Silvia Gimplinger, Daniela Wewerka-Kreimel*, Jutta Möseneder, Gabriele Karner
Ein wachsendes gesundheitliches Problem stellt die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen dar, 10 bis 20 % der deutschen Schulkinder und Jugendlichen sind übergewichtig [1]. Das Auftreten von Übergewicht bzw. Adipositas, sowie das damit assoziierte metabolische und kardiovaskuläre Risiko, hängen wesentlich von der Fettverteilung ab. Hierbei spielt vor allem das viszerale Fett, das anhand des Taillenumfangs gemessen werden kann, eine wichtige Rolle. Da der Taillenumfang alters- und geschlechtsabhängigen Veränderungen unterliegt, ist es erforderlich, alters- und geschlechtsspezifische Perzentilen zur Beurteilung des kindlichen und jugendlichen Taillenumfangs heranzuziehen [2].
Im Gegensatz zur steigenden Anzahl der Übergewichtigen und Adipösen in der Bevölkerung ist das momentan vorherrschende Schönheitsideal der Gesellschaft ein untergewichtiger Körper [3]. Ein Großteil der Jugendlichen versucht, diesem Idealbild durch gewichtssenkende Maßnahmen, wie beispielsweise das Halten von Diäten, zu entsprechen. Da dabei das untergewichtige Ideal selten erreicht wird, steigt die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper [4]. Als weitere Folge kann eine verzerrte Wahrnehmung der Körperform entstehen, die in der Literatur vor allem bei magersüchtigen PatientInnen beschrieben wird, die sich dennoch als zu dick fühlen [5]. Diese verzerrte Wahrnehmung gibt es auch in umgekehrter Weise bei übergewichtigen bzw. adipösen Kindern und Jugendlichen. Diese nehmen ihre Körperform nicht als übergewichtig, sondern als normalgewichtig wahr. Dadurch kann das mit Übergewicht assoziierte gesundheitliche Risiko nicht erkannt werden [6].
In dieser Bachelorarbeit wurde untersucht, wie sich das Körpergewicht auf die Beurteilung der Körperform und auf das Diätverhalten auswirkt. Das Augenmerk lag darauf, ob es einen Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit bzw. der Unzufriedenheit mit der eigenen Körperform und dem Halten von Diäten (bzw. anderen körpergewichtsreduzierenden Maßnahmen wie z.B. Sport) gibt. Im Gegensatz zu den umfassend untersuchten unter- und normalgewichtigen Jugendlichen, die sich als zu dick wahrnehmen [7-10], gibt es nur wenige Studien, die von übergewichtigen und adipösen Jugendlichen berichten, die ihren Körper als normalgewichtig wahrnehmen [6].
Darüber hinaus wurde die Verzehrshäufigkeit der Hauptmahlzeiten, als bedeutender Faktor bei der Entstehung von Übergewicht [9], berücksichtigt.
Mittels Selbstausfüller-Fragebogen wurden im Rahmen einer Querschnittsstudie folgende Parameter erhoben: Alter, Geschlecht, die Wahrnehmung der eigenen Körperform bzw. die der Eltern und der Großeltern, das Diätverhalten und andere das Körpergewicht beeinflussende Maßnahmen, die Mahlzeitenfrequenz der Hauptmahlzeiten und die Hauptmahlzeitengewohnheiten der Familie. Zudem wurden standardisierte anthropometrische Messungen von Körpergröße, Körpergewicht und Taillenumfang (TU) durchgeführt und der Body Mass Index (BMI) berechnet.
Diese nicht repräsentative Stichprobe setzte sich aus 180 SchülerInnen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren des Oberstufengymnasiums der Englischen Fräulein in St. Pölten zusammen. Die Rücklaufquote der korrekt ausgefüllten Fragebögen betrug 65 % (n = 117, 69 Mädchen und 48 Jungen).
