Im Herbst und Winter haben Nahrungsergänzungsmittel „Saison“ und werden vorwiegend aus Motiven der Vorbeugung vor Erkältungen, zur Stärkung des Immunsystems usw. konsumiert. Die Gründe hiefür sind bis zu einem gewissen Grad psychologischer Natur. Freilich wird das Gebiet der Nahrungsergänzungsmittel intensiv beforscht und es gibt auch durchaus einiges Neues zu vermelden.
„Körperliche Gesunderhaltung“ und „Erkältung/Erkältungsvorbeugung“ wurden in einer Umfrage als die zwei häufigsten Anwendungsbereiche von Nahrungsergänzungsmitteln genannt, die Dr. Mark Lohmann vom deutschen Bundesinstitut für Risikoforschung heuer bei einem Vortrag in der AGES präsentierte. Da nimmt es nicht Wunder, wenn der Absatz von Nahrungsergänzungsmitteln im Herbst und Winter „ein deutliches Hoch“ erfährt, wie Mag. Marlies Gruber vom forum.ernährung vermeldet, wobei Kalzium und Vitamin C ganz oben auf der Liste rangieren. In der Folge neue Ergebnisse und Veröffentlichungen zu einigen Aspekten dieses Themenkreises.
Kalzium
Wiewohl die Bedeutung von Kalzium zur Prävention der Osteoporose unbestritten ist, so ist die Zufuhr über Supplemente offenbar nicht unkritisch zu beurteilen. Wissenschafter des Krebsforschungszentrums in Heidelberg haben kürzlich nämlich die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht (Heart 2012;98(12):920), der zufolge die Einnahme von Kalzium-Supplementen mit einem erhöhten Herzinfarkt-Risiko assoziiert sein könnte. Bei einer erhöhten Aufnahme von Kalzium über die Ernährung wurde ein solcher Effekt nicht beobachtet.
Vitamin D
Vor allem Vitamin D hat sich in letzter Zeit als Mangelvitamin auch in Europa herausgestellt. Abgesehen von den bekannten negativen Folgen eines Mangels für den Knochenaufbau sind in den vergangenen Jahren mögliche negative Effekte eines Vitamin-D-Mangels auf das Immunsystem, die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebserkrankungen beschrieben worden. Besonders betroffen davon sind Ältere und dabei vor allem Personen mit einem bewegungseingeschränkten Lebensstil mit wenig Sonnenexposition. Die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) empfiehlt daher für Personen ab 60 Jahren ein tägliche Zufuhr von 800 IE Vitamin D als Nahrungsergänzung. Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt seit kurzem die Einnahme von Vitamin D.
„Eine gesunde Ernährung reicht nicht aus, um den Bedarf älterer Menschen mit Vitamin D zu decken“, unterstreicht der künftige Präsident der DGG Univ.-Prof. Dr. Ralf-Joachim Schulz aus Köln. Auch die Haut könne im Alter nicht mehr genug wichtige Vorstufen des aktiven Wirkstoffes bilden, um den Bedarf zu decken. Die Fähigkeit der Haut zur Vitamin-D-Bildung nehme im Alter gegenüber einem 20-Jährigen um den Faktor vier ab. Der Ernährungsexperte verweist auf eigene Studien, wonach nur rund drei Prozent der Patienten, die in die geriatrische Abteilung eines Krankenhauses kommen, ausreichende Vitamin-D-Spiegel haben. „Regelmäßig Vitamin-D einzunehmen ist eine kostengünstige und effektive Maßnahme, um seine Gesundheit im Alter zu erhalten“, lautet sein Resümee.
In einer Übersichtsstudie hat Univ.-Prof. Dr. Heike Annette Bischoff-Ferrari vom Zentrum Alter und Mobilität der Universität Zürich und Stadtspital Waid die Daten von acht Doppelblindstudien bezüglich Stürzen und zwölf Studien bezüglich Knochenbrüchen ausgewertet (N Engl J Med 2012;367(1):40). Die Ergebnisse zeigen, dass Patienten, die 700 bis 1000 Internationale Einheiten Vitamin D einnehmen, 34 Prozent seltener stürzen und 20 Prozent weniger Knochenbrüche erleiden. Andere Studien bestätigen, dass alte Menschen die Vitamin-D einnehmen, sicherer gehen, seltener stürzen und weniger Knochenbrüche erleiden.
Dauerbrenner Multivitamine
Wer, wann, wie viel – diese Fragen in Bezug auf Multivitaminpräparate zählen zu den Dauerbrennern in den Diskussionen. Einen neueren Beitrag dazu liefern Michale Gaziano vom Brigham and Women’s Hospital in Bosten und Kollegen mit einer weiteren Auswertung von Daten aus der Physician’s Health Study II (JAMA 2012;308(18):1871). Diejenigen, die elf Jahr lang täglich Vitamine und Mineralstoffe in Form eines handelsüblichen Nahrungsergänzungsmittels eingenommen hatten, wiesen ein um acht Prozent geringeres Gesamtrisiko für Krebserkrankungen auf als die Plazebogruppe. Unbeeinflusst blieben Krebsformen wie Prostatakrebs und Dickdarmkrebs. Auch die Mortalität aufgrund von Krebserkrankungen wurde nicht beeinflusst. Alles in allem könne das Gesamtrisiko für Krebserkrankungen durch die tägliche ergänzende Einnahme von Vitamin- und Mineralstoffpräparaten in einem bescheidenen, aber signifikanten Ausmaß reduziert werden, schließen die Autoren. Interessant erscheint dabei der Aspekt, dass der Anteil der Probanden mit einem gesundheitsbewussten Lebensstil überdurchschnittlich hoch war. Damit könnte die Gabe von Multivitaminen auch zusätzlich zu einer ausgewogenen Ernährung und ausreichend Bewegung positive Effekte entfalten.
Omega-3-Fettsäuren & Immunzellen
Die Ergebnisse einer Untersuchung von Dr. Janice Kiecolt-Glaser von der Ohio State University und Kollegen legen nahe, dass supplementierte Omega-3-Fettsäuren einen günstigen Einfluss auf den Alterungsprozess haben und zwar unter anderem über die Modulation von Immunzellen. Bei der viermonatigen doppelblind geführten Studie wurde die Länge von Telomeren gemessen, die als ein Maß für das Fortschreiten des Alterungsprozesses gilt. Omega-3-Fettsäuren sind offenbar im Stande, die Verkürzung der Telomere hintan zu halten und damit den betreffenden Zellen eine längere Lebensdauer zu bescheren. Neben der längeren Lebensdauer von Telomeren in Immunzellen wurde in Verbindung mit der Einnahme von Omega-3-Fettsäuren auch ein geringerer oxidativer Stress beobachtet.
Ein Review australischer Wissenschafter wiederum beschäftigte sich mit dem Zusammenhang von supplementierten Mikronährstoffen und Omega-3-Fettsäuren auf die kognitive Leistungsfähigkeit, Lernvermögen und Verhalten von Kindern und Jugendlichen in hochentwickelten Ländern (Nutr Rev 2012;70(10):594). Hinweisen zufolge werden verschiedene kognitive Leistungen verbessert, wobei die Omega-3-Fettsäuren nicht den ausschlaggebenden Faktor darstellen. Eine derartige Supplementierung dürfte vor allem Kindern aus Familien mit einem schwachen sozioökonomischen Status, Kindern mit Aufmerksamkeitsdefizit und Lernstörungen zu Gute kommen.
Ernährung & Immunsystem reloaded
Quelle: forum.ernährung heute |
Red.