Salzreduktion: Möglichkeiten und Grenzen

Juni 2013

Die in der west­lichen Welt aus gesund­heit­lichen Gründen ange­strebte Reduktion der Koch­salz­menge vor allem in ver­ar­bei­teten Lebens­mitteln stellt die Lebens­mit­tel­in­dustrie vor große Her­aus­for­de­rungen, da Kochsalz nicht nur aus sen­so­ri­schen Gründen zuge­setzt wird, sondern wegen ver­schie­dener lebens­mit­tel­tech­no­lo­gi­scher und mikro­bio­lo­gi­scher Gründe einen schwer ersetz­baren Lebens­mit­tel­be­standteil darstellt. 

Sen­sorik und Lebens­mit­tel­tech­no­logie
Barbara Siegmund

Kochsalz ist ein unver­zicht­barer Bestandteil unserer Ernährung. In Lösung liegt Kochsalz (NaCl) in Form des Natrium-​Kations und des Chlorid-​Anions vor. Diesen beiden Ionen kommen im mensch­lichen Orga­nismus essen­tielle Rollen zu – wie bei­spiels­weise der Regu­lierung von Blut­druck, zur Kon­trolle des Flüs­sig­keits­haus­halts oder zum Erhalt der Funk­ti­ons­fä­higkeit von Muskeln und Nerven. Darüber hinaus erleichtert NaCl die Absorption ver­schie­dener Nähr­stoffe. Der phy­sio­lo­gische Natri­um­bedarf des mensch­lichen Orga­nismus wird von der WHO mit einer Menge von 180–230mg pro Tag ange­geben, was einer Koch­salz­auf­nahme von in etwa 0,5 g pro Tag ent­spricht (Dötsch et al., 2007). 

Die durch­schnitt­liche täg­liche Salz­auf­nahme in der west­lichen Welt liegt zwi­schen 8 und15g pro Tag und liegt damit sowohl deutlich über der für den mensch­lichen Orga­nismus not­wen­digen Menge als auch über der von der WHO emp­foh­lenen maxi­malen Auf­nah­me­menge. Der Öster­rei­chische Ernäh­rungs­be­richt 2012 (Elmadfa, 2012) zeigt auf der Basis von Fra­ge­bögen, dass die öster­rei­chische weib­liche Bevöl­kerung im Schnitt ca. 7,0 g NaCl pro Tag zu sich nimmt. Die durch­schnitt­liche Auf­nahme von Kochsalz durch den männ­lichen Öster­reicher liegt bei 8,3 g pro Tag. Eine täg­liche Auf­nah­me­menge von 10 g pro Tag über die Nahrung wird von 25% der Öster­rei­che­rinnen und 36% der Öster­reicher über­schritten. Diese Daten zeigen, dass auch in Öster­reich die Natri­um­auf­nahme über Kochsalz – wie in nahezu allen Ländern der west­lichen Welt – sehr hoch ist. 

Ein Zusam­menhang zwi­schen zu hohem Koch­salz­konsum und Blut­hoch­druck sowie den ent­spre­chenden Fol­ge­er­kran­kungen scheint abge­si­chert (BfR, 2008; He & Mac­Gregor, 2009; Mohan & Campbell, 2009), wobei für die ent­spre­chenden Krank­heits­bilder nicht der zu hohe NaCl-​Konsum an sich, sondern die zu hohe Zufuhr an Natrium bei gleich­zei­tiger zu nied­riger Kali­um­auf­nahme über die Ernährung als relevant erachtet wird. Darüber hinaus stellt eine zu hohe Natri­um­zufuhr neben Para­metern wie Über­ge­wicht, zu hohem Alko­hol­konsum oder zu geringem Bewe­gungs­pensum nur einen von vielen Fak­toren dar, die zu den ent­spre­chenden Krank­heits­bildern führen. Nichts­des­to­trotz steht die gezielte Reduktion von Natrium in der Ernährung – und hier vor allem in Form von Kochsalz – im Mit­tel­punkt vieler Maß­nahmen. In diesem Zusam­menhang gilt auch die Emp­fehlung der WHO, den täg­lichen Salz­konsum auf ca. 5g NaCl pro Tag zu senken (www.eufic.org). Die natio­nalen Gesell­schaften für Ernährung aus Deutschland, Öster­reich und der Schweiz emp­fehlen, den täg­lichen Koch­salz­konsum auf 6 g pro Tag zu senken (D‑A-​CH, 2012). Die Reduktion der Auf­nahme von Kochsalz durch unsere Nahrung steht daher auch im Mit­tel­punkt vieler natio­naler und inter­na­tio­naler Initia­tiven im Ernährungs- und Gesundheitsbereich. 

