Kochsalzersatzmittel, aktueller denn je?

Januar 2013

Koch­salz­er­satz­mittel stellen eine gute Mög­lichkeit dar, Natri­um­chlorid ein­zu­sparen. Sie sollten in der Ernäh­rungs­be­ratung des Gesunden und Kranken ver­mehrt berück­sichtigt werden.

 

Koch­salz­er­satz­mittel sind zum Teil als diä­te­tische Lebens­mittel für besondere medi­zi­nische Zwecke zuge­lassen (VO BGL. II Nr. 416/​2000, II, Nr. 78/​2008). Laut dem Merk­blatt zur Meldung eines diä­te­ti­schen Lebens­mittels gemäß § 8 des Lebensmittelsicherheits- und Ver­brau­cher­schutz­ge­setztes (LMSVG) ist jedoch keine Meldung und Geneh­migung erfor­derlich. Aus ernäh­rungs­me­di­zi­ni­scher und diä­to­lo­gi­scher Sicht ist eine Meldung zu befür­worten, da es ein­deutige Indi­ka­tionen sowie Kon­tra­in­di­ka­tionen gibt. Unter der Bezeichnung Kochsalz wird generell Natri­um­chlorid ver­standen. Der pro­zen­tuelle Mas­se­anteil von Natrium in Natri­um­chlorid beträgt ca. 39 %. Somit ent­halten 100 g Natri­um­chlorid ca. 39 g Natrium. Bei Koch­salz­er­satz­mitteln wird der Natri­um­gehalt in unter­schied­lichem Ausmaß redu­ziert und meist durch Kalium ersetzt (Siehe Tabelle 1).

Gesunde Personen

Laut Öster­rei­chi­schem Ernäh­rungs­be­richt 2008 ist die Koch­salz­auf­nahme bei Erwach­senen zu hoch. Männer nehmen pro Tag ca. 9 g, Frauen ca. 8 g auf. Im kli­ni­schen Alltag zeigt sich bei Bestimmung des Surrogat-​Parameters Natrium im 24-​Stunden-​Harn, dass die Koch­salz­zufuhr in der Regel wesentlich höher ist. Die WHO emp­fiehlt für Gesunde eine Salz­zufuhr von weniger als 5 g pro Tag. Rezente Unter­su­chungen weisen darauf hin, dass bei norm­o­ten­siven Per­sonen eine hohe Natri­um­zufuhr zur links­ven­tri­ku­lären Hyper­trophie, zu Ver­än­de­rungen der Struktur und Funktion von Arterien („arterial stiffness“), sowie der Funk­tio­na­lität der Niere führen kann. Geschätzt wird laut WHO, dass eine Reduktion der Salzzfuhr von 10 g auf 5 g die Schlag­an­fall­häu­figkeit um 23% und die Zahl der Herz-​Kreislauf-​Erkrankungen um 17% senkt. Gesunde sollten somit das Salzen von Speisen so weit wie möglich redu­zieren. Optimal wäre, Salz beim Kochen kom­plett weg­zu­lassen und anstatt dessen mit den zahl­reichen zur Ver­fügung ste­henden geschmacks­ver­bes­sernden Methoden zu arbeiten. Bei Nicht­ak­zeptanz der linden Kost könnte auch ein natri­um­re­du­ziertes Kochsalz ver­wendet werden. Damit können Gesunde einen wesent­lichen Beitrag zur Erhaltung ihrer Gesundheit leisten.

Hypertoniker

Laut ESC and ESH Gui­de­lines (2007) sollten Pati­enten mit arte­ri­eller Hyper­tonie weniger als 5 g Kochsalz pro Tag zu sich nehmen, was sich mit den Emp­feh­lungen für gesunde Per­sonen deckt. Eine solche Reduktion erfordert das Umsetzen zahl­reicher Maß­nahmen zur salz­armen Ernährung. Neue Emp­feh­lungen dies­be­züglich hat der Verband der Diae­to­logen Öster­reichs publi­ziert. Neue Emp­feh­lungen dies­be­züglich sind im Fachbuch „Ernährung, Diä­tetik, Diae­to­lo­gische Behandlung bei Nie­ren­er­kran­kungen und Harn­steinen“ kürzlich publi­ziert worden und können über den Verband der Diae­to­logen Öster­reichs  bestellt werden.

