Anamnese
Frau O., 31 Jahre alt, leidet seit ihrer Pubertät an Verdauungsproblemen. Bauchschmerzen und Durchfälle gehörten zum Alltag, wenngleich auf die Ernährung nie sonderlich geachtet wurde. Zu Schul- und Studienzeiten ernährte sich die junge Frau großteils von Brotmahlzeiten, Pizza und Fertigprodukten. Heißhungerattacken auf Süßes konnten durch ganze Tafeln Schokolade gestillt werden. Die Flüssigkeitszufuhr bestand aus Fruchtsäften und Kaffee.
In der psychosozialen Anamnese zeigt sich eine Konfliktsituation in der Kindheit. Die Eltern haben sich nach mehrfachen Versuchen endgültig getrennt, als sie 15 Jahre alt war. Sie hat sich ein Leben lang gewünscht, nicht zu dieser Familie gehören zu müssen. Nach langjähriger Psychotherapie hat sich die junge Frau mit ihrer Mutter „versöhnt“, zum Vater besteht seit Jahren kein Kontakt mehr. Sie lebt in einer Partnerschaft und ist Mutter eines Kindes.
Bereits vorhandene Befunde
- Laktoseintoleranz-Test: nach Zufuhr von 25 g Laktose Anstieg der Wasserstoffgaskonzentration in der Atemluft auf 45 ppm, starke Bauchschmerzen und Durchfall. Der Befund spricht für eine Laktoseintoleranz.
- Fruktoseintoleranz-Test: nach Zufuhr von 25 g Fructose kein signifikanter Anstieg der Wasserstoffgaskonzentration, leichte Blähungen.
- Screening auf Nahrungsmittelallergene: positiv Klasse 1 auf Hühnereigelb, Kuhmilch, Karotte, Klasse 2 auf Weizenmehl, Haselnuss.
- Gesamt IgE: mit 118 U/ml leicht erhöht.
- DAO im Serum: 12 U/ml, kein sicherer Hinweis auf eine Histamin-Unverträglichkeit.
Im Rahmen einer internistischen Begutachtung war eine Sonografie der Oberbauchorgane und Nieren erfolgt, Gastro- und Koloskopie waren nicht durchgeführt worden. Eine komplette Abklärung war nicht erfolgt, der Befund des Internisten enthielt jedoch die Diagnose „Reizdarmsyndrom“.
Die Empfehlung des Allergiezentrums aufgrund dieses Befundes vor 9 Monaten: Umstellung auf laktosefreie Produkte. Die Reaktionen im Pricktest wurden als nicht sehr aussagekräftig bezeichnet. Da die Patientin bezüglich der vermuteten, jedoch nicht nachgewiesenen Fruktoseintoleranz verunsichert war, mied sie den Konsum von Obst und Gemüse, zumal ihr das nicht schwer fiel. Das Frühstück bestand weiterhin wegen Mangels an Alternativen aus Gebäck oder Kuchen, mittags verspeiste sie meist ein Vollkorn-Nudelgericht, nachmittags ein laktosefreies Joghurt und abends eine kalte Jause. In diesen Monaten stellten sich die Durchfälle komplett ein. Stattdessen quälte sie nun plötzlich eine Verstopfungsneigung, starke Blähungen und weiterhin Bauchkrämpfe, meist unabhängig von den Mahlzeiten. Zudem ist die junge Frau seit Jahren energielos und müde trotz ausreichendem Schlaf.
Eigene Abklärung & Lösung
- Die ergänzende Abklärung der Gluten Sensitivität (Ltt Gluten, Anti Gliadin AK, Transglutaminase AK, Endomysiale AK) ergab einen negativen Befund.
- Über den Stuhl wurden ein Florastatus, mykologischer Status, Zonulin, Histamin und die Spaltungsaktivität von Fruktose und Sorbit bestimmt. Es zeigte sich eine Minderbesiedelung durch Lactobacillen (<104 KBE/g Stuhl) sowie erhöhtes Histamin von 632 ng/ml im Stuhl.
Zur Ausarbeitung von Ernährungsempfehlungen für die Patientin wurden die für eine derartige Problematik geltenden ernährungstherapeutische Prinzipien unter Berücksichtigung von Aspekten der TCM herangezogen: Weizenfreie Grundernährung; täglich Gemüse in gekochter Form und wenig bis keine Rohkost; histaminarme Kost; starke Einschränkung der abendlichen, kalten Brotmahlzeiten; nur geringe Mengen laktosefreier Schaf- und Ziegenmilchprodukte; Ersetzen der Fruchtsäfte durch Wasser und ungesüßte Tees; Nahrungsmittel wie Fisch, die zur Lösung von Darmblockaden beitragen; mild-scharfe Gewürze zur Unterstützung der Verdauungsleistung; gekochtes Obst mit Gewürzen zur Befeuchtung und Entspannung des Darms.
Ernährungsempfehlungen für die Patientin
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Bereits nach den wenigen Tagen der Kostumstellung stellte die Patientin fest, dass sich die veränderte Ernährungsweise positiv auf ihren Allgemeinzustand und die Beschwerden auswirkte. Nach 3-monatiger Umstellung der Essgewohnheiten mit Reduktion histaminhältiger Nahrungsmittel und ergänzender Gabe von Probiotika konnte die Lebensqualität der Patientin entscheidend verbessert werden.
Diskussion und Ausblick
Für einen langfristigen Erfolg ist entscheidend, dass die Patientin der Nahrungsaufnahme mehr Aufmerksamkeit schenkt und selbst lernt eine Sensibilität zu entwickeln, welche Nahrungsmittel ihr gut tun und welche rasch wieder Beschwerden hervorrufen. Unterstützende psychotherapeutische Maßnahmen zeigen bei chronischen Magen-Darmerkrankungen häufig positive Wirkung und wurden der Patientin ebenfalls nahegelegt. Bei wiederkehrenden Episoden von Verdauungsstörungen ist eine Gastro- und Koloskopie zum Ausschluss einer entzündlichen Darmerkrankung unumgänglich.
Dr. Alexandra Knauer, Wien; in Zusammenarbeit mit Mag. Judith Kraus-Bochno und Dr. Kerstin Fink
Wiener Schule für Traditionelle Chinesische Medizin: www.wstcm.at
Spezialtipp: Der nächste Kurs für TCM-Ernährung startet im November