Der Zusatz von Kochsalz erfüllt tra­di­tio­nel­ler­weise viele Zwecke in unseren Lebens­mitteln. Neben sen­so­ri­schen Gründen – dem Her­vor­rufen des sal­zigen Ein­drucks – wird Kochsalz zu lebens­mit­tel­tech­no­lo­gi­schen Zwecken oder als Kon­ser­vie­rungs­mittel ein­ge­setzt. Mehrere Studien zeigen, dass in indus­tria­li­sierten Ländern ca. 75% der Koch­salz­menge über den Konsum von ver­ar­bei­teten Lebens­mitteln (Brot, Zerealien, Käse, Fleisch- und Wurst­waren) oder über Mahl­zeiten in Restau­rants auf­ge­nommen wird, 10–15% über die Zube­reitung von Speisen im Haushalt oder durch die Ver­wendung von Spei­sesalz bei Tisch. Die ver­blei­benden 10–12% kommen natürlich in Lebens­mitteln vor und werden über deren Verzehr zuge­führt (Dötsch et al., 2009). Warum es in vielen Fällen nicht ganz so einfach ist, Kochsalz weg­zu­lassen oder durch andere Stoffe zu ersetzen, soll in den fol­genden Kapiteln dis­ku­tiert werden. 

Sensorischen Eigenschaften und mögliche Substituenten

Die offen­sicht­lichste Rolle von NaCl im Lebens­mittel ist die geschmacks­ge­bende Rolle – der Zusatz von Kochsalz ist für den sal­zigen Ein­druck im Lebens­mittel ver­ant­wortlich. Eine ein­fache Salz­re­duktion im Lebens­mittel würde eine klare sen­so­rische Ver­än­derung des ent­spre­chenden Pro­duktes mit sich bringen. Da der Kon­sument generell große sen­so­rische Ver­än­de­rungen von bekannten Pro­dukten nicht einfach akzep­tiert, ist die Lebens­mit­tel­in­dustrie gefordert, die Pro­dukte unter Einsatz ver­schie­dener Methoden so zu ver­ändern, dass die Salz­re­duktion für den Kon­su­menten aus sen­so­ri­scher Sicht nicht offen­sichtlich ist. 

NaCl im Lebens­mittel durch andere salzig schme­ckende Ver­bin­dungen zu ersetzen, stellt den ein­fachsten Ansatz zur Reduktion der Koch­salz­auf­nahme dar, im ein­fachsten Fall durch den Aus­tausch des Natrium-​Kations durch andere Kat­ionen (z.B. Li+, NH4+, Mg++, Ca++). Am nahe­lie­gendsten erscheint der Einsatz von Kali­um­chlorid, noch dazu, wo der Aus­tausch von Natrium durch Kalium das Natrium-​Kalium Ver­hältnis positiv beein­flussen und somit zu einer bes­seren Bilanz in Hin­blick auf Blut­hoch­druck bei­tragen würde. Der Nachteil besteht darin, dass Kali­um­chlorid in höheren Kon­zen­tra­tionen bittere und metal­lische Noten auf­weist, die die sen­so­ri­schen Eigen­schaften des Lebens­mittels negativ beein­flussen. Bis zu welchem Ausmaß Natri­um­chlorid durch Kali­um­chlorid – even­tuell in Kom­bi­nation mit Ammo­ni­um­chlorid – ersetzt werden kann, ohne die sen­so­ri­schen Eigen­schaften zu beein­träch­tigen, kann nicht ver­all­ge­meinert werden. Die sen­so­risch tole­rier­baren Mengen sind für jede Lebens­mit­tel­matrix ver­schieden. Ein Ersatz von mehr als 30% von NaCl durch KCl scheint aber vor allem aus sen­so­ri­schen Gründen in keinem Lebens­mittel tole­riert zu werden. Der Ersatz des Natri­umions durch Lithium‑, Calcium- oder Magne­si­um­ionen ist eben­falls aus toxi­ko­lo­gi­schen oder sen­so­ri­schen Gründen nicht so einfach möglich. 