He et al. (2002) berichten in einer Meta­analyse von ran­do­mi­sierten Studien, wo bereits eine Reduktion der Salz­auf­nahme um 3 g die hyper­to­nie­be­dingten Schlag­an­fälle um 13% und die ischä­mi­schen Herz­er­kran­kungen selbst um 10% redu­ziert, ver­ur­sacht durch Blutdruckänderungen.

Die DASH-​Studie zeigt unab­hängig von der „Diet to stop Hyper­tension“ (reichlich Obst, Gemüse, Voll­korn­pro­dukte, Nüsse/​Samen und fettarme Milch­pro­dukte; redu­ziert an gesüßten Getränken, rotem Fleisch und indus­triell ver­ar­bei­tetem Fleisch) eine Kor­re­lation der Natri­um­zufuhr mit dem Blut­druck. Ver­glichen wurde eine Natri­um­zufuhr von 150, 100 und 50 mmol/​24 h (ca.8,8 g; 5,8 g; 2,9 g Kochsalz). Je nied­riger die Natri­um­zufuhr war, desto mas­siver konnte der sys­te­mische Blut­druck gesenkt werden.

Salz­sen­sitive Hyper­to­niker pro­fi­tieren von der Ver­wendung von Koch­salz­er­satz­mitteln sofern keine Kon­tra­in­di­ka­tionen bestehen. Ob eine Koch­salz­sen­si­tivtät gegeben ist, kann einfach eva­luiert werden. Vor­aus­setzung ist eine aus­rei­chende indi­vi­duelle Ein­schulung in die salzarme Ernährung und die Blut­druck­messung für zu Hause. Eine optimale Umsetzung im täg­lichen Leben beinhaltet auch eine genaue Doku­men­tation der Blut­druck­werte. Diese Ergeb­nisse sollten mit dem Arzt besprochen werden und lassen indi­vi­duell die Salz­sen­si­vität erkennen.

Osteroporose, kalziumhältige Harnsteine

Eine ver­mehrte Natri­um­zufuhr bringt eine erhöhte Kal­zi­um­aus­scheidung im 24-​h-​Harn mit sich, welche sich bei Osteo­porose und kal­zi­um­häl­tigen Harn­steinen wie Kal­zi­um­oxalat­steine oder Kal­zi­um­phos­phat­steine, nach­teilig aus­wirkt. Borghi (2002) konnte in einer ran­do­mi­ni­sierten kon­trol­lierten Studie zeigen, dass eine limi­tierte Salz­zufuhr ein Harn­stein­re­zi­div­ge­schehen verhindert.

Ödeme

Bei ver­schie­denen Erkran­kungen kommt es auf­grund einer ver­mehrten Natri­um­rück­re­sorption zu einer hydro­sta­ti­schen Druck­erhöhung und in wei­terer Folge zu Ödemen. Bei­spiele hierfür sind Herz­in­suf­fi­zienz, Nie­ren­in­suf­fi­zienz und Leber­zir­rhose. Das­selbe gilt für die prä­men­struelle Phase oder bei Gra­vi­dität. Auch Medi­ka­mente wie NSAR, ACE-​Hemmer, Kal­zi­um­ant­ago­nisten, Gli­tazone u.a. ver­ur­sachen eine ver­mehrte Natri­um­rück­re­sorption. Weiters ent­stehen durch Verlust des onko­ti­schen Drucks Ödeme wie beim nephro­ti­schen Syndrom, dem ente­ralen Eiweiß­ver­lust­syndrom, bei einer redu­zierten Albu­min­syn­these auf­grund einer Leber­in­suf­fi­zienz oder bei einer zu geringen oralen Eiweiß­zufuhr. Nachdem Natrium u.a. für die renale Rück­re­sorption von Wasser zuständig ist, wirkt eine ver­min­derte Zufuhr einer Ödem­bildung, unab­hängig von der Ursache, entgegen.

