Richtig essen von Anfang an: Ernährungsempfehlungen für ein- bis dreijährige Kinder

Dezember 2014

Im Rahmen des Programms „Richtig essen von Anfang an!“ wurde ein wissenschaftsbasierter Entwurf für Ernährungsempfehlungen für ein- bis dreijährige Kinder erstellt, als Maßnahme des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) finanziert durch Mittel der Bundesgesundheitsagentur. Der Entwurf wurde einem breiten Konsultationsprozess unterworfen. Die vorliegende Empfehlung wurde von der Nationalen Ernährungskommission am 9. September 2014 verabschiedet.

Fröschl N, Bruckmüller MU, Dieminger B, Kiefer I, Zwiauer K, Bürger B, Meidlinger B, Seper K, Wolf A, Wüst N, Lehner P, Sgarabottolo V, Maringer B, Pollak A, Widhalm K*

Einleitung und Hintergrund

Ziel der Erarbeitung und Implementierung von Ernährungsempfehlungen für ein- bis dreijährige Kinder ist die Förderung der Gesundheit, da sich ein gesunder Start ins Leben positiv bis ins Erwachsenenalter auswirkt.

Akkordierte nationale Ernährungsempfehlungen leisten einen Beitrag für eine klare und strukturierte Ernährungskommunikation. Kleinkinder brauchen auf ihre besonderen Bedürfnisse zugeschnittene Empfehlungen. Die Zeit zwischen dem zweiten und fünften Lebensjahr und der Grad der Änderungen der Ernährung richten sich flexibel nach der Entwicklungsstufe. Die Entwicklungsprozesse (u. a. die motorischen Fähigkeiten) sind von Kind zu Kind unterschiedlich und verlaufen mit hoher individueller Variabilität.

Wissenschaftliche Hintergrundinformationen zu den Empfehlungen sind im Basisliteraturbericht zur Ernährung von ein- bis dreijährigen Kindern zusammengefasst, welcher auf der Programmhomepage www.richtigessenvonanfangan.at als Download zur Verfügung steht.

Präambel

Die Ernährung jenseits des Säuglingsalters (nach Ende des ersten Lebensjahres) ist dadurch gekennzeichnet, dass das Kleinkind sich langsam, aber kontinuierlich an die Ernährungsgewohnheiten der Familie anpasst. Diese Periode ist jene Phase, in der Ernährungsgewohnheiten und gesundes Verhalten maßgeblich geprägt werden. Das Wachstum im zweiten und dritten Lebensjahr verlangsamt sich deutlich, die motorischen Aktivitäten nehmen zu, der Appetit nimmt ab.

Im ersten Lebensjahr verdreifacht sich etwa das Geburtsgewicht. Bis zum Ende des zweiten Lebensjahres kommt es ungefähr zu einer Vervierfachung des Geburtsgewichtes, was eine deutliche Verlangsamung des Wachstums bedeutet. Die Ernährungsgewohnheiten des Kindes sind oft sprunghaft wechselnd, Kinder bevorzugen oft eine bestimmte Speise für eine bestimmte Zeit und lehnen andere Speisen oder Lebensmittel ab. Die Aufgabe der Eltern bzw. der Bezugspersonen besteht darin, in dieser Phase ein gesundes Ernährungsverhalten zu fördern, das heißt, Lebensmittel und Speisen anzubieten, die für die Entwicklung in dieser Lebensphase besonders gut geeignet sind und dem Verlangen des Kindes nach bestimmten Lebensmitteln, die wenig zur gesunden Entwicklung beitragen, nicht nachzukommen (wie z. B. frittierte Speisen wie Pommes Frites oder Süßigkeiten etc.).

Die Ernährung von Kleinkindern ist eine Herausforderung, es gibt keinen „einzig richtigen“ Weg. Adäquate Kenntnisse, Engagement und Geduld sind notwendig, um durch diese Phase „durchzugehen“; die Schaffung von gesunden Lebensbedingungen und die Heranbildung einer vernünftigen Eltern-Kind-Beziehung sind besonders wichtig.

