Zucker, Süßstoffe & Diabetes

April 2013

Dem Thema „Zucker, Süßstoffe & Co in der Diabetesernährung“ war die Fortbildungsveranstaltung des Verbandes der Diaetologen Österreichs gewidmet, die am 17. November d. J. im Rahmen der 40. Jahrestagung der Österreichischen Diabetesgesellschaft in Salzburg stattgefunden hat.

Es ist bereits Tradition: Im Rahmen der Jahrestagungen der Österreichischen Diabetes Gesellschaft gestaltet der Verband der Diaetologen Österreichs eine eigene Sitzung mit ernährungsspezifischen Themenstellungen. In diesem Jahr stand die Sitzung unter dem aktuellen Thema „Zucker, Süßstoffe & Co in der Diabetesernährung“. Die Aktualität dieses Themas spiegelte sich in der großen Teilnehmeranzahl wider, denn der Vortragssaal war buchstäblich überfüllt.

Die Sitzung bot inhaltlich einen historischen Streifzug durch die Diabetesdiät im Wandel der Zeit, lieferte ein Update zum Thema Fruktose und nahm Stevia & Co unter die Lupe. Letztendlich wurden mögliche Auswirkungen der Änderung der Diätverordnung in Deutschland diskutiert.

Historischer Rückblick

Einen historischen Rückblick auf die Diabetestherapie unter besonderer Berücksichtigung von Zucker brachte die Diätologin Michaela Wallisch von der 1. Medizinischen Abteilung der Krankenanstalt Rudolfstiftung in Wien. Bereits im Papyrus Ebers, datierend aus 1550 v. Chr., findet sich eine Empfehlung, wie „übermäßiger Harnfluss“ zu behandeln sei. Nach einem langen und schwierigen Weg – vor allem auch für die Patienten – wurde im 1921/22 schließlich das Insulin entdeckt. Von einer optimalen Ernährungstherapie bei Diabetes konnte allerdings noch nicht die Rede sein. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts wurde die atherogene Rolle bestimmter Nahrungsfette erkannt und die teilweise exorbitant fett- und eiweißhaltigen Ernährungsempfehlungen für Diabetiker entsprechend modifiziert. In den 1980er Jahren zeigten mehrere Studien, dass Diäten mit kleinen Mengen Saccharose keinen schädlichen Einfluss auf die glykämische Kontrolle sowie auf Lipide und Lipoproteine haben – sowohl bei Typ-1- als auch bei Typ-2-Diabetikern. Dennoch hielt sich die Empfehlung, Fruchtzucker bzw. Süßstoff zu verwenden, hartnäckig bis vor wenigen Jahren.

Heute hat sich die Fachwelt von einer speziellen Zuckerrestriktion für Diabetiker abgewandt. In den Europäischen und Österreichischen Leitlinien für die Ernährung bei Diabetes wird (wie für gesunde Personen auch) eine Zuckermenge von maximal 10 % der Gesamtenergie als tolerabel angesehen. Wird diese Menge aber in Form zuckerreicher Lebensmittel zugeführt, besteht die große Gefahr, dass die Menge an gesättigten Fettsäuren überschritten und die empfohlene Menge an Ballaststoffen nicht erreicht wird (siehe Abb. 1). Daher sollte nicht nur der aufgenommene Zucker berechnet werden, sondern immer auch die Menge an Ballaststoffen, Gesamtfett, gesättigte und Transfettsäuren. Zuckerhältige Getränke sollten von Diabetikern – wie von Stoffwechselgesunden auch – nur im Ausnahmefall konsumiert werden (Hypoglykämie oder Sport-BE).

Zur Verbesserung der glykämischen Antwort nach Konsum von Süßem können folgende Empfehlungen gegeben werden:

  • Zubereitung von Mehlspeisen mit fettarmen Milchprodukten, den Zucker soweit möglich durch Süßstoff ersetzen
  • Marmelade oder Honig nur auf grobem Vollkornbrot
  • Süßes am besten zum Zeitpunkt bester Insulinwirkung, z.B. nachmittags

Anstelle von Zucker

Dem Thema „Süßstoffe und Zuckeraustauschstoffe“ widmete sich die Diätologin Gabriele Hauer, Diabetesschulung Landesklinikum St.Pölten. „Süßstoffe“ gelten in der EU als Lebensmittelzusatzstoffe, unterliegen demnach einem Zulassungsverfahren und werden mit einer E-Nummer versehen. Eine durchaus hilfreiche Unterteilung der Süßstoffe ergibt sich aus ihrer Süßkraft. „Süßstoffe“ im landläufigen Sinn (Aspartam, Cyclamat, Saccharin usw.), die auch als High Intensity Sweetener bezeichnet werden, werden häufig – aber nicht immer, man denke an Stevia-Glykoside – synthetisch hergestellt, haben eine vielfach höhere Süßkraft als Zucker und damit auch keinen Einfluss auf das Volumen der Nahrungsmittel, z.B. Backteige. Bei den sogenannten Zuckeraustauschstoffen (Sorbit, Mannit, Isomalt, Maltit, Lactit, Xylit, Erythrit) hingegen ist dies sehr wohl der Fall. Dabei handelt es sich um Zuckeralkohole, die in größeren Mengen je nach individueller Empfindlichkeit Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfall verursachen können. (siehe auch Beitrag xx in dieser Ausgabe des Journals für Ernährungsmedizin).

