersgruppe ist sehr an neue Technologien gewöhnt oder schon damit aufgewachsen. Diese Digital Natives bzw. Early Adopters sind in einem frühen Stadium bereit, Technologien und somit auch Apps in ihren Alltag und ihr Leben zu integrieren. Eine weitere Gruppe, die für den Einsatz von Apps begeistert werden kann, sind die Digital Immigrants. Hier hinein fallen vor allem die 40- bis 55-Jährigen. Für diese Personen ist allerdings die klare Vermittlung eines Mehrwerts von großer Bedeutung. Auch der Sicherheits- und Datenschutzaspekt spielt eine wesentliche Rolle. Die Gruppe der über 55-Jährigen ist sehr divers zu betrachten. Bei einem Großteil handelt es sich um Digital Outsiders. Die Personen, die ein Smartphone nützen, können durchaus von dem Einsatz von Applikationen überzeugt sein. Die übrigen Zugehörigen dieser Altersgruppe sollten nicht unnötig mit neuen Technologien konfrontiert werden, da keine gute Compliance erwartet werden kann (MindTake Research GmbH, 2013).
Möglichkeiten durch Apps
Die Auswahl der Apps für diese Arbeit erfolgte anhand festgelegter Kriterien. Im Vordergrund der ausgewählten Applikationen steht die Erhebung und Dokumentation des Ernährungsverhaltens. Die genaue Beschreibung liegt bei der Verfasserin auf.
Einer der größten Vorteile, die der Einsatz von Smartphones mit sich bringt, ist, dass viele, vor allem junge Menschen, die Geräte den ganzen Tag eingeschaltet mit sich tragen. Dadurch können Apps jederzeit und überall genutzt werden und das Gerät ist, anders als das ausgedruckte Ernährungsprotokoll, immer dabei und kann für die Dokumentation eingesetzt werden (Dennison et al., 2013). Eine positive Folge davon ist, dass Patient/innen aktiv in den eigenen Gesundheitsprozess miteinbezogen und motiviert werden (Boyce, 2014). Vor allem in der Entwicklung neuer Methoden zur direkten Berechnung von beispielsweise Sprachaufnahmen liegen einige Möglichkeiten für die Zukunft (Lacson, Long, 2006). Dasselbe gilt für den Einsatz von Fotos am Smartphone zur Dokumentation der Ernährungsgewohnheiten. Durch die Fotos können Diätolog/innen eine viel bessere Vorstellung über die verzehrten Portionen erlangen (Illner et al., 2012).
Ergebnisse
Damit die Möglichkeiten von Applikationen zur Unterstützung in der Ernährungsberatung ausgeschöpft werden können, ist es wichtig, die Zielgruppe im Auge zu behalten. Großes Potenzial liegt hier in der Gruppe der jungen Erwachsenen. Erhebungen haben gezeigt, dass Apps einfach in den Alltag integrierbar sein müssen und nicht viel zusätzliche Zeit in Anspruch nehmen dürfen, damit sie effizient genutzt werden (Dennison et al., 2013). Die Auswahl der Apps hat gezeigt, dass es unterschiedliche Möglichkeiten gibt, angefangen von digitaler Dokumentation über Barcode Scan bis hin zur Foto- und Tonaufnahme. Das große Potenzial liegt in Zukunft im Einsatz von Smartphones und Fotos in Kombination mit der Ernährungsberatung. Die Schätzung der Portionsgrößen kann damit deutlich vereinfacht werden. Aktuell muss allerdings beachtet werden, dass es technisch nur begrenzt möglich ist, die Portionsgrößen mit einer hohen Genauigkeit zu schätzen. Dies unterstreicht die Wichtigkeit der Kooperation von Diätolog/innen mit den Patient/innen (Martin et al., 2014). Over- und Underreporting können zwar auch durch diese Form der Dokumentation nicht verhindert werden, denn Patient/innen können natürlich immer Speisen konsumieren, die sie nicht fotografieren. Dieses Problem hat man aber bei allen Methoden und es liegt im Ermessen der Patient/innen, wie sehr sie sich auf die Methode einlassen. Positiver Nebeneffekt ist, dass die Nutzer/innen aktiv in ihren eigenen Gesundheitsprozess mit einbezogen werden (Boyce, 2014; Helander et al., 2014).
