Präalbumin als Prädiktor der krankheitsassoziierten Protein-Energie-Mangelernährung

Januar 2013

Zur Feststellung einer Mangelernährung werden von internationalen Fachgesellschaften (Europäische Gesellschaft für klinische Ernährung, Britische Gesellschaft für parenterale und enterale Ernährung und Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin) Erhebungsinstrumente empfohlen, die Faktoren wie Gewichtsverlust, Abnahme des Body-Mass-Index, verringerte Nahrungsaufnahme und Krankheitsgeschehen berücksichtigen. Laborparameter sind in diesen Screeninginstrumenten nicht enthalten. In einer aktuell noch nicht veröffentlichten Studie konnte bei stationär betreuten, mangelernährten PatientInnen ein starker Zusammenhang mit erniedrigten Serumpräalbuminspiegeln festgestellt werden.

Forschungsdesign und Methode

Durch eine systematische Literaturrecherche in der Datenbank PubMed werden relevante Arbeiten identifiziert und unter Miteinbeziehung von Fachbüchern erfolgt eine Diskussion zur Klärung, inwiefern Präalbumin zu Diagnose und Monitoring bei PatientInnen mit krankheitsassoziierter Protein-Energie-Mangelernährung geeignet ist. Berücksichtigt werden Arbeiten aus industrialisierten Ländern der westlichen Welt mit TeilnehmerInnen beider Geschlechter und krankheitsassoziierter Mangelernährung, die sich aufgrund akuter oder chronischer Erkrankungen in stationären oder ambulanten Einrichtungen befinden. Ausschließlich Studien, welche in deutscher oder englischer Sprache verfasst sind und nach 1980 veröffentlicht wurden, werden berücksichtigt. Alle Arbeiten sind Beobachtungs-, Querschnitts- oder Interventionsstudien.

Ergebnisse

Acht Primärstudien entsprechen den Einschlusskriterien. Drei Autoren stellen zwischen Präalbumin und dem Scoring durch Mini Nutritional Assessment einen signifikanten Zusammenhang fest (Vellas et al. 2000, S. 1308; Pepersack 2005, S. 788; Venzin et al. 2009, S. 434), während eine Arbeit einen solchen Zusammenhang nicht bestätigt (vgl. Drescher et al. 2010, S. 889f). Eine signifikante Assoziation zwischen Präalbumin und dem Gewichtsverlust wird im Rahmen einer Studie beschrieben (vgl. Capuano et al. 2010, S. 434f). Dass die gesteigerte Zufuhr an Proteinen durch Veränderungen des Serumpräalbuminspiegels angezeigt wird, wird ebenfalls in einer Arbeit festgehalten (vgl. Fouque et al. 2008, S. 2906). Zwei der Untersuchungen geben keine Referenzwerte für Präalbumin an, während sich die Angaben der anderen Autoren voneinander unterscheiden (vgl. Antoun et al. 2009, S. 1636; Vellas et al. 2000, S. 1301; Devoto et al. 2006, S. 2282f; Capuano et al. 2010, S. 434f; Pepersack 2005, S. 788; Drescher et al. 2010, S. 889).

Diskussion

Am besten untersucht scheint die Aussagekraft von Präalbumin bei geriatrischen PatientInnen unter gleichzeitiger Verwendung des Mini Nutritional Assessments (MNA). Die Variabilität bei der Angabe von Grenzwerten des Präalbumins deckt sich mit dem in der Literatur beschriebenen Nachteil biochemischer Marker bei Bestimmung des Ernährungszustandes, welcher sich in der Abhängigkeit der Referenzwerte von den jeweiligen Nachweis-Assays begründet (vgl. Schutz et al. 2010, S. 464). Die Erfassung des unbeabsichtigten Gewichtsverlustes ist essentieller Teil jeglichen Ernährungsscreenings (vgl. Kondrup et al. 2003, S. 417). In einer Arbeit (vgl. Capuano et al. 2010, S. 434f) kann ein signifikanter Zusammenhang zwischen Gewichtsverlusten und erniedrigten Serumpräalbuminspiegeln bei onkologischen PatientInnen festgestellt werden. Im Rahmen einer anderen Arbeit kann die Erhebung des Ernährungszustandes mittels MNA nur bei 73% der Gesamtpopulation erfolgen. Der Autor verweist dabei auf die Schwierigkeit der qualitativen Datenerhebung bei PatientInnen mit kognitiven Beeinträchtigungen (vgl. Pepersack 2005, S. 788).

Schlussfolgerung

Es bestehen berücksichtigungswürdige Zusammenhänge zwischen veränderten Präalbuminspiegeln und der Mangelernährung. Die Kategorisierung Mangelernährter anhand definierter Präalbumin-Referenzwerte scheint nur bedingt sinnvoll. Derzeit etablierte Screening- und Assessmenttools sind Multiparameterinstrumente und fragen eine Vielzahl von zur Diagnosestellung relevanten Informationen ab. Im klinischen Alltag gestalten sich die korrekte Erhebung des Körpergewichts sowie der Zugriff auf zuverlässige Werte aus der Vergangenheit oft schwierig. Naheliegend ist die Implementation von Präalbumin in Screening- bzw. Assessmentinstrumenten. Im Rahmen der Verlaufskontrolle von Mangelernährungszuständen erscheint Präalbumin unter Berücksichtigung des C-reaktiven Proteins als nützlich, da es gesteigerte Zufuhrmengen an Proteinen durch signifikante Veränderungen anzeigt.

