Diätologische Interventionen helfen sparen

Dezember 2014

Einer detail­lierten Kosten-​Nutzen-​Analyse am Bei­spiel einer defi­nierten Pati­en­ten­gruppe in den Nie­der­landen zufolge erspart jeder Euro, der in die Beratung und Betreuung durch Diä­to­lo­ginnen und Diä­to­logen inves­tiert wird, dem Gesund­heits­system vier Euro an krank­heits­be­dingten Fol­ge­kosten wie Aus­gaben für Medi­ka­mente oder Spitalsaufenthalte.

Dass die diä­to­lo­gische Begleitung ein wich­tiger Beitrag zur Prä­vention und The­rapie ernährungs(mit)bedingter Erkran­kungen ist, wurde bereits vielfach belegt. Nun liegt auch eine detail­lierte Kosten-​Nutzen-​Analyse vor, die im Auftrag der Dutch Asso­ciation of Die­ti­tians von SEO Eco­nomic Research durch­ge­führt worden ist (Lammers & Kok 2011). In den Nie­der­landen erhalten pro Jahr ins­gesamt rund 360.000 Pati­enten eine diä­to­lo­gische Beratung. In die Unter­su­chung wurden Pati­enten mit Über­ge­wicht und Kom­or­bi­di­täten wie Dia­betes, Blut­hoch­druck und/​oder Hyper­li­pi­dämie ein­be­zogen, was einem Großteil des Kli­entels ent­spricht. Im Jahr 2010 wies mehr als die Hälfte der Pati­enten mehr als eine Dia­gnose auf, rund drei Viertel waren über­ge­wichtig, häufig  begleitet von Dia­betes, Blut­hoch­druck und erhöhten Blut­fett­werten (Tol et al 2011a).

Effekte diätologischer Interventionen

Diä­to­lo­gische Inter­ven­tionen führen zu Ver­bes­se­rungen zahl­reicher Gesund­heits­pa­ra­meter, wobei eine positive Kor­re­lation mit der Häu­figkeit der Kon­sul­ta­tionen besteht. Der in Studien nach­ge­wiesene durch­schnitt­liche Gewichts­verlust in zwölf Monaten beträgt vier bis sechs Kilo­gramm. Dabei kor­re­liert die Zahl der diä­to­lo­gi­schen Kon­sul­ta­tionen positiv mit der Gewichts­ab­nahme (Dan­siger et al. 2007; Finkler et al. 2012). Eine wei­ter­füh­rende regel­mäßige Beratung durch Diä­to­logen redu­ziert die neu­er­liche Gewichtszunahme.

Diä­to­lo­gische Inter­ven­tionen bei hyper­ten­siven Erwach­senen führen zu einer Reduktion des systo­li­schen und dia­sto­li­schen Blut­drucks (Sie­ben­hofer et al. 2011), die einen kom­bi­nierten Effekt aus Gewichts­ab­nahme und Blut­druck­re­duktion per se dar­stellt. Infol­ge­dessen können blut­druck­sen­kende Medi­ka­mente redu­ziert oder abge­setzt werden. Erhöhte Blut­fett­werte können effektiv gesenkt (Dela­hanty et al. 2001; Avenell et al. 2004 a,b) und die Not­wen­digkeit einer medi­ka­men­tösen The­rapie hin­aus­ge­schoben werden (Sikand et al. 2000). Auch erhöhte Blut­zu­cker­werte können durch diä­to­lo­gische Unter­stützung effektiv ver­ringert werden (Avenell et al. 2004 a, b; Coppell et al. 2010).

