Eine kritische Replik

Juni 2013

Ratten-​Studie: „Gene­tisch ver­än­derter Mais und Roundup erhöhen Sterb­lichkeit“. Mehr als 37 staat­liche Behörden und Wis­sen­schafts­ver­ei­ni­gungen kamen nach ein­ge­hender Über­prü­fungen und Aus­wertung der wenigen in der Séralini-​Studie (1) ver­füg­baren Daten zum Schluss, dass diese Studie in der vor­lie­genden Form wis­sen­schaft­lichen Kri­terien nicht ent­spricht und die Ergeb­nisse nicht für eine Risi­ko­neu­be­wertung von gen­tech­nisch ver­än­dertem Mais (gv-​Mais NK603) und Gly­phosat (Roundup) her­an­ge­zogen werden können (2).

Das Vor­gehen von Prof. Séralini und CRIIGEN (Com­mittee for Research & Inde­pendent Infor­mation on Genetic Engi­neering) bei einer im Sep­tember 2012 online ver­öf­fent­lichten Lang­zeit­füt­te­rungs­studie (1) an Ratten mit gen­tech­nisch ver­än­dertem Mais (gv-​Mais NK603) und mit Roundup-​Formulierungen war für eine wis­sen­schaft­liche Arbeit unge­wöhnlich. Nach ihrer Ansicht sind die Ergeb­nisse so besorg­nis­er­regend, dass Öffent­lichkeit und Politik in groß­an­ge­legten PR-​Events über die Gefahren des Ver­zehrs gen­tech­nisch ver­än­derter Pro­dukte und der Anwendung von Roundup gewarnt werden müssen. Zusätzlich sollten den Zulas­sungs­be­hörden, ins­be­sondere der EFSA (European Food Safety Aut­hority), Unzu­läng­lich­keiten bei der Sicher­heits­be­wertung trans­gener Pflanzen vor Augen geführt werden. Allein ergeb­nis­ge­trieben sahen hier Gen­tech­nik­kri­tiker und –gegner den lang ersehnten wis­sen­schaft­lichen Beweis für die Gefähr­lichkeit von Lebens­mitteln aus gen­tech­nisch ver­än­derten Orga­nismen (GVO): Diese Pro­dukte und transgene Pflanzen würden zu erhöhten Krebs­raten und Todes­fällen zumindest bei Ratten führen. Kurzum, gen­tech­nisch ver­än­derte Lebens­mittel seien gesund­heits­ge­fährdend und müssten ver­boten werden. Die Wis­sen­schaft hin­gegen war scho­ckiert, dass ein Manu­skript trotz zwei­ma­liger Begut­achtung mit derart gra­vie­renden metho­di­schen Mängeln und feh­lenden Daten, die die auf­ge­stellten Behaup­tungen belegen sollten, über­haupt zur Publi­kation ange­nommen werden konnte. Das Ver­trauen in das Gut­ach­ter­system bzw. in die Fach­kom­petenz der Gut­achter der Zeit­schrift „Food and Che­mical Toxi­cology“ war erschüttert. 

Versuchsdesign

Die Arbeits­gruppe um Séralini von der Uni­ver­sität Caen hatte zwei Jahre lang unter größter Geheim­haltung Ratten (Harlan Sprague-​Dawley) mit gv-​Mais NK603 und Roundup im Trink­wasser gefüttert und die Ergeb­nisse mit einer Kon­troll­gruppe ver­glichen. Die Kon­troll­gruppe, jeweils 10 weib­liche und 10 männ­liche Tiere, erhielt eine Diät mit 33% kon­ven­tio­nellem Mais und „nor­malem“ Trink­wasser. Die Ver­suchs­gruppen (eben­falls jeweils 10 weib­liche und 10 männ­liche Tiere) erhielten gv-​Mais NK603 (11, 22, 33%), der mit Roundup (Gly­phosat) behandelt war. Eine weitere Gruppe erhielt 33% kon­ven­tio­nellen Mais, aber diesmal mit 1,1%x10-8, 0,09% und 0,5% Roundup im Trink­wasser. Nach Angaben von Séralini et al. ent­sprechen diese Pro­zent­an­gaben Kon­zen­tra­tionen von 0,00005, 400 und 2.250 mg/​l Gly­phosat. Ins­gesamt wurden 200 Tiere in den Versuch ein­be­zogen. Typi­scher­weise erhielten sie die Nahrung ad libitum. Über die gesamte Ver­suchszeit wurde das Auf­treten von Tumoren und/​oder Erkran­kungen beob­achtet. Am Ver­suchsende wurden Tiere seziert und Tumore anatomisch/​morphologisch ana­ly­siert. Nahrungs- und Was­ser­auf­nahme sowie Gewichts­zu­nahme der Tiere aller Ver­suchs­gruppen wurden pro­to­kol­liert. Zu 11 Zeit­punkten wurden 47 Blut- und Urin­pa­ra­meter bestimmt; mehr als 500 Daten­sätze wurden erstellt. 

