Einfluss der Ernährung auf die Entstehung einer Divertikulitis

August 2014

Eine retrospektive Erhebung der Ernährungsweise vor einer Divertikulitis bei KrankenhauspatientInnen

Maria Baumgartner, Daniela Wewerka-Kreimel, Jutta Möseneder, Gabriele Karner

Die Divertikulitis stellt besonders in westlichen Industrieländern ein großes klinisches Problem dar, wobei die Häufigkeit mit steigendem Alter zunimmt. Die Prävalenz für Divertikel bei jüngeren, 30- bis 40-jährigen Personen liegt bei etwa 5%, bei über 80-jährigen Personen etwa um 60% (Peppas et al., 2007). Es wird geschätzt, dass eine Divertikulitis bei 10 bis 25% der PatientInnen mit Divertikulose auftritt (Horner, 1958 zit. nach Korzenik, 2006). Drei Hauptfaktoren spielen bei der Entstehung der Divertikulose und Divertikulitis eine Rolle: Motilitätsstörungen, Veränderungen der Kolonwand und Ernährungsgewohnheiten (Hoffmann & Kruis, 2005).

In der Praxis gibt es sehr viele verschiedene und teilweise widersprüchliche Empfehlungen für die Ernährung zur Prävention einer Divertikulitis und nach einer Divertikulitis zur Verhinderung einer weiteren Entzündungsepisode. Laut den Beratungsunterlagen in Krankenhäusern in Niederösterreich und Oberösterreich wird z.B. der Verzehr von Weintrauben, Himbeeren, Kiwis, Nüssen, Kernen, Mais oder auch Popcorn als ungeeignet angesehen (Weigel, 2010). Es wird gemutmaßt, dass diese Lebensmittel die Mukosa aufscheuern oder in kleinen Divertikeln hängen bleiben und zur Divertikulitis führen könnten (Strate, Liu, Syngal, Aldoori, & Giovannucci, 2008). Ob es ausreichend Evidenz für die genannten Empfehlungen gibt, sollte geklärt werden, da diese Lebensmittel oder Lebensmittelbestandteile generell ein wichtiger Teil einer gesunden Ernährung sind.

Die Fragestellung der vorliegenden Studien im Rahmen einer Bachelorarbeit lautete, ob Divertikulitis-PatientInnen Körner oder Samen in den letzten vier Wochen vor der Entzündung gemieden haben und wie hoch die durchschnittliche Flüssigkeitsaufnahme und die Zufuhr an ballaststoffreichen und -armen Lebensmitteln war. Das schlussendliche Ziel im Anschluss an diese Arbeit sollte es aber sein, fundierte Ernährungsempfehlungen für die Primär- und Sekundärprävention der Divertikulitis zu entwickeln, damit diese in Beratungen auch an die betroffenen PatientInnen kommuniziert werden können.

Studiendesign und Methodik

Zu diesem Zweck wurde eine retrospektive Querschnittstudie in elf Krankenhäusern in Österreich durchgeführt, wobei sich der Erhebungszeitraum vom 11. März bis 26.April 2013 erstreckte. Es erfolgte eine Befragung von Divertikulitis-PatientInnen, wobei hier die Einteilung der PatientInnen in die Gruppe mit akuter oder rezidivierender Divertikulitis vorgenommen wurde. Inhalte des, eigens für die Befragung erstellten, Fragebogens waren soziodemographische und anthropometrische Parameter sowie detaillierte Fragen hinsichtlich Ernährungsweise (mittels eines semiquantitativen Food Frequency Questionnaires) und Bewegungsverhalten.

Bei der Ernährungsweise wurde ein besonderes Augenmerk auf die „High-Residue“-Lebensmittel gelegt (diese sollen im Rahmen der üblichen „Low-Residue“-Diät gemieden werden, weil gemutmaßt wird, dass sie das Divertikulitis-Risiko vergrößern). Somit wurde ein Schwerpunkt auf folgende Lebensmittel gelegt: verschiedene Obstsorten (teilweise mit oder ohne Schale oder Kerne), Nüsse, Mohn, Popcorn, Tomaten (ohne Haut und Kerne), Gurken (geschält und ohne Kerne), Leinsamen oder Sesam (im Ganzen oder geschrotet). Die Verzehrs-Häufigkeit wurde mithilfe folgender Antwortkategorien erfragt: „Dreimal im Monat oder seltener“, „einmal pro Woche“, „mehrmals pro Woche“, „einmal täglich“, „mehrmals täglich“. Außerdem wurden ballaststoffarme und -reiche Lebensmittel in die Befragung inkludiert, um eine Aussage über die Zufuhr an diesen Lebensmitteln in der PatientInnen-Gruppe treffen zu können. Zusätzlich wurde die durchschnittliche, tägliche Flüssigkeitszufuhr in den letzten vier Wochen vor der akuten Entzündung erhoben.