Über die salzige Wirkung hinaus bewirkt der Zusatz von Kochsalz zum Lebens­mittel noch andere sen­so­rische Effekte (Keast & Breslin, 2002) (Abbildung 1). In nied­rigen Kon­zen­tra­tionen wirkt die Zugabe von Kochsalz geschmacks­ver­stärkend für süße und saure Ein­drücke, wohin­gegen bittere Geschmacks­ein­drücke unter­drückt werden. Bei gestei­gerter Koch­salz­kon­zen­tration nimmt die Bedeutung der geschmacks­ver­stär­kenden Wir­kungen für andere Grund­ge­schmacks­arten ab, die mas­kie­rende Wirkung für den von vielen Kon­su­menten als unan­genehm emp­fun­denen Bit­ter­ge­schmack bleibt erhalten. 

Ein anderer Ansatz, den Salz­gehalt im Lebens­mittel bei gleich­blei­bendem sen­so­ri­schen Ein­druck zu redu­zieren, ist der Einsatz von ver­schie­denen nicht-​mineralischen Ver­bin­dungen, die eben­falls salzig schmecken – allen voran der Einsatz von ver­schie­denen Ami­no­säuren (Arginin, Lysin, Cho­lin­chlorid). Der Einsatz von den sal­zigen Ein­druck ver­stär­kenden Ver­bin­dungen wie der bekannte Geschmacks­ver­stärker Mono­na­tri­um­glutamat, aber auch Ala­py­ridain, ein mul­ti­mo­daler Geschmacks­ver­stärker oder ein Arginin-​Alapyridain-​Derivat, das nur den sal­zigen Geschmack ver­stärkt, stellen ent­spre­chende Ansätze dar, die jedoch meist nur einen geringen Beitrag zur Salz­re­duktion leisten können (Batenburg & van der Velden, 2011). Die Suche nach so genannten „Salt-​Boosters“ stellt eine Fort­führung dieser Studien zur effi­zi­enten Salz­re­duktion in Lebens­mitteln dar. Als Salt-​Booster werden Sub­stanzen bezeichnet, die selbst nicht zwingend salzig schmecken, die aber den Salz­re­zeptor sti­mu­lieren, um bei ver­rin­gerter Koch­salz­menge einen ver­gleich­baren sal­zigen Ein­druck her­vor­zu­rufen. Der­artige Ansätze stecken noch in den Kin­der­schuhen, da dies ein tiefes mole­ku­lares Ver­ständnis der che­mi­schen und bio­che­mi­schen Reak­tionen im Zuge der Salz­wahr­nehmung erfordert. 

Da die Ver­suche, die Salz­kon­zen­tration durch den Zusatz von Geschmacks­ver­stärkern bei ver­gleich­barem sal­zigen Ein­druck signi­fikant zu ver­ringern, bis dato nicht die gewünschten Ergeb­nisse zeigten, geht man nun einen Schritt weiter, und erprobt so genannte mul­ti­sen­so­rische Ansätze (Abbildung 2), bei denen nicht nur die Geschmacks­ein­drücke des Lebens­mit­telns betrachtet werden, sondern der gesamte sen­so­rische Ein­druck Gegen­stand der Studien ist. Mul­ti­sen­so­rische Ansätze ver­suchen den sal­zigen Geschmacks­ein­druck nicht nur durch Zusatz von Geschmacks­ver­stärkern zu steigern, sondern auch durch den Zusatz von bestimmten Aromen, die durch ihre sen­so­ri­schen Eigen­schaften den ver­rin­gerten sal­zigen Ein­druck im Lebens­mittel auf indi­rektem Weg kom­pen­sieren. Vor­aus­setzung dafür ist, dass es sich um so genannte kon­gruente Aromen handelt, das heißt um Aromen die „zusam­men­passen“ (zum Bei­spiel ein erhöhter Zusatz von wür­zigen Aromen in einer Sup­pen­re­zeptur). Die Arbeit von Batenburg & van der Velden, 2011 gibt einen sehr guten Über­blick über dieses Konzept. Sie zeigen in diesen Studien auch, dass in Sup­pen­re­zep­turen durch die Kom­bi­nation von kon­gru­enten Aromen und Salz­er­satz­stoffen wie KCl und NH4Cl eine Koch­salz­re­duktion von bis zu 30% bei annä­hernd gleich­blei­benden sen­so­ri­schen Eigen­schaften möglich ist. Eine der­artige aroma-​induzierte Ver­stärkung des sal­zigen Ein­drucks wird erklärt durch die positive Wech­sel­wirkung von Geruchs- und Geschmacks­ein­drücken (so genannte Cross-​Modalität) in höheren Hirn­re­gionen (Small et al., 2007; Engels et al., 2011). 

Ein im Ver­gleich zu den zuvor beschrie­benen Ansätzen relativ ein­facher Vorgang zur Reduktion von Kochsalz im Lebens­mittel unter Bei­behalt von gleich­blei­bender Sal­z­in­ten­sität wurde kürzlich in einigen Studien prä­sen­tiert, exem­pla­risch seien die Arbeiten von Noort et al., 2010 und Engels et al., 2011 erwähnt. Eine inho­mogene Ver­teilung des Koch­salz­ge­halts im festen Lebens­mittel scheint eine Koch­salz­re­duktion von bis zu 30% zu erlauben. Die Autoren dieser Studien führen diesen Effekt darauf zurück, dass der Kon­trast der Salz­ein­drücke aus Bereichen mit hoher und anderen mit nied­riger Koch­salz­kon­zen­tration einen stär­keren Ein­fluss auf das sub­jektive Salz­emp­finden ausübt als die gesamte im ent­spre­chenden Lebens­mittel vor­lie­gende Koch­salz­kon­zen­tration. Erste positive Ergeb­nisse dazu wurden in Brot als auch in Käse erzielt. 

Lebensmitteltechnologische Aspekte

Neben den sen­so­ri­schen Eigen­schaften nimmt NaCl auch aus lebens­mit­tel­tech­no­lo­gi­scher Sicht eine wichtige Rolle ein (Dötsch et al., 2009; Albar­racin et al., 2011). Als direkte Folge der Eigen­schaft von Kochsalz, die Was­ser­ak­ti­vität eines Lebens­mittels zu senken, hat NaCl eine kon­ser­vie­rende und anti­bak­te­rielle Wirkung. Die Salz­kon­zen­tration beein­flusst das Quell- und Was­ser­bin­dungs­ver­halten von Pro­teinen, was bei­spiels­weise wesent­liche tech­no­lo­gische Aus­wir­kungen auf die Backwaren- und Fleisch­wa­ren­tech­no­logie hat. Darüber hinaus beein­flusst die NaCl-​Konzentration die Fer­men­ta­ti­ons­raten ver­schie­dener Mikro­or­ga­nismen. Im Fol­genden sind die mög­lichen Aus­wir­kungen eines redu­zierten Salz­zu­satzes für die Lebens­mit­tel­gruppen Brot und Back­waren, Fleisch­waren und Käse kurz zusam­men­ge­fasst, um zu demons­trieren, warum eine Salz­re­duktion aus tech­no­lo­gi­scher Sicht eine große Her­aus­for­derung für die Lebens­mit­tel­in­dustrie darstellt. 