Eine Reduktion der Ener­gie­auf­nahme um 600 Kilo­ka­lorien pro Tag ver­ringert das Risiko, an Dia­betes zu erkranken, beträchtlich (Brown et al. 2009). Diä­to­lo­gische Inter­ven­tionen zur Ver­rin­gerung eines über­höhten Salz­konsums redu­zieren die Mor­ta­lität auch noch zehn Jahre danach (Cook et al. 2007). Ebenso ver­ringert eine Gewichts­re­duktion bei Dia­be­tikern die Mor­ta­lität noch zehn Jahre danach (Poobalan et al. 2007). Weiters kann die diä­to­lo­gische Beratung zu einer posi­tiven Ent­wicklung bei psy­chi­schen Para­metern bei­tragen (Wolf et al. 2004; Imayama 2011).

Unter­su­chungen belegen, dass die Effek­ti­vität einer Ernäh­rungs­be­ratung von über­ge­wich­tigen Pati­enten mit Kom­or­bi­di­täten durch Diä­to­logen größer ist als durch All­ge­mein­me­di­ziner (Dela­hanty et al. 2001; Wil­laing et al. 2004). Bei einer Befragung haben All­ge­mein­me­di­ziner ange­geben, dass sie weder über aus­rei­chend Zeit noch das erfor­der­liche spe­zi­fische Wissen ver­fügen (Nicholas et al. 2003). Bei einem Ver­gleich der diä­to­lo­gi­schen Begleitung und dem wöchent­lichen Besuch von Weight-​Watcher-​Treffen hat sich gezeigt, dass ehe­malige Brust­krebs­pa­ti­en­tinnen, die von Diä­to­logen betreut wurde, in zwölf Monaten ihr Gewicht dreimal so stark redu­zieren konnten (Jen et al. 2004). 73 Prozent been­deten die Teil­nahme an Weight-​Watcher-​Treffen nach sechs Monaten.

Gesellschaftlicher Nutzen

Die Kosten-​Nutzen-​Analyse wurde gemäß den für die Nie­der­lande ent­wi­ckelten Richt­linien durch­ge­führt (Eij­genraam et al. 2000). Nachdem in Studien bis fünf Jahre nach der Inter­vention noch Effekte auf Kör­per­ge­wicht und Blut­zu­cker­spiegel nach­ge­wiesen worden waren (Avenell et al. 2004a, b; Brown et al. 2009), wurde dieser Zeit­ho­rizont verwendet.

Die Berech­nungen wurden primär mit Daten aus der ICAN-​Studie durch­ge­führt (Wolf et al. 2004; 2007; 2009), da die Teil­nehmer einer­seits dem größten Pati­en­ten­kol­lektiv mit diä­to­lo­gi­scher Beratung in den Nie­der­landen ent­sprechen und ande­rer­seits in dieser Studie auch Para­meter wie Lebens­qua­lität, Ent­wicklung des Medi­ka­men­ten­ge­brauchs und Kran­ken­stände erfasst wurden. In der ran­do­mi­sierten, kon­trol­lierten ICAN-​Studie wurden ins­gesamt 127 über­ge­wichtige Pati­enten mit einem BMI ≥27 und Dia­betes unter­sucht. Der Großteil der Pati­enten wies Kom­or­bi­di­täten wie erhöhte Blutfett- oder Blut­druck­werte auf. 76 Prozent der Teil­nehmer hatten eine medi­ka­mentöse Behandlung des Bluthochdrucks.

Die Inter­ven­ti­ons­gruppe erhielt ein Jahr lang eine diä­to­lo­gische Betreuung im Umfang von 8,5 Stunden. Die Pati­enten hatten sechs Ein­zel­be­ra­tungen im Umfang von ins­gesamt vier Stunden. Für admi­nis­trative und vor­be­rei­tende Tätig­keiten wurde eine halbe Stunde ver­an­schlagt. Einmal monatlich wurden die Pati­enten tele­fo­nisch kon­tak­tiert, was einem Zeit­aufwand von ins­gesamt drei Stunden ent­sprach. Darüber hinaus wurden sechs Grup­pen­be­ra­tungen durch­ge­führt. Die Kon­troll­gruppe wurde lediglich mit ent­spre­chendem schrift­lichem Infor­ma­ti­ons­ma­terial versorgt.

