Smartphone-​Apps & Ernährungsberatung

Dezember 2014

Mög­lich­keiten und Her­aus­for­de­rungen für die Doku­men­tation der Ernährungsgewohnheiten 

Sonja Grünzweil*, Klaus Nigl, Marianne Tammegger 

Die Erhebung und Doku­men­tation der Ernäh­rungs­ge­wohn­heiten spielen eine ent­schei­dende Rolle in der Ernäh­rungs­be­ratung. Nur so kann ein klares Bild über die Gewohn­heiten der Patient/​innen ent­stehen und mög­liche Unver­träg­lich­keiten, Erkran­kungen, Abnei­gungen, etc. können erkannt werden (Poschwatta-​Rupp, 2013). Immer mehr Men­schen ver­wenden heute ein Smart­phone mit zusätz­lichen Funk­tionen. Die For­schung zu mobilen Anwen­dungen im Ernäh­rungs­sektor befindet sich in den Anfängen, doch die The­matik neuer Tech­no­logien wird in Zukunft weiter an Wich­tigkeit gewinnen (Laura Den­nison et al., 2013). Diätolog/​innen werden dadurch nicht ersetzt werden, da die diä­to­lo­gische Expertise für die indi­vi­duelle Betreuung not­wendig ist. Sie können die Patient/​innen jedoch auf neue Art und Weise aktiv in den diä­to­lo­gi­schen Prozess ein­binden. Wichtig ist ange­sichts der Vielzahl von Ernäh­rungsapps am Markt zu wissen, welche Apps für die Ernäh­rungs­be­ratung sinnvoll sind und wo die Grenzen der Tech­no­logien liegen (Boyce, 2014).

Zielsetzung, Methodik & Zielgruppen

Es exis­tiert eine große Anzahl an Appli­ka­tionen zur Doku­men­tation des Ernäh­rungs­ver­haltens. Nicht alle sind als seriös zu bewerten und bringen einen Nutzen (Boyce, 2014). Ziel der Bache­lor­arbeit ist es, eine Über­sicht über aus­ge­wählte Apps zu geben und her­aus­zu­ar­beiten, welche sinn­vollen Mög­lich­keiten es beim Einsatz dieser Tools im Ernäh­rungs­be­ra­tungs­prozess gibt bzw. welche Her­aus­for­de­rungen bestehen. 

Es wurde eine sys­te­ma­tische Lite­ra­tur­re­cherche mit­hilfe der Daten­banken PubMed, Google Scholar, Google Books und der elek­tro­ni­schen Zeit­schrif­ten­bi­bliothek (EZB) der FH Gesund­heits­berufe OÖ durch­ge­führt. Wichtig für die Errei­chung des Ziels ist die Analyse der Nut­zer­gruppe für mobile Dienste. Weiters wurde eine Markt­re­cherche in Bezug auf Apps zur Doku­men­tation des Ernäh­rungs­ver­haltens durchgeführt. 

Laut einer von Google publi­zierten Nutzer/​innenanalyse ist die Haupt­ziel­gruppe für den Einsatz von mobilen Appli­ka­tionen Jugend­liche und junge Erwachsene (bis ca. 34 Jahren). Diese Alters­gruppe ist sehr an neue Tech­no­logien gewöhnt oder schon damit auf­ge­wachsen. Diese Digital Natives bzw. Early Adopters sind in einem frühen Stadium bereit, Tech­no­logien und somit auch Apps in ihren Alltag und ihr Leben zu inte­grieren. Eine weitere Gruppe, die für den Einsatz von Apps begeistert werden kann, sind die Digital Immi­grants. Hier hinein fallen vor allem die 40- bis 55-​Jährigen. Für diese Per­sonen ist aller­dings die klare Ver­mittlung eines Mehr­werts von großer Bedeutung. Auch der Sicherheits- und Daten­schutz­aspekt spielt eine wesent­liche Rolle. Die Gruppe der über 55-​Jährigen ist sehr divers zu betrachten. Bei einem Großteil handelt es sich um Digital Out­siders. Die Per­sonen, die ein Smart­phone nützen, können durchaus von dem Einsatz von Appli­ka­tionen über­zeugt sein. Die übrigen Zuge­hö­rigen dieser Alters­gruppe sollten nicht unnötig mit neuen Tech­no­logien kon­fron­tiert werden, da keine gute Com­pliance erwartet werden kann (MindTake Research GmbH, 2013).