Brot und Backwaren

Der Salz­gehalt von Brot und Back­waren stellt eine wesent­liche Quelle für die täg­liche Salz­auf­nahme dar. Der durch­schnitt­liche Salz­gehalt in öster­rei­chi­schem Brot liegt bei ca. 2% bei einem durch­schnitt­lichen Brot­konsum von 120 g pro Tag wird über diesen Weg ca. 2,4 g NaCl auf­ge­nommen. Ziel der öster­rei­chi­schen Bäcker ist es, den Salz­gehalt auf 1,7% bis zum Jahr 2015 zu redu­zieren, was eine Reduktion der täg­lichen Salz­auf­nahme auf 2 g NaCl über Brot­konsum mit sich bringen würde (Öster­rei­chische Bäcker­zeitung, 2011). Aus tech­no­lo­gi­scher Sicht wird Kochsalz zur Beein­flussung der Kle­ber­ei­gen­schaften und der ein­fa­cheren Gär­führung in großen Mengen zuge­setzt. Der Zusatz von NaCl zum Teig ver­ringert die Lös­lichkeit und das Quell­ver­mögen des Klebers und hemmt dessen enzy­ma­ti­schen Abbau. Dies resul­tiert in einem tro­cke­neren Teig mit bes­seren Ver­ar­bei­tungs­ei­gen­schaften. Die Gär­tä­tigkeit der Hefe wird gehemmt, was eine kon­trol­lierte Fer­men­ta­ti­ons­führung ermög­licht. Auch die ver­füg­baren Koh­len­hy­drate werden dadurch nicht zur Gänze ver­goren. Das End­produkt weist ein grö­ßeres Volumen sowie eine fein­porige und elas­tische Krume auf. Während des Back­pro­zesses ver­fügbare Koh­len­hy­drate bewirken eine anspre­chende Färbung und Aus­bildung der Kruste. Eine Salz­re­duktion bei der Her­stellung von Back­waren führt zu kleb­rigen und wenig elas­ti­schen Teigen, stär­kerer Volu­men­zu­nahme während des Gär­pro­zesses, was im End­produkt zur Aus­bildung eines grob­po­rigen Brotes mit wei­cherer Krume führt, das schneller zum Alt­ba­cken­werden neigt. Die Kunst des Bäckers besteht nun darin, den Salz­gehalt so ein­zu­stellen, dass ein Optimum zwi­schen Kle­ber­gerüst und Gas­halt­vermöge erreicht wird. 

Aus sen­so­ri­schen Gründen wird ver­sucht, durch eine Kom­bi­nation der zuvor beschrie­benen Mög­lich­keiten den sal­zigen Ein­druck im Brot zu redu­zieren. Ein Ersatz von NaCl ist aus sen­so­ri­scher Sicht durch maximal 30% KCl möglich. Die ange­spro­chene inho­mogene Ver­teilung von Kochsalz im Brotteig scheint in dieser Matrix ein durchaus rea­lis­ti­scher Weg zu sein, den Salz­gehalt aus sen­so­ri­scher Sicht zu redu­zieren. Auch mul­ti­sen­so­rische Ansätze sind in der Brot­tech­no­logie zu finden – ver­stärkte Sau­er­teig­führung, ein erhöhter Gewürz­einsatz sowie der Zusatz von Bestand­teilen wie bei­spiels­weise ami­no­säu­re­reiche Nüsse, die zum Teil den mensch­lichen Salz­re­zeptor sti­mu­lieren, sind mög­liche Wege das Ziel bei gleich­blei­bender Akzeptanz der Pro­dukte durch den Kon­su­menten zu erreichen. 

Fleisch- und Wurstwaren

Die Salz­auf­nahme durch Fleisch- und Wurst­waren stellt in Öster­reich einen wei­teren wesent­lichen Grund für die zu hohen durch die Ernährung auf­ge­nom­menen NaCl Mengen dar. Der durch­schnitt­liche Öster­reicher kon­su­miert pro Tag ca. 150 g Fleisch und Fleisch­waren, was in etwa 40% der maximal emp­foh­lenen täg­lichen Koch­salz­auf­nahme ent­spricht (Bauer & Honikel, 2010). Kochsalz stellt in Wurst­waren nicht die einzige Natrium-​Quelle dar. Natri­um­glutamat als Geschmacks­ver­stärker ist in vielen Pro­dukten ent­halten: der Einsatz von alter­na­tiven geschmacks­ver­stär­kenden Ver­bin­dungen wie Ino­sin­mo­no­phosphat oder Guan­in­din­mo­no­phosphat ist in diesem Zusam­menhang denkbar. Darüber hinaus gibt es neu­er­dings Ten­denzen, auf den Einsatz von Geschmacks­ver­stärkern in Wurst­waren grund­sätzlich zu ver­zichten. Pökelsalz stellt eine weitere Natri­um­quelle in Fleisch- und Wurst­waren dar. Die Natri­um­ni­trate und –nitrite können in diesem Fall relativ einfach durch die ent­spre­chenden Kali­um­analoga ersetzt werden, wohin­gegen der direkte Ersatz von NaCl durch KCl aus sen­so­ri­scher Sicht nur bis zu ca. 20% tole­riert wird. 