Die Betreuung in der Inter­ven­ti­ons­gruppe war mit 8,5 Stunden inten­siver als die durch­schnitt­liche diä­to­lo­gische Betreuung dieses Pati­en­ten­kol­lektivs in den Nie­der­landen, die im Schnitt 4,5 Stunden aus­macht. Dennoch haben die Berech­nungen ergeben, dass die diä­to­lo­gische Betreuung über­ge­wich­tiger Pati­enten mit Dia­betes und even­tu­ellen wei­teren Kom­or­bi­di­täten in hohem Maße kos­ten­ef­fektiv ist.

Zum einen werden die direkten Gesund­heits­kosten deutlich ver­ringert. Da der Aufwand für die diä­to­lo­gi­schen Leis­tungen nied­riger ist als für medi­ka­mentöse The­rapien und Spi­tals­auf­ent­halte, ergibt sich eine Net­to­er­sparnis. Das Honorar für eine diä­to­lo­gische Beratung in den Nie­der­landen beträgt im Durch­schnitt 58 Euro. Anders gesagt: Für jeden Euro, der in diä­to­lo­gische Betreuung inves­tiert wird, werden vier Euro für Medi­ka­mente und Kran­ken­häuser eingespart.

Darüber hinaus bringen diä­to­lo­gische Inter­ven­tionen einen gesamt­ge­sell­schaft­lichen Nutzen mit sich, der unter anderem aus dem Gewinn an Lebens­qua­lität und Pro­duk­ti­vität und dem Rückgang von Kran­ken­ständen her­rührt. Für die Nie­der­lande wurde berechnet, dass das Ver­hältnis von Aufwand für diä­to­lo­gische Inter­ven­tionen zu gesamt­ge­sell­schaft­lichem Nutzen in einem Zeitraum von fünf Jahren bei 1:14 bis 63 liegt. Damit ent­spricht die diä­to­lo­gische Betreuung adi­pöser Pati­enten mit Kom­or­bi­di­täten wie Dia­betes, Blut­hoch­druck oder Hyper­li­pi­dämien in fünf Jahren einem Benefit von ins­gesamt 0,4 bis 1,9 Mil­li­arden Euro.

Refe­renzen:

Avenell A, Broom J, Brown TJ, et al.: Sys­te­matic review of the long-​term effects and eco­nomic con­se­quences of tre­at­ments for obesity and impli­ca­tions for health impro­vement; Health Technol Asses 2004b; 8: 21

Avenell A, Brown TJ, McGee MA, et al.: What are the long-​term benefits of weight reducing diets in adults? A sys­te­matic review of ran­do­mized con­trolled trials; J Hum Nutr Dietet 2004a; 17: 317–335

Brown TJ, Avenell A, Edmunds LD, et al.: Sys­te­matic review of long-​term life­style inter­ven­tions to prevent weight gain and mor­bidity in adults;  Obesity reviews 2009; 10: 627–638

Cook NR, Cutler JA, Obar­zanek E, et al.: Long term effects of dietary sodium reduction on car­dio­vas­cular disease out­comes: obser­va­tional follow-​up of the trials of hyper­tension pre­vention (TOHP); BMJ 2007; 334: 885–888

Coppel KJ, Kataoka M, Wil­liams SM, et al.: Nut­ri­tional inter­vention in patients with type 2 dia­betes who are hyper­gly­caemic despite opti­mised drug tre­atment – Life­style Over and Above Drugs in Dia­betes (LOADD) study: ran­do­mised con­trolled trial. BMJ 2010; 341:c3337

Dan­siger ML, Michael L, Tat­sioni A, et al.: Meta-​analysis: the effect of dietary coun­seling for weight loss; Ann Intern Med 2007; 147: 41–50

Dela­hanty LM, Son­nenberg LM, Hayden D, et al.: Cli­nical and cost out­comes of medical nut­rition therapy for hyper­cho­le­ste­ro­lemia: a con­trolled trial; J Am Diet Assoc 2001; 101:1012–1016

Eij­genraam CJJ, Koopmans CC, Tang PJG, et al.: Eva­luatie van infra­struc­tu­ur­pro­jecten; lei­draad voor Kosten-​batenanalyse, Deel I: Hoof­drapport Onderz­oeks­pro­gramma Eco­no­mische Effecten Infra­structuur, Den Haag, 2000

Finkler E, Heyms­field SB, St-​Onge M: Rate of weight loss can be pre­dicted by patient cha­rac­te­ristics and inter­vention stra­tegies; J Acad Nutr Diet 2012; 112: 75–80

Imayama I, Alfano CM, Kong A, et al.: Dietary weight loss and exercise inter­ven­tions effects on quality of life in overweight/​obese post­me­no­pausal women: a ran­do­mized con­trolled trial; Int J Behav Nutr Phys Act 2011; 8: 118

Jen K‑LC, Djuric Z, DiLaura NM, et al.: Impro­vement of Meta­bolism among Obese Breast Cancer Sur­vivors in Dif­fering Weight Loss Regimens; Obesity Res 2004; 12: 306–312

Lammers M, Kok L: Cost-​benefit ana­lysis of dietary tre­atment; SEO Report No. 2012–76A; ISBN 978–90-6733–668‑0

Nicholas LG, Pond CD, Roberts DCK: Dietitian-​general prac­ti­tioner interface: a pilot study on what influences the pro­vision of effective nut­rition management; Am J Clin Nutr 2003; 77: 1039S-42S

Poobalan AS, Aucott LS, Smith WCS, et al.: Long-​term weight loss effects on all-​cause mor­tality in overweight/​obese popu­la­tions; Obes Rev2007; 8: 505–513

Sie­ben­hofer A, Jeitler K, Berghold A, et al.: Long-​term effects of weight-​reducing diets in hyper­tensive patients. Cochrane Database Syst Rev 2011; 9: CD008274. DOI: 10.1002/14651858.CD008274.pub2

Thompson RL, Sum­merbell CD, Hooper L, et al.: Dietary advice given by a die­titian versus other health pro­fes­sional or self-​help resources to reduce blood cho­le­sterol; Cochrane Database Syst Rev 2003, Issue 3. Art. No.: CD001366. DOI: 10.1002/14651858.CD001366.

Tol J, Swinkels ICS, Bakker DH de, et al. (2011a): Jaarboek LiPZ 2010: Ber­oeps­groep dië­tetiek. Gege­vens­verz­ameling 2008–2010 binnen vri­j­ge­ves­tigde prak­tijken voor dië­tetiek. Utrecht, NIVEL.

Sikand G, Kashyap ML, Wong ND, et al.: Die­titian inter­vention improves lipid values and saves medi­cation costs in men with com­bined hyper­li­pi­demia and a history of niacin non­com­pliance; J Am Diet Assoc 2000; 100: 218–224

Wil­laing I, Ladelun S, Jør­gensen T, et al.: Nut­ri­tional coun­selling in primary health care: a ran­do­mized com­pa­rison of an inter­vention by general prac­ti­tioner or die­tician; Eur. J. Prev. Cardiol 2004; 11: 513–520

Wolf AM, Conaway MR, Crowther JQ, et al.: Trans­lating life­style inter­vention to practice in obese patients with type 2 dia­betes; Dia­betes care 2004; 27: 1570–1576

Wolf AM, Siadaty MIR, Crowther JQ, et al.: Impact of life­style inter­vention on lost pro­duc­tivity and disa­bility: improving control with activity and nut­rition (ICAN); J Occup Environ Med 2009; 51: 139–145

Wolf AM, Siadaty MIR, Yaeger B, et al.: Effects of life­style inter­vention on health care costs: improving control with activity and nut­rition (ICAN); J Am Diet Assoc 2007; 107; 1365–1373