Neben der Perspektive, dass Applikationen die Diätolog/innen im Beratungsprozess unterstützen und eine Ergänzung durch Apps in einer therapeutischen Maßnahme stattfindet, drängt sich die Frage auf, ob die Gefahr besteht, dass die Technologien die Fachkräfte ersetzen können oder werden und Anwender/innen lediglich die mobile Anwendung verwenden und auf den persönlichen Kontakt mit Fachkräften verzichten, da sie selbst die Kontrolle über ihre Gesundheit übernehmen – Stichwort Self-Tracking. In der 2013 durchgeführten Health Care & Share Studie, bei der 229 Personen befragt wurden, zeigte sich, dass sich 51% der Befragten den Ersatz von Ärztinnen/Ärzten, Fitness- und Ernährungsexpert/innen nicht vorstellen können. Nur 2% glauben an ein Verschwinden der Expert/innen. Den Proband/innen ist es gerade bei Medizin- und Gesundheitsfragen ein Anliegen, dass sie von Expert/innen betreut werden (Bücklein et al., 2013). Vielleicht ändert sich in Zukunft die Rolle der Fachkräfte. Diätolog/innen müssen offen dafür sein, neue Möglichkeiten in der Ernährungsberatung auszuprobieren und sich selbst mit den mobilen Anwendungen auseinanderzusetzen, dazu zählt auch die Möglichkeit, unabhängig von einem Büro mit den Patient/innen zu kommunizieren. Die alleinige Dokumentation der Lebensmittel bringt vielen Nutzer/innen keinen Vorteil, da ihnen wichtige Informationen zur richtigen Interpretation ihres Essverhaltens fehlen (Boyce, 2014).
Ausblick
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Korrespondenz:
FH Gesundheitsberufe OÖ Sonja Grünzweil E-Mail: 1210658007@stud.fhgooe.ac.at
Literatur (Auszug / gesamte Liste bei der Verfasserin):
Boyce, B. (2014): „Nutrition Apps: Opportunities to Guide Patients and Grow Your Career“. In:Journal of the Academy of Nutrition and Dietetics. 114 (1), S. 13–15.
Bücklein, C.; Luft, T.; Petzl, D.; Weber, U.; Eichsteller, H. (Hrsg.) (2013): „Die Gesundheit selbst in die Hand nehmen. Schafft das Smartphone einen Ersatz für Ärzte, Fitness- und Ernährungsexperten? Gesundheitsapps im Check!“. In: Health Care & Share Studie 2013., S. 44–50.
Europäische Kommission (2014): „Mobile Gesundheitsversorgung: Potenzial der Mobile-Health-Dienste soll erschlossen werden“
Illner, A. K.; Freisling, H.; Boeing, H.; Huybrechts, I.; Crispim, S. P.; Slimani N. (2012): „Review and evaluation of innovative technologies for measuring diet in nutritional epidemiology“. In: International Journal of Epidemiology. 41 (4), S. 1187–1203.
Jäckel, M. (2011): „Good news? Szenarien zur Nutzung von Apps im Ernährungsbereich“. In: Ernährungs Umschau (10/11), S. 548–555.
Kramer, U, Dr. (2014): „Transparenz und Datenschutz noch „mangelhaft““. mobile.health – Health-Apps, Telemedizin, ePatient. (01/14), Auflage 2014, S. 28–30.
Stumbo, P. J. (2013): „New technology in dietary assessment: a review of digital methods in improving food record accuracy“. In: Proceedings of the Nutrition Society. 72 (01), S. 70–76.