Möglichkeiten durch Apps

Die Auswahl der Apps für diese Arbeit erfolgte anhand fest­ge­legter Kri­terien. Im Vor­der­grund der aus­ge­wählten Appli­ka­tionen steht die Erhebung und Doku­men­tation des Ernäh­rungs­ver­haltens. Die genaue Beschreibung liegt bei der Ver­fas­serin auf.

Einer der größten Vor­teile, die der Einsatz von Smart­phones mit sich bringt, ist, dass viele, vor allem junge Men­schen, die Geräte den ganzen Tag ein­ge­schaltet mit sich tragen. Dadurch können Apps jederzeit und überall genutzt werden und das Gerät ist, anders als das aus­ge­druckte Ernäh­rungs­pro­tokoll, immer dabei und kann für die Doku­men­tation ein­ge­setzt werden (Den­nison et al., 2013). Eine positive Folge davon ist, dass Patient/​innen aktiv in den eigenen Gesund­heits­prozess mit­ein­be­zogen und moti­viert werden (Boyce, 2014). Vor allem in der Ent­wicklung neuer Methoden zur direkten Berechnung von bei­spiels­weise Sprach­auf­nahmen liegen einige Mög­lich­keiten für die Zukunft (Lacson, Long, 2006). Das­selbe gilt für den Einsatz von Fotos am Smart­phone zur Doku­men­tation der Ernäh­rungs­ge­wohn­heiten. Durch die Fotos können Diätolog/​innen eine viel bessere Vor­stellung über die ver­zehrten Por­tionen erlangen (Illner et al., 2012).

Ergebnisse

Damit die Mög­lich­keiten von Appli­ka­tionen zur Unter­stützung in der Ernäh­rungs­be­ratung aus­ge­schöpft werden können, ist es wichtig, die Ziel­gruppe im Auge zu behalten. Großes Potenzial liegt hier in der Gruppe der jungen Erwach­senen. Erhe­bungen haben gezeigt, dass Apps einfach in den Alltag inte­grierbar sein müssen und nicht viel zusätz­liche Zeit in Anspruch nehmen dürfen, damit sie effi­zient genutzt werden (Den­nison et al., 2013). Die Auswahl der Apps hat gezeigt, dass es unter­schied­liche Mög­lich­keiten gibt, ange­fangen von digi­taler Doku­men­tation über Barcode Scan bis hin zur Foto- und Ton­auf­nahme. Das große Potenzial liegt in Zukunft im Einsatz von Smart­phones und Fotos in Kom­bi­nation mit der Ernäh­rungs­be­ratung. Die Schätzung der Por­ti­ons­größen kann damit deutlich ver­ein­facht werden. Aktuell muss aller­dings beachtet werden, dass es tech­nisch nur begrenzt möglich ist, die Por­ti­ons­größen mit einer hohen Genau­igkeit zu schätzen. Dies unter­streicht die Wich­tigkeit der Koope­ration von Diätolog/​innen mit den Patient/​innen (Martin et al., 2014). Over- und Under­re­porting können zwar auch durch diese Form der Doku­men­tation nicht ver­hindert werden, denn Patient/​innen können natürlich immer Speisen kon­su­mieren, die sie nicht foto­gra­fieren. Dieses Problem hat man aber bei allen Methoden und es liegt im Ermessen der Patient/​innen, wie sehr sie sich auf die Methode ein­lassen. Posi­tiver Neben­effekt ist, dass die Nutzer/​innen aktiv in ihren eigenen Gesund­heits­prozess mit ein­be­zogen werden (Boyce, 2014; Hel­ander et al., 2014).