Entwicklung des Kindes/Essen lernen

Die Nahrungsmittelauswahl muss an die Bedürfnisse des Kindes angepasst sein und die Zubereitung soll der individuellen Entwicklung des Kindes (motorische Fähigkeiten, Essfertigkeiten) entsprechen. Eltern und Bezugspersonen fördern und unterstützen selbständiges Essen und geben dem Kind ausreichend Zeit und Ruhe beim Essen und Trinken.

Die Mahlzeitenfrequenz richtet sich nach dem natürlichen Hunger- und Sättigungsgefühl des Kindes und folgt idealerweise einem regelmäßigen Rhythmus (Frühstück, Mittag- und Abendessen sowie ein bis zwei Zwischenmahlzeiten pro Tag).

Konkrete Handlungsempfehlungen

Kleinkinder können mit einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung, unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Verzehrsmengen der einzelnen Lebensmittelgruppen, den Energiebedarf sowie den Bedarf aller Nährstoffe decken und sicherstellen.

Lebensmittelvielfalt. Kinder sollen aus einer möglichst großen Vielfalt an gesundheitsförderlichen und nährstoffreichen Lebensmitteln selber wählen können. Eine ausgewogene Ernährung besteht aus einer abwechslungsreichen Lebensmittelauswahl von Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten, Vollkorngetreide sowie Milchprodukten, Fisch, Geflügel und magerem Fleisch. Eine Vielfalt an Lebensmitteln ist auch für die Einführung neuer Geschmacksrichtungen wichtig. Wenn neu in den Speiseplan eingeführte Lebensmittel immer wieder angeboten werden, fördert das deren Akzeptanz. Auch gemeinsames Zubereiten und Anrichten kann sich positiv auf die Akzeptanz der Lebensmittel auswirken und fördert die Kreativität sowie die motorischen Fähigkeiten des Kindes. Zudem können Lebensmittel mit unterschiedlicher Textur gegeben werden. Auf starkes Würzen am besten verzichten, mit Salz oder süßenden Stoffen (Zucker, Fruchtzucker, Traubenzucker, Honig, Süßstoffe etc.) sparsam umgehen.

Portionsgröße. Kleinkinder brauchen dem Alter entsprechende Portionsgrößen. Die Speisen können, wenn möglich, auch von Kindern selbst portioniert werden. Wie viel ein Kind isst, soll vom Kind selbst entschieden werden. Die Übersichtstabelle im Anhang gibt einen umfassenden Überblick über die Lebensmittelgruppen sowie ausgewählte Nahrungsmittel und die empfohlene Aufnahme für ein- bis dreijährige Kinder.

Getränke

Kleinkinder sollen täglich 6 – 7 Portionen Flüssigkeit aufnehmen, bevorzugt in Form von Trinkwasser. Mit dem Übergang von der Muttermilch zur Familienkost braucht das Kleinkind regelmäßig zusätzliche Flüssigkeit. Ideal sind zuckerfreie bzw. ungesüßte Getränke. Fruchtsäfte sind eine mögliche Alternative, wenn sie selten und in verdünnter Form (3 Teile Wasser, 1 Teil Saft) getrunken werden. Andere zuckerhaltige Getränke (z. B. Limonaden, Fruchtnektar, verdünnte Sirupe) sind ebenso wie Getränke mit künstlichen Süßstoffen und koffeinhaltige Getränke für Kleinkinder generell ungeeignet. Ein hoher Konsum zuckerhaltiger Getränke bei Kindern erhöht das Risiko für Adipositas. Diese Getränke sollten zugunsten von Trinkwasser vermieden werden.

Die benötigte Flüssigkeitsmenge hängt von den Lebensumständen (z. B. Außentemperatur, körperliche Bewegung) ab und soll an die Bedürfnisse des Kleinkindes angepasst sein. Die Getränke sollen den Kindern in geeigneten Gefäßen (z. B. Bechern, Tassen, Gläsern) angeboten werden. Ein Dauernuckeln von zuckerhaltigen Getränken aus „Nuckelflaschen“ kann zu Karies führen und soll daher vermieden werden.