Die Datenlage zu Süßstoffen ist uneinheitlich. Das gilt sowohl für potenzielle gesundheitliche Nachteile, als auch für die Wirkung auf das Körpergewicht. Um die Sicherheit von Lebensmittelzusatzstoffen zu gewährleisten, läuft in der EU derzeit eine Neubewertung sämtlicher vor 20. Jänner 2009 zugelassener Substanzen. Abgeschlossen soll diese bis 2020 sein. In der diätologischen Beratung und in der Ernährungstherapie ist das Hauptaugenmerk auf folgende Punkte zu legen, wie Gabriele Hauer betont.

  • Reduktion der Süßschwelle
  • Sensibilisierung für die Menge von Süßstoffen, die mit Speisen und Getränken aufgenommen werden
  • Bewusstmachen des möglicherweise dadurch erzeugten „guten Gewissens“, das zu einer erhöhten Fett- und Energieaufnahme führen kann

Diät & Verordnungen

Auf die Änderungen der Diätverordnung in Deutschland und mögliche Auswirkungen auf Österreich ging der Diätologe und Ernährungsberater (DGE) vom Diabeteszentrum Burghausen, Helmut Nussbaumer, ein. Zwar gibt es unter Fachleuten in beiden Ländern breiten Konsens darüber, dass „Diabetikerprodukte“ aus heutiger Sicht als obsolet zu betrachten sind. Während in Deutschland die speziellen Anforderungen an Diabetikerlebensmittel im Oktober 2012 gestrichen wurden, gelten in Österreich Diabetikerlebensmittel gemäß EU-Recht (noch) als diätetische Lebensmittel. Man wartet den EU-Beschluss zur Überarbeitung der Richtlinien bezüglich diätetischer Lebensmittel ab, der derzeit vom Rat diskutiert wird. Außerdem wird die neue Nährwertkennzeichnung der EU ab 14. Dezember 2014 zwingend vorschreiben, die Zusammensetzung der Kohlenhydrate auf der Packung anzugeben. Damit ist die Umrechnung in Broteinheiten (BE) möglich, falls der Patient dies wünscht.

Allerdings haben die Broteinheiten einige Schwächen, die vor allem vielen Patienten nicht bekannt sind, gibt Nussbaumer zu bedenken: Die BE-Angabe ist nur unter Standardbedingungen aussagekräftig; die Zusammensetzung der gesamten Mahlzeit spielt eine entscheidende Rolle, ebenso der Verarbeitungsgrad der Lebensmittel und der Reifegrad von Obst; Medikamente mit verzögernder Wirkung auf die Magenentleerung wie Antihistaminika, Neuroleptika, Antidepressiva und Ca-Antagonisten sind zu berücksichtigen. Die Verweildauer aufgenommener Nahrung wird wiederum von einer Reihe von Faktoren beeinflusst. Dazu gehören Konsistenz, Ballaststoffgehalt, Temperatur, Fett- und Eiweißgehalt der Speisen, Häufigkeit der Nahrungsaufnahme, Zufuhr von Getränken, körperliche Aktivität vor dem Essen und eine eventuelle diabetische Gastroparese.

Ein besonderer Schwerpunkt in der Diabetesberatung sollte laut Nussbaumer darauf gelegt werden, die Mär von „langsamen Kohlenhydraten“, die auch in Patientenbroschüren nach wie vor verbreitet wird, aus der Welt zu schaffen. Es gelte, auf die massiv blutzuckererhöhende Wirkung von Stärke- und Weißmehlprodukten – insbesondere Brot und Backwaren – hinzuweisen. Bei „Kornspitz“, „Bio-Dreikorn-Weckerl“ & Co handelt es sich in den allermeisten Fällen um Weißmehlprodukte aus Weizen, die mit Malzzucker gefärbt werden und sich ernährungsphysiologisch nicht von einer Semmel unterscheiden.

Fazit

In dieser Sitzung wurde von den ReferentInnen aufgezeigt, dass diese Thematik sich als sehr komplex darstellt und PatientenInnen oftmals überfordert sind, sich aus diesem Informations- und Gesetzesdschungel praxisgerechte Umsetzungen zu definieren. Der oftmals sehr einfache Zugang, dass Menschen mit Diabetes nur eine ausgewogene, gesunde Mischkost brauchen, ist fehlinterpretiert. Die komplexe Stoffwechsellage, die besonderen Lebensumstände und die individuellen Ernährungsgewohnheiten von PatientInnen verlangen nach einer professionellen Schulung und Beratung durch DiaetologInnen. Diabetesschulung und –beratung ist ein interdisziplinärer Prozess, der nur durch ein Zusammenwirken von Ärzten, DiaetologInnen und Pflegepersonen wirkungsvoll erreicht werden kann.

Autoren: A. Hofbauer; Red.

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