Neben der Per­spektive, dass Appli­ka­tionen die Diätolog/​innen im Bera­tungs­prozess unter­stützen und eine Ergänzung durch Apps in einer the­ra­peu­ti­schen Maß­nahme statt­findet, drängt sich die Frage auf, ob die Gefahr besteht, dass die Tech­no­logien die Fach­kräfte ersetzen können oder werden und Anwender/​innen lediglich die mobile Anwendung ver­wenden und auf den per­sön­lichen Kontakt mit Fach­kräften ver­zichten, da sie selbst die Kon­trolle über ihre Gesundheit über­nehmen – Stichwort Self-​Tracking. In der 2013 durch­ge­führten Health Care & Share Studie, bei der 229 Per­sonen befragt wurden, zeigte sich, dass sich 51% der Befragten den Ersatz von Ärztinnen/​Ärzten, Fitness- und Ernährungsexpert/​innen nicht vor­stellen können. Nur 2% glauben an ein Ver­schwinden der Expert/​innen. Den Proband/​innen ist es gerade bei Medizin- und Gesund­heits­fragen ein Anliegen, dass sie von Expert/​innen betreut werden (Bücklein et al., 2013). Viel­leicht ändert sich in Zukunft die Rolle der Fach­kräfte. Diätolog/​innen müssen offen dafür sein, neue Mög­lich­keiten in der Ernäh­rungs­be­ratung aus­zu­pro­bieren und sich selbst mit den mobilen Anwen­dungen aus­ein­an­der­zu­setzen, dazu zählt auch die Mög­lichkeit, unab­hängig von einem Büro mit den Patient/​innen zu kom­mu­ni­zieren. Die alleinige Doku­men­tation der Lebens­mittel bringt vielen Nutzer/​innen keinen Vorteil, da ihnen wichtige Infor­ma­tionen zur rich­tigen Inter­pre­tation ihres Ess­ver­haltens fehlen (Boyce, 2014).

Ausblick


Zusam­men­fassend kann fest­ge­halten werden, dass der Markt an Appli­ka­tionen im Ernährungs- und Gesund­heits­be­reich boomt und sich in den nächsten Jahren weiter ent­wi­ckeln wird (
Jäckel, 2011). Es ist eine Frage der Zeit, bis sich diese Anwen­dungen immer mehr durch­setzen und die Berufs­gruppe der Diätolog/​innen damit kon­fron­tiert wird. Beachtet man die in dieser Arbeit dis­ku­tierten Fak­toren wie Ziel­gruppe, Art der Appli­kation, Umgang mit Daten, etc. und behält die damit ver­bun­denen Her­aus­for­de­rungen im Hin­terkopf, so kann der Einsatz von Appli­ka­tionen in Zukunft einen wert­vollen Beitrag in der Ernäh­rungs­be­ratung liefern.

 

 

Kor­re­spondenz:

FH Gesund­heits­berufe OÖ Sonja Grünzweil E‑Mail: 1210658007@stud.fhgooe.ac.at

 

Lite­ratur (Auszug /​ gesamte Liste bei der Verfasserin):


Boyce, B. (2014): „Nut­rition Apps: Oppor­tu­nities to Guide Patients and Grow Your Career“. In:Journal of the Academy of Nut­rition and Die­tetics.
114 (1), S. 13–15.

Bücklein, C.; Luft, T.; Petzl, D.; Weber, U.; Eich­steller, H. (Hrsg.) (2013): „Die Gesundheit selbst in die Hand nehmen. Schafft das Smart­phone einen Ersatz für Ärzte, Fitness- und Ernäh­rungs­experten? Gesund­heitsapps im Check!“. In: Health Care & Share Studie 2013., S. 44–50.

Euro­päische Kom­mission (2014): „Mobile Gesund­heits­ver­sorgung: Potenzial der Mobile-​Health-​Dienste soll erschlossen werden“

Illner, A. K.; Freisling, H.; Boeing, H.; Huy­b­rechts, I.; Crispim, S. P.; Slimani N. (2012): „Review and eva­luation of inno­vative tech­no­logies for mea­suring diet in nut­ri­tional epi­de­miology“. In: Inter­na­tional Journal of Epi­de­miology. 41 (4), S. 1187–1203.

Jäckel, M. (2011): „Good news? Sze­narien zur Nutzung von Apps im Ernäh­rungs­be­reich“. In: Ernäh­rungs Umschau (10/​11), S. 548–555.

Kramer, U, Dr. (2014): „Trans­parenz und Daten­schutz noch „man­gelhaft““. mobile.health – Health-​Apps, Tele­me­dizin, ePa­tient. (01/​14), Auflage 2014, S. 28–30.

Stumbo, P. J. (2013): „New tech­nology in dietary assessment: a review of digital methods in improving food record accuracy“. In: Pro­cee­dings of the Nut­rition Society. 72 (01), S. 70–76.