Hypokaliämie

Zur Hypo­ka­liämie kann es bei gas­tro­in­testi­nalen Sym­ptomen wie Erbrechen, Durch­fällen oder Krank­heiten, welche mit Resorp­ti­ons­stö­rungen ein­her­gehen, kommen. Ein Laxan­ti­enabusus könnte auch die Ursache sein. Ver­luste über die Haut bei starker Schweiß­bildung oder Ver­bren­nungen könnten eine Hypo­ka­liämie zur Folge haben, ebenso renale Ver­luste. Eine häufige Ursache ist die Ein­nahme von Diuretika, wobei Thia­zid­di­uretika eine stärkere Aus­wirkung auf den Verlust von Kalium mit sich bringen als Schlei­fen­di­uretika. Auch Anti­asth­matika oder eine zu hohe Insulin­dosis können eine Hypo­ka­liämie bedingen. Nicht unbe­deutend ist auch eine zu geringe orale Zufuhr, wie eine geringe Zufuhr von Obst, Gemüse, Voll­korn­pro­dukten u.a. Bei einer Hypo­ka­liämie kann der gezielte Einsatz eines kali­um­reichen Koch­salzes sinnvoll sein, vor­aus­ge­setzt es erfolgt eine eng­ma­schige Kon­trolle und eine ärzt­liche Rücksprache.

Kontraindikationen

Eine wesent­liche Kon­tra­in­di­kation von Koch­salz­er­satz­mitteln ist die Hyper­ka­liämie. Wichtig ist hierbei eine genaue Ana­mnese von Ursachen, wie folgend angeführt.

  1. Ver­tei­lungs­stö­rungen: Insu­lin­mangel, meta­bo­lische Azidose, aus­ge­prägter Zell­zerfall wie ein Tumorlysesyndrom.
  2. Ver­min­derte renale Aus­scheidung: Nie­ren­in­suf­fi­zienz (akut > chro­nisch), abhängig von der Funk­tio­na­lität und dem Säure-Basenhaushalt.
  3. Medi­ka­mente:
  • Aldos­te­ron­ant­ago­nisten wie Spironolacton
  • Kali­um­s­pa­rende Diuretika wie Amilorid, Tirameteren
  • Anti­biotika wie Time­thoprim, Ami­no­gly­koside u.a.
  • RAAS Hemmer, wie ACE-​Hemmer, AT-I-Rezeptorantagonisten,
  • AT-​II-​Rezeptorantagonisten, Reninantagonisten
  • Heparin
  • Digoxin
  • Cyclos­porin /​ Tacro­limus
  • NSAR
  • Kali­um­hältige Magne­si­um­prä­parate (Magnosolv® 195 mg Kalium/​Säckchen)

Eine Kon­tra­in­di­kation bei Ver­wendung eines unjo­dierten Koch­salz­er­satz­mittels ist ein Jod­mangel oder ein erhöhter Jod­bedarf bei Schwan­geren und Stillenden.

Bekannt ist, dass Kali­um­chlorid, abhängig von der Dosierung, einen bit­teren, metal­li­schen Geschmack auf­weist. Das in anderen Ländern als Koch­salz­er­satz­mittel ver­wendete Magne­si­um­chlorid schmeckt bitter, das selten ver­wendete Kal­zi­um­chlorid seifig, eben­falls dosis­ab­hängig. Als Alter­native wird Lysin-​Hydrochlorid ein­ge­setzt, da dieses salzig schmeckt und andere uner­wünschte Geschmacks­rich­tungen maskiert.