Ergebnisse

Aus dem hermeneutischen Teil der Bachelorarbeit geht hervor, dass die Ernährung eine wichtige Rolle bei der Entstehung oder dem Wiederauftreten einer Divertikulitis spielt. Für eine ballaststoffreiche Diät in der Behandlung der Divertikelkrankheit und Prävention der Divertikulitis liegt keine hohe Evidenz vor, da die meisten Empfehlungen auf der Evidenzklasse 2 und 3 basieren. Dennoch wird eine ballaststoffreiche Kost in einigen Leitlinien empfohlen. Wenn man das geringe Risiko und den theoretischen Nutzen einer ballaststoffreichen Ernährung, auch in der Prävention vieler anderer Erkrankungen, bedenkt, sollte die Empfehlung für diese ballaststoffreiche Diät oder Ballaststoffsupplemente in der Beratung einerseits von Divertikulose-PatientInnen zur Vorbeugung einer Divertikulitis und andererseits von Divertikulitis-Erkrankten zur Prävention einer neuerlichen Entzündungsepisode berücksichtigt werden (in Anlehnung an Ünlü et al., 2011). Auch weitere Merkmale einer gesunden Ernährung wie eine reduzierte Zufuhr an rotem Fleisch und Fett, eine gesteigerte Zufuhr von Gemüse und eine vegetarische Kost führen zu einem verringerten Auftreten einer Divertikelkrankheit und Divertikulitis.

Um eine erstmalige Entzündung oder eine weitere Divertikulitis-Erkrankung zu vermeiden, könnten viele PatientInnen durch die Empfehlung zur „Low-Residue“-Diät unnötig stark in ihrer Lebensmittelauswahl eingeschränkt werden. Eine große, prospektive Kohorten-Studie mit 47.228 männlichen Teilnehmern beschäftigte sich mit der Frage, ob es eine Verbindung zwischen dem Konsum von Nüssen, Mais und Popcorn und dem Auftreten von Divertikulitis und Divertikelblutung gibt. Dabei konnte festgestellt werden, dass der Verzehr von Nüssen, Mais und Popcorn nicht zu einem höheren Auftreten einer Divertikulitis führt, sondern dass Nüsse und Popcorn sogar das Divertikulitis-Risiko reduzieren (Strate et al., 2008).

Die statistische Auswertung der vorliegenden Bachelorarbeit hat gezeigt, dass der Großteil der ProbandInnen der Stichprobe (n=55) die Lebensmittel, die in der „Low-Residue“-Diät gemieden werden, selten gegessen haben (Antwortkategorie: 3 Mal im Monat oder seltener). PatientInnen mit rezidivierender Divertikulitis haben signifikant weniger Gurken gegessen als PatientInnen mit akuter Divertikulitis (p=0,002). Der Grund dafür könnte sein, dass sie Gurken gemieden haben um ein Rezidiv der Erkrankung zu verhindern.

Außerdem hat sich in der vorliegenden Arbeit gezeigt, dass die Divertikulitis-PatientInnen unter 65 Jahren (n=34) durchschnittlich 1,5 l pro Tag getrunken haben und somit im Vergleich zur altersentsprechenden durchschnittlichen österreichischen Bevölkerung laut Österreichischem Ernährungsbericht 2012 (Durchschnittlich 1,75 l pro Tag) weniger Flüssigkeit aufgenommen habe. Die gesamte Stichprobe (n=55) weist eine ähnliche Datenlage auf (siehe Tabelle 1). Damit könnte eine geringe Flüssigkeitszufuhr einen eigenen Risikofaktor für die Divertikulitis darstellen.

Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) und der Kampagne „5 a day“ werden 5 Portionen Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte pro Tag empfohlen, wobei 3 Portionen davon aus Gemüse oder Hülsenfrüchten bestehen sollten (DGE, 2001). In der vorliegenden Studie erreichten nur 8 ProbandInnen (14,5%) die Empfehlung, mehrere Portionen Gemüse oder Salat pro Tag zu essen. Auch der Verzehr von Hülsenfrüchten lag unter den Richtlinien der DGE, da 63,6% (n=35) der ProbandInnen diese Nahrungsmittelgruppe lediglich 3 Mal im Monat oder seltener konsumiert haben. Neben der Aufnahme von Gemüse, Hülsenfrüchten und Obst hat auch die Auswahl der richtigen Brot- und Gebäcksorte einen wesentlichen Einfluss auf die Höhe der Ballaststoffzufuhr (DGE, 2010). Als bevorzugte Brotsorte für den täglichen Verzehr stellte sich im Zuge dieser Befragung das Mischbrot/Graubrot heraus (mehrmals täglich 21,8%; einmal täglich 23,6%). Dagegen gab die Mehrheit der TeilnehmerInnen an, fein vermahlenes Vollkornbrot (61,5%) bzw. grobes Vollkornbrot, Vollkorngebäck oder Pumpernickel (55,6%) nur dreimal im Monat oder seltener gegessen zu haben.

Conclusio

  • Für die Primär- und Sekundärprävention der Divertikulitis ergibt sich die Schlussfolgerung, dass in der Ernährungsberatung keine Evidenz für das Meiden von Körnern, Nüssen, Samen, etc. besteht. Es sollte ein besonderes Augenmerk auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr und Ballaststoffaufnahme gelegt werden.
  • Neben der Empfehlung zu einer gesunden, ballaststoffreichen Ernährung sollte auch eine Modifikation des Lebensstils in der Beratung Platz finden. Hier gibt es eine zufriedenstellende Studienlage, die negative Einflüsse von Übergewicht, Adipositas, Rauchen und Alkoholismus und einen positiven Effekt von körperlicher Bewegung auf das Divertikulitis-Risiko zeigen.
  • Weiterführende Studien sind jedoch notwendig, um eine Aussage über den Einfluss der weiteren „High-Residue“-Lebensmittel treffen zu können und um evidenzbasierte Empfehlungen für die ernährungsmedizinische Beratung von Divertikulitis-PatientInnen entwickeln zu können.

FH-Prof. Daniela Wewerka-Kreimel, MBA; Maria Baumgartner, BSc; FH St. Pölten GmbH, Matthias-Corvinus-Straße 15, 3100 St. Pölten

Korrespondenz:

Maria Baumgartner, BSc, Etzersdorf 90, 3141 Kapelln, maria.baumgartner@posteo.de

Literatur:

„5 am Tag“-Kampagne: Wissenschaftliche Begründung | Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (2001, Juli 1). Abgerufen 9. Mai 2013, von www.dge.de/modules.php

Ferry, M. (2005). Strategies for Ensuring Good Hydration in the Elderly. Nutrition Reviews, 63(6), 22–29. doi:10.1301/nr.2005.jun.S22-S29

Hoffmann, R. M., & Kruis, W. (2005). Divertikulose und Divertikulitis. Der Internist, 46(6), 671–684. doi:10.1007/s00108-005-1403-z

Kein überflüssiger Ballast?– Wie lässt sich die Zufuhr von Ballaststoffen steigern? | Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (2010, Dezember 15). Abgerufen 9. Mai 2013, von www.dge.de/modules.php

Korzenik, J. R. (2006). Case closed?: Diverticulitis: Epidemiology and fiber. Journal of clinical gastroenterology, 40, S112–S116.

Peppas, G., Bliziotis, I. A., Oikonomaki, D. et al. (2007). Outcomes after medical and surgical treatment of diverticulitis: a systematic review of the available evidence. J Gastroenterol Hepatol., 22, 1360–8.

Strate, L. L., Liu, Y. L., Syngal, S., Aldoori, W. H., & Giovannucci, E. L. (2008). Nut, Corn, and Popcorn Consumption and the Incidence of Diverticular Disease. JAMA: The Journal of the American Medical Association, 300(8), 907–914. doi:10.1001/jama.300.8.907

Ünlü, C., Daniels, L., Vrouenraets, B. C., & Boermeester, M. A. (2011). A systematic review of high-fibre dietary therapy in diverticular disease. International Journal of Colorectal Disease, 27(4), 419–427. doi:10.1007/s00384-011-1308-3

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