Die Ergebnisse hinsichtlich eines Zusammenhangs zwischen der BMI- und TU-Perzentile und der Beurteilung der eigenen Körperform belegen, dass 14 bzw. 18 % (BMI bzw. TU) der befragten SchülerInnen ihre Körperform leicht abweichend klassifizierten. Es lässt sich ein Zusammenhang zwischen anthropometrischen Parametern und der Körperformwahrnehmung feststellen (C = 0,649 bei BMI-Perzentile und C = 0,574 bei TU-Perzentile). 73 % der übergewichtigen Jugendlichen (gemäß BMI-Klassifizierung) nahmen sich als normalgewichtig wahr und keiner der adipösen Schüler/innen bezeichnete sich als „dick“. Die Körperform wurde zunehmend verzerrt wahrgenommen, je höher das Körpergewicht war. Zudem haben 82 % der übergewichtigen und 80 % der adipösen GymnasiastInnen zumindest einmal versucht, ihr Gewicht zu reduzieren. Diese Ergebnisse bergen einen Widerspruch in sich, da in dieser Probandengruppe augenscheinlich das untergewichtige Gesellschaftsideal zur Gewichtsreduktion führt und nicht die Tatsache, dass sich diese übergewichtigen bzw. adipösen Jugendlichen als zu dick wahrnehmen.
Bei der Erhebung der Hauptmahlzeitenfrequenz wurde augenscheinlich, dass vor allem die 14- bis 17-Jährigen kein Frühstück verzehren. Diese Tatsache spiegelt auch der Jugendgesundheitssurvey wieder [9]. Das Mittagessen wird von den Jugendlichen am häufigsten verzehrt. Auffällig gering wird das Abendessen bei den 14- bis 15-Jährigen Mädchen dieser Studie verzehrt, da fast 30 % angaben, nur 2- bis 4-mal pro Woche abends zu essen. 46 % dieser Probandinnen haben schon versucht Körpergewicht zu reduzieren, besonders in dieser Gruppe waren die meisten übergewichtigen und adipösen Teilnehmer/innen anzutreffen.
Eine weiterführende repräsentative Studie zu dieser Thematik basierend auf den Ergebnissen dieser Pilotstudie wäre erforderlich, um allgemeingültige Aussagen für die österreichischen Jugendlichen treffen zu können. Die Notwendigkeit liegt darin begründet, da sich offensichtlich übergewichtige bzw. adipöse Jugendliche durch die verzerrte Wahrnehmung ihrer Körperform dem gesundheitlichen Risiko hinsichtlich vieler Folgeerkrankungen nicht bewusst sind.
* Korrespondenz:
FH-Prof. Daniela Wewerka-Kreimel, MBA
Studiengang Diätologie der FH St. Pölten
3100 St. Pölten, Matthias Corvinus-Straße 15
Daniela.Wewerka-Kreimel@fhstp.ac.at
Literatur:
[1] Wabitsch, M. & Kunze, D. (2009). Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA). Diagnostik, Therapie und Prävention von Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter. Berlin: Konsensus-Konferenz der AGA.
[2] Kromeyer-Hauschild, K., Gläßler, N. & Zellner, K. (2008). Perzentile für den Taillenumfang von Jenaer Kindern im Alter von 6 bis 18 Jahren. Aktuelle Ernährungsmedizin, 33, 116-122.
[3] Stier, B. & Weissenrieder, N. (2006). Jugendmedizin Gesundheit und Gesellschaft. Heidelberg: Springer.
[4] Marlok, G. & Weiss, H. (2006). Handbuch der Körperpsychotherapie. Stuttgart: Schattauer.
[5] Kasper, H. & Burghardt, W. (2009). Ernährungsmedizin und Diätetik (11. Aufl.). München: Elsevier Urban & Fischer.
[6] Haug-Schnabel, G. (2007). Zu dick, zu dünn, wer bin ich? Die Entwicklung des Körperbewusstseins bei Kindern und die Bedeutung eines positiven Selbstbildes als protektiver Faktor im Entwicklungsverlauf. LCI Moderne Ernährung Heute, 1, 14.
[7] Abraham, S. (2003). Dieting, body weight, body image and self-esteem in young women: doctors’ dilemmas. The Medical Journal of Australia, 178 (12), 607-611.
[8] Halek, C., Kerry, S., Humphrey, H., Crisp, A. & Hughes, J. (1993). Relationship between smoking, weight and attitudes to weight in adolescent schoolgirls. Postgraduate Medical Journal, 69, 100-106.
[9] Hurrelmann, K., Klocke, A., Melzer, W. & Ravens-Sieberer, U. (2003). WHO – Jugendgesundheitssurvey. Konzept und ausgewählte Ergebnisse für die Bundesrepublik Deutschland. Weinheim und München: World Health Organization.
[10] Malinauskas, B., Raedeke, T., Aeby, V., Smith, J. & Dallas, M. (2006). Dieting practices, weight perceptions, and body composition: A comparison of normal weight, overweight, and obese college females. Nutrition Journal, 5 (11). doi: 10.1186/1475-2891-5-11