Die derzeit am Markt befind­lichen Koch­salz­er­satz­mittel mit Kali­um­chlorid weisen keinen bit­teren oder metal­li­schen Geschmack auf. Sollten aber Geschmacks­ab­wei­chungen indi­vi­duell wahr­ge­nommen werden, kann hier die Zugabe von Kräutern und Gewürzen Abhilfe schaffen (Siehe Tabelle 2).

Prak­tische Anwendung

Koch­salz­er­satz­mittel können wie jedes her­kömm­liche Salz ver­wendet werden. Werden 3 g (10 Prisen) jodiertes fein­kör­niges Kochsalz ein­ge­spart und wird aus­schließlich ein unjo­diertes Koch­salz­er­satz­mittel ver­wendet, wird ein Aus­gleich zur Abde­ckung des Jod­be­darfs durch 2 bis 3 kleine Por­tionen jod­reichen Mee­res­fisch oder ca. 80 ml Sichel­dorfer Mine­ral­wasser empfohlen.

Bedeutend ist, dass eine mög­lichst geringe Anzahl an Prisen vom Koch­salz­er­satz­mittel ein­ge­setzt wird. Psy­cho­lo­gisch gesehen könnte das Wissen, dass in dem Koch­salz­er­satz­mittel weniger Salz ent­halten ist, dazu führen, ver­mehrt nach­zu­salzen. Grund­sätz­liche Methoden zur Geschmacks­auf­wertung von Speisen (Zube­rei­tungs­tech­niken, Ver­wendung von Lebens­mitteln mit inten­siven Aromen u.a.) sollten nach wie vor ange­wandt werden, um die Lebens­qua­lität im Sinn von Genuss für den Ein­zelnen zu erreichen.

Eine Mög­lichkeit wäre auch, das bisher ver­wendete jodierte Kochsalz mit einem Koch­salz­er­satz­mittel zu mischen und beim Kochen zu ver­wenden. Man kann davon aus­gehen, dass diese spe­zielle Mischung im Alltag von Essens­teil­nehmern nicht bewusst wahr­ge­nommen wird und somit indirekt eine Ein­sparung von Natri­um­chlorid erreicht werden kann.

Koch­salz­er­satz­mittel kommen primär im pri­vaten Haushalt zur Anwendung. Ein wich­tiges Ein­satz­gebiet können die Diät­küche, sowie die Betriebs­küche sein. Auch der Einsatz direkt beim Pati­enten am Kran­kenbett im Rahmen eines sta­tio­nären Auf­ent­haltes ist möglich. In der Lebens­mit­tel­tech­no­logie wird geforscht, inwieweit bei der Her­stellung von Brot, Wurst- und Fleisch­waren Natri­um­chlorid redu­ziert oder durch Kali­um­chlorid oder andere Alter­na­tiven ersetzt werden kann. Damit könnte in Zukunft der Salz­gehalt von ver­ar­bei­teten Lebens­mitteln gesenkt werden.

Zusammenfassung

Kali­um­hältige Koch­salz­er­satz­mittel stellen eine Mög­lichkeit zum Erreichen der von der WHO emp­foh­lenen Salzzfuhr von unter 5 g pro Tag für den Gesunden dar. Ebenso können sie bei Hyper­to­nikern und bestimmten Krank­heits­bildern zum Einsatz kommen. Bei Bedarf ist ärzt­liche Rück­sprache zu halten, um etwaige Kon­tra­in­di­ka­tionen aus­zu­schließen. Im Rahmen des Ernäh­rungs­the­ra­pie­kon­zepts ist es wichtig, die genaue Dosis des gewählten Pro­dukts, sowie den Zeit­rahmen der Anwendung zu planen und mit dem Arzt abzu­stimmen und dies zu doku­men­tieren. Die fach­kom­pe­tente Ernäh­rungs­be­ratung trägt einen wesent­lichen Teil zur Akzeptanz der Diät­maß­nahmen bei und erhöht den erwünschten Therapieerfolg.

 

Autor: Maria Leopold, Diä­to­login, LKH-​Univ. Kli­nikum Graz, Tel.: 0316/​385/​80545, maria.leopold@klinikum-graz.at

 

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