Tech­no­lo­gische und mikro­bio­lo­gische Punkte sind aller­dings die Haupt­gründe, warum Kochsalz bei der Her­stellung von Fleisch- und Wurst­waren in grö­ßeren Mengen Ver­wendung finden. Bauer & Honikel, 2010 geben darüber einen aus­führ­lichen Über­blick. Kochsalz ist bei Brüh- und Roh­würsten sowie bei Koch- und Roh­schinken für die bin­dende Wirkung der Pro­teine ver­ant­wortlich. Dafür ist eine Min­dest­menge von 1,5% Kochsalz not­wendig, die maximale Wirkung wird bei einer Koch­salz­menge von 5% erreicht. Tech­no­lo­gisch wäre es möglich, die bin­dende Wirkung durch den Zusatz von anderen bin­denden Stoffen, wie Johan­nis­brotmehl, Car­rageen oder Stärke sowie durch den Zusatz von Nicht-​Fleischproteinen aus Milch oder Soja zu erreichen. Der­artige Zusätze oder Bestand­teile würden aller­dings zu einer grund­le­genden Ver­än­derung der Rezep­turen und damit der typi­schen Eigen­schaften der Fleisch- und Wurst­waren führen. Die Akzeptanz von Pro­dukten, die „nur“ mit dem Ziel, den Salz­gehalt zu redu­zieren, in ihrer Rezeptur und ihren Eigen­schaften grund­legend ver­ändert werden, sei in diesem Zusam­menhang in Frage gestellt. 

Neben dem Ein­fluss auf die bin­dende Wirkung der Pro­teine in der Wurst­matrix ist der Zusatz von Kochsalz zu Fleisch- und Wurst­waren auch aus mikro­bio­lo­gi­schen Gründen unab­dingbar. Bei Roh­würsten und Pro­dukten mit langer Halt­barkeit ist der hohe Koch­salz­gehalt mit­ver­ant­wortlich für die Her­ab­setzung der Was­ser­ak­ti­vität im Produkt, welche Vor­aus­setzung ist für die lange Halt­barkeit der­ar­tiger Fleisch- und Wurst­waren. Auch bei Pro­dukten mit geringer Halt­barkeit wie bei­spiels­weise Koch­pö­kel­waren ist bei den aktu­ellen Anfor­de­rungen des Handels der Zusatz von Kochsalz not­wendig, um die mikro­bio­lo­gische Sicherheit über die gefor­derte Min­dest­halt­bar­keits­dauer der Pro­dukte zu gewähr­leisten. Den Koch­salz­gehalt in leicht ver­derb­lichen Fleisch- und Wurst­waren signi­fikant zu redu­zieren, erfordert eine wesent­liche Ver­bes­serung der Kühl­kette sowie tiefere Kühl­tem­pe­ra­turen im Ein­zel­handel und beim Konsumenten. 

Käse

Käse stellt die dritte Lebens­mit­tel­gruppe dar, die einen großen Beitrag zur täg­lichen Salz­auf­nahme liefert. Ent­spre­chend einer Studie der Schwei­ze­ri­schen For­schungs­an­stalt Agro­scope deckt Käse – bei einem täg­lichen Konsum von 50 g – in Abhän­gigkeit der kon­su­mierten Käse­sorte bis zu 31% der emp­foh­lenen Kochsalz-​Tagesdosis ab (Goy et al., 2008). Wie bei anderen Lebens­mitteln erfolgt bei Käse der Koch­salz­zusatz aus sen­so­ri­schen, tech­no­lo­gi­schen und mikro­bio­lo­gi­schen Gründen. Kochsalz ist not­wendig für den sal­zigen Geschmacks­ein­druck im Käseteig. Uner­wünschte Noten werden mas­kiert und typische Käse­aromen werden durch die Anwe­senheit von Kochsalz ver­stärkt. Käse mit geringem Salz­gehalt schmecken fad mit wenig aus­ge­prägtem Aroma, sie wirken „unrein“ und bittere Noten treten in den Vor­der­grund. Studien von Agro­scope zeigen (Goy et al., 2008), dass der Ersatz von NaCl durch KCl in der Salzlake bis zu einem Anteil von ca. 25% rea­lis­tisch ist – bei höheren Kon­zen­tra­tionen kommt es zu einem signi­fi­kanten Abfall des sal­zigen Ein­drucks bei gleich­zei­tigem Anstieg von uner­wünschten Bit­ter­noten. Der Einsatz von aus­ge­wählten Mikro­or­ga­nismen in der Käserei – den so genannten Käse­rei­kul­turen – ist dafür ver­ant­wortlich, dass der Käse sein typi­sches Aroma sowie die für jede Käse­sorte cha­rak­te­ris­tische Lochung aus­bildet. Der Stoff­wechsel dieser Kul­turen ist stark abhängig von der Was­ser­ak­ti­vität im Käseteig. Die Salz­kon­zen­tration steuert daher indirekt über die Regu­lation der Was­ser­ak­ti­vität das Wachstum der Käse­rei­kul­turen im Käse und in wei­terer Folge auch die Rei­fe­ge­schwin­digkeit, die direkt von der Akti­vität der Käse­rei­kul­turen abhängig ist. Darüber hinaus werden Scha­der­reger durch den NaCl-​Zusatz gehemmt. Die erwünschte Ober­flä­chen­flora von bestimmten Käse­sorten wie zum Bespiel bei Camembert benötigt eine bestimmte Salz­kon­zen­tration an der Ober­fläche des Kase­laibs, um sich dort eta­blieren zu können. 

Über die Beein­flussung der für die Käse­rei­tech­no­logie rele­vanten Mikro­or­ga­nismen hinaus, regu­liert der Salz­gehalt die Rin­den­bildung durch den Entzug von Feuch­tigkeit an der Käse­ober­fläche. Viele Käse­sorten erfordern Pflege der Rinde während des Rei­fe­pro­zesses, wobei der Käselaib mit dem so genannten Schmie­re­wasser mit einem Salz­gehalt von ca. 15% ein­ge­lassen wird. Erfolgt diese Pflege nicht oder mit Schmie­re­wasser mit nicht ent­spre­chendem Salz­gehalt, besteht die Gefahr der Aus­bildung von rauer, fle­ckiger Rinde bis hin zu Bildung von so genanntem Rin­den­krebs. Über all diese Effekte hinaus beein­flusst die Koch­salz­kon­zen­tration das Was­ser­bin­dungs­ver­mögen der Caseine, was einen wesent­lichen Ein­fluss auf die Textur und die Kon­sistenz des Käse­teigs hat. Eine Senkung des Koch­salz­ge­halts in Hartkäse würde bei­spiels­weise zu einer zu weichen Textur des Käse­teigs führen. 

 

Zusammenfassung

Die in der west­lichen Welt aus gesund­heit­lichen Gründen ange­strebte Reduktion der Koch­salz­menge vor allem in ver­ar­bei­teten Lebens­mitteln stellt die Lebens­mit­tel­in­dustrie vor große Her­aus­for­de­rungen, da Kochsalz nicht nur aus sen­so­ri­schen Gründen zuge­setzt wird, sondern wegen ver­schie­dener lebens­mit­tel­tech­no­lo­gi­scher und mikro­bio­lo­gi­scher Gründe einen schwer ersetz­baren Lebens­mit­tel­be­standteil dar­stellt. Die ange­strebte Salz­re­duktion wirft neue, zum Teil sehr kom­plexe tech­no­lo­gische Fra­ge­stel­lungen auf, die nur durch intensive Forschungs- und Ent­wick­lungs­ak­ti­vi­täten beant­wortet werden können. Auch aus sen­so­ri­scher Sicht ist eine signi­fi­kante Salz­re­duktion wahr­scheinlich nur durch eine Kom­bi­nation ver­schie­dener Maß­nahmen zu erreichen, die von einer gra­du­ellen Salz­re­duktion in kleinen Schritten, um den Kon­su­menten schritt­weise an einen ver­rin­gerten sal­zigen Ein­druck zu gewöhnen, über den Einsatz von Salz­er­satz­stoffen bis hin zur Opti­mierung der Form des Salz­ein­satzes reicht. Mul­ti­sen­so­rische Ansätze und die Suche nach Salt-​Boosters können eben­falls einen signi­fi­kanten Beitrag zu dieser Pro­ble­matik liefern. 

 

Kor­re­spondenz:

Univ. Doz.in DI Dr. Barbara Siegmund
Tech­nische Uni­ver­sität Graz
Institut für Ana­ly­tische Chemie und Lebens­mit­tel­chemie
AG Lebens­mit­tel­chemie und Human­sen­sorik
Stre­mayr­gasse 9/​II, 8010 Graz
Email: barbara.siegmund@tugraz.at

 

 

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