Ausblick

In Ermangelung eines Goldstandards zur Diagnose der Mangelernährung liegt es an ErnährungsexpertInnen, aktuelle Standards weiterzuentwickeln. Insbesondere DiaetologInnen kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu, denn diese können „[…] den Ernährungsstatus […] mit anthropometrischen oder anderen Messmethoden bestimmen…“ und „[…] aus den bereits vorhandenen Befunden die ernährungsmedizinisch relevanten Informationen erkennen und erforderlichenfalls mit dem zuständigen Arzt oder der Ärztin Rücksprache über fehlende medizinisch relevante Informationen halten […]“ (FH-MTD-AV 2006, Anlage 4).

Resümee

  • Zwischen veränderten Präalbuminspiegeln und der krankheitsassoziierten Protein-Energie Mangelernährung bestehen berücksichtigungswürdige Zusammenhänge.
  • Die Kategorisierung Mangelernährter anhand definierter Präalbumin Referenzwerte scheint nur bedingt sinnvoll, da keine einheitlichen Referenz- und Grenzwerte bestehen.
  • Es bedarf weiterer Untersuchungen zur Implementation von Präalbumin in den Screening- bzw. Assessmentprozess.
  • Präalbumin ist geeignet, um unter Berücksichtigung des C-reaktiven Proteins gesteigerte Zufuhrmengen an Protein anzuzeigen.

Autor: Alexander Höller, alexander.hoeller@gmx.net

Literatur:

Antoun, S.; Rey, A.; Béal, J.; Montange, F.; Pressoir, M.; Vasson, M.P. et al. (2009): Nutritional Risk Factors in Planned Oncologic Surgery: What Clinical and Biological Parameters Should Be Routinely Used? In: World J Surg 33 (8), S. 1633–1640.

Capuano, G.; Gentile, P.C.; Bianciardi, F.; Tosti, M.; Palladino, A.; Palma, M. (2010): Prevalence and influence of malnutrition on quality of life and performance status in patients with locally advanced head and neck cancer before treatment. In: Support Care Cancer 18 (4), S. 433–437.

Devoto, G.; Gallo, F.; Marchello, C.; Racchi, O.; Garbarini, R.; Bonassi, S. et al. (2006): Prealbumin Serum Concentrations as a Useful Tool in the Assessment of Malnutrition in Hospitalized Patients. In: Clinical Chemistry 52 (12), S. 2281–2285.

Drescher, T.; Singler, K.; Ulrich, A.; Koller, M.; Keller, U.; Christ-Crain, M.; Kressig, R.W. (2010): Comparison of two malnutrition risk screening methods (MNA and NRS 2002) and their association with markers of protein malnutrition in geriatric hospitalized patients. In: Eur J Clin Nutr 64 (8), S. 887–893.

Fouque, D.; McKenzie, J.; Mutsert, R. de; Azar, R.; Teta, D.; Plauth, M.; Cano, N. (2008): Use of a renal-specific oral supplement by haemodialysis patients with low protein intake does not increase the need for phosphate binders and may prevent a decline in nutritional status and quality of life. In: Nephrology Dialysis Transplantation 23 (9), S. 2902–2910.

Kondrup, J.; Allison, S.P.; Elia, M.; Vellas, B.; Plauth, M. (2003): ESPEN Guidelines for Nutrition Screening 2002. In: Clinical Nutrition 22 (4), S. 415–421. Online verfügbar unter http://www.espen.org/documents/Screening.pdf, zuletzt geprüft am 16.06.2012.

Pepersack, T. (2005): Outcomes of Continuous Process Improvement of Nutritional Care Program Among Geriatric Units. In: Journal of Gerontology 60 (6), S. 787–792.

Schutz, Y.; Stanga, Z. (2010): Mangelernährung und Bestimmung des Ernährungszustandes. Definition und Bedeutung der Mangelernährung. In: H.K. Biesalski (Hg.): Ernährungsmedizin. Nach dem Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer; 276 Tabellen. 4. Aufl. Stuttgart [u.a.]: Thieme, S. 450–466.

Vellas, B.; Guigoz, Y.; Baumgartner, M.; Garry, P.J.; Lauque, S.; Albarede, J.L. (2000): Relationships Between Nutritional Markers and the Mini-Nutritional Assessment in 155 Older Persons. In: JAGS (Journal of the American Geriatrics Society) 48 (10), S. 1300–1309.

Venzin, R.M.; Kamber, N.; Keller, W.C.; Suter, P.M.; Reinhart, W.H. (2009): How important is malnutrition? A prospective study in internal medicine. In: Eur J Clin Nutr 63 (3), S. 430–436.

Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen über Fachhochschul-Bakkalaureatsstudiengänge für die Ausbildung in den gehobenen medizinisch-technischen Diensten (FH-MTD-Ausbildungsverordnung – FH-MTD-AV). BGBl. II Nr. 2/2006.

Stichworte:

Buchtipp

Ein perfektes Jahreszeitenkochbuch, bei dem die Hauptzutat immer nach dem Zeitpunkt ihrer Ernte im Mittelpunkt steht.

Mehr Information