Gemüse, Hülsenfrüchte und Obst

Kleinkinder sollen täglich reichlich Gemüse, Hülsenfrüchte und Obst essen. Ideal sind 3 Portionen Gemüse und/oder Hülsenfrüchte und 2 Portionen Obst. Obst oder Gemüse soll Bestandteil jeder Mahlzeit sein. Eine Portion für Kleinkinder entspricht durchschnittlich (als Maß dient die Kinderhand):

  • 50 g Obst (1 Handvoll Obst/2 Handvoll bei klein geschnittenem Obst oder Beeren)
  • 90 g gegartes Gemüse (2 Handvoll)
  • 50 g Rohkost (1 Handvoll Rohkost/2 Handvoll bei klein geschnittener Rohkost)
  • 30 g Salat (2 Handvoll)
  • 60 g gekochte Hülsenfrüchte (2 Handvoll)

Gemüse kann auch roh verzehrt werden. Bei der Auswahl von Obst und Gemüse ist eine Beachtung des saisonalen und regionalen Angebots sinnvoll.

Getreide und Erdäpfel

Kleinkinder sollen täglich 5 Portionen aus der Lebensmittelgruppe „Getreide und Erdäpfel“ essen. Eine Portion für Kleinkinder entspricht durchschnittlich (als Maß dient die Kinderhand):

  • 30 g Brot/Gebäck (1 – 1 ½ Handflächen)
  • 30 g Müsli/Getreideflocken (2 Handvoll)
  • 120 g gekochte Teigwaren (3 Fäuste) (40 g rohe Teigwaren)
  • 90 g gekochter Reis, gekochtes Getreide (2 Fäuste) (30 g roher Reis, rohes Getreide)
  • 120 g gegarte Erdäpfel (2 Fäuste)

Eine vielfältige Auswahl an kohlenhydratreichen Lebensmitteln trägt zur Nährstoffversorgung bei und fördert die Geschmacksbildung. Vollkornprodukte sind reich an Ballaststoffen und enthalten wichtige Mikronährstoffe. Aus diesem Grund sind sie gerade auch für die Ernährung der Kleinkinder wichtig und sollen bevorzugt gewählt werden.

Milch und Milchprodukte

Kleinkinder sollen täglich 3 Portionen Milch und Milchprodukte aufnehmen. Eine Portion für Kleinkinder entspricht durchschnittlich:

  • 125 ml Milch/Buttermilch (½ Glas)
  • 100 g Joghurt (½ Becher)
  • 50 g Topfen/Hüttenkäse/Streichkäse (1 Kinderfaust)
  • 20 g Käse (1 Scheibe)

Am besten sind 2 Portionen „weiß“ (z. B. Milch, Joghurt, Buttermilch, Hüttenkäse) bevorzugt ungesüßt und 1 Portion „gelb“ (Käse). Die Verwendung fettarmer Milch und Milchprodukte ist erst ab dem dritten Lebensjahr passend. Rohmilch und Rohmilchkäse sind für Kinder unter fünf Jahren nicht geeignet.

Fisch, Fleisch, Wurst und Eier

Fisch. Pro Woche sollen 1 – 2 Portionen Fisch am Kinderspeiseplan stehen, bevorzugt 1 Portion heimische Fischarten wie Saibling oder Forelle und 1 Portion fettreiche Meeresfische wie Lachs, Hering oder Makrele. Eine Portion für Kleinkinder entspricht durchschnittlich 50 g (ca. 1 Kinderhandfläche). Auf eine sorgfältige Entfernung der Gräten muss besonders geachtet werden (Erstickungsgefahr!).

Im Sinn der Nachhaltigkeit soll beim Einkauf von Meeresfisch das MSC bzw. das ASC Gütesiegel sowie einschlägige Empfehlungen von Umweltorganisationen berücksichtigt werden. Wird auf Meeresfisch verzichtet, soll mind. 1 Teelöffel Rapsöl pro Tag konsumiert werden. Roher Fisch (z. B. Sushi, Räucherlachs) ist für Kinder unter fünf Jahren nicht geeignet.

Fleisch. Pro Woche können bis zu 3 Portionen Fleisch (inklusive Wurst, Schinken etc.) am Kinderspeiseplan stehen. Eine Portion für Kleinkinder entspricht durchschnittlich 50 g (ca. 1 Kinderhandfläche). Mageres Fleisch und eine salz- und fettarme Zubereitung sind ideal. Besonders bei verarbeitetem Fleisch und bei Wurst ist auf den Salz- und Fettgehalt zu achten, diese sollen grundsätzlich so sparsam wie möglich verwendet werden.

Rohes Fleisch bzw. rohe Fleischwaren (z. B. Faschiertes, Salami, Landjäger, Kantwurst, Mettwurst, Rohschinken, Selchfleisch, Schinkenspeck) sind für Kinder unter fünf Jahren nicht geeignet.

Eier. 1 – 2 Eier pro Woche sind für Kleinkinder angemessen. Auch verarbeitete Eier in Teigwaren, Backwaren und Speisen sind zu berücksichtigen. Speisen mit nicht durchgegarten Eiern (z. B. weiches Ei, Spiegelei, Tiramisu) sind für Kinder unter fünf Jahren nicht geeignet.

Fette und Öle

Ein täglicher Verzehr von bis zu 25 g pflanzlicher Öle und fein geriebener Nüsse (verarbeitet in Speisen) (insgesamt 5 Teelöffel) ist für Kleinkinder geeignet, davon 3 Teelöffel (14 g) in Form von pflanzlichen Ölen. Besonders bei dieser Lebensmittelgruppe gilt Qualität vor Menge. Als hochwertiges pflanzliches Öl zählt vor allem Rapsöl, aber auch Oliven-, Walnuss-, Soja-, Lein-, Sesam- und Traubenkernöl. Diese Öle sowie Nüsse und Samen enthalten wertvolle Fettsäuren. Zum Braten und Kochen ist vor allem Rapsöl geeignet.

Streich-, Back- und Bratfette (z. B. Butter, Margarine, Schmalz) sowie fettreiche Milchprodukte wie beispielsweise Schlagobers, Sauerrahm, Crème Fraîche sollen nur sparsam verwendet werden.

Fettes, Süßes und Salziges

Fett-, zucker- und salzreiche Lebensmittel (z. B. Süßigkeiten, Mehlspeisen, Knabbereien) und zuckerhaltige Getränke (z. B. Limonaden) sollen nur selten (am besten nicht täglich) und dann max. 1 kleine Portion konsumiert werden.

Hygienetipps

  • Auf Sauberkeit bei der Zubereitung achten
  • Verwendung von Trinkwasser und hygienisch einwandfreien Nahrungsmitteln
  • Durchkochen von „Risikolebensmitteln“ (z. B. Fleisch, Geflügel, Fisch, Ei)
  • Trennung roher und gekochter Lebensmittel bei Lagerung und Zubereitung
  • Lagern bei sicheren Temperaturen
  • Vor dem Kochen und Essen Hände gründlich waschen (Bezugsperson und Kind)
  • Küchenutensilien sowie Geschirr und Besteck mit heißem Wasser und Spülmittel (oder im Geschirrspüler) abwaschen sowie Arbeitsflächen und Spülbecken gründlich reinigen

* Korrespondenz: Univ.-Prof. Dr. Kurt Widhalm, Österreichisches Akademisches Institut für Ernährungsmedizin, Alser Straße 14/4a, 1090 Wien, E-Mail kwidhalm@gmx.at

Das Programm „Richtig essen von Anfang an!“ dankt allen KonsultationsteilnehmerInnen sowie dem deutschen Netzwerk und den Mitgliedern des wissenschaftlichen Beirats „Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie“ für die gute Kooperation, den wissenschaftlichen Austausch und die Konsultationsbeiträge.

Die Erstellung dieser Empfehlung wurde im Rahmen der österreichweiten Vorsorgestrategie Ernährung aus Mitteln der Bundesgesundheitsagentur finanziert und in der vorliegenden Form von der Nationalen Ernährungskommission in der Plenumssitzung vom 9. September 2014 verabschiedet.