Methodische Unzulänglichkeiten

Ohne jede Berück­sich­tigung der OECD-​Empfehlungen für Füt­te­rungs­ver­suche (3) werden in der Séralini-​Studie als Ver­gleich zu den 180 Tieren in den Ver­suchs­gruppen nur 20 Tiere als Kon­trolle her­an­ge­zogen. Diese Zahl ist für einen Lang­zeit­versuch viel zu gering. Dies muss auch vor dem Séralini bekannten Hin­ter­grund betrachtet werden, dass der ver­wendete Rat­ten­stamm Harlan Sprague-​Dawley ver­mehrt zur Bildung spon­taner Tumoren neigt. Selbst der Züchter, von dem die Ver­suchs­ratten bezogen wurden, schreibt über Lebens­er­wartung und spontane Erkran­kungen des Stammes: „… pituitary gland tumors were found in 20% of the males and 39% of the females. This rela­tively low inci­dence had little effect on the sur­vival of the females (50%) due to the high inci­dence (76%) of mammary gland tumors (pre­do­mi­nantly fibroa­de­nomas)”. Schon deshalb werden die Befunde aus der zu kleinen Kon­troll­gruppe in Bezug auf die Ver­suchs­gruppen frag­würdig. Séralini führte mehrmals aus, dass er eigentlich keine Tumore bzw. keine Kan­ze­ro­ge­nität erwartet hatte und deshalb keine größere Anzahl von Tieren ver­wendet habe. Dies über­rascht, unter­sucht er hier doch Roundup-​Formulierungen, denen er in anderen Publi­ka­tionen eine erhöhte Kan­ze­ro­ge­nität zuschreibt, die er bei trans­genen Pflanzen auch ver­mutet. Ins­gesamt muss auf­grund der lite­ra­tur­be­kannten Fakten (4, 5) zu dem ver­wen­deten Rat­ten­stamm das von Séralini gewählte Ver­suchs­design mit lediglich 10 Tieren pro Geschlecht und Gruppe als unge­eignet ange­sehen werden. 

Die Kenntnis der stoff­lichen Zusam­men­setzung des Lebens­mittels bzw. des Futters ist eine der Grund­vor­aus­set­zungen in Sicher­heits­un­ter­su­chungen durch Tier­ex­pe­ri­mente. Die Not­wen­digkeit solcher Unter­su­chungen wurde intensiv dis­ku­tiert und bewertet (6, 7, 8). Séralini et al. haben solche Ana­lysen wahr­scheinlich auch durch­ge­führt, machen in der Publi­kation aber kei­nerlei Angaben über Makro- und Mikro­nähr­stoffe. Ver­glei­chende stoff­liche Angaben zu Refe­renzmais und gv-​Mais NK603 fehlen. Es ist somit nicht ersichtlich, ob die Nah­rungs­mittel ernäh­rungs­phy­sio­lo­gisch äqui­valent sind. In der Publi­kation fehlen Angaben, inwieweit die 11, 22 und 33% Mais­zu­mi­schungen zur Stan­darddiät tat­sächlich in ihrer ernäh­rungs­phy­sio­lo­gi­schen Wer­tigkeit äqui­valent sind; mög­li­cher­weise wurde ent­spre­chend der kon­ven­tio­nelle Mais zuge­mischt. Es ist von drei Test­diäten unter­schied­licher Zusam­men­setzung mit unter­schied­lichem Nährwert aus­zu­gehen. Aus wis­sen­schaft­licher Sicht dürften eigentlich nur die Ergeb­nisse der 33%-Mais-Versuchsgruppen ver­glichen werden. Die lücken­haften Angaben zu den Diät­mi­schungen machen eine Inter­pre­tation der Ver­suchs­er­geb­nisse fast unmöglich. 

Obwohl der Ein­fluss von Roundup in der Nahrung toxi­ko­lo­gisch bewertet werden soll, wird der Gehalt an Gly­phosat in dem mit Roundup behan­delten gv-​Mais NK603 ver­schwiegen. Es werden auch keine Infor­ma­tionen zur Anwendung oder dem (den) Behandlungszeitpunkt(en) des gv-​Maises NK603 mit Roundup während des Anbaus gegeben. In der Studie werden zwei gänzlich unter­schied­liche Roundup-​Formulierungen ver­glichen. Im Trinkwasser-​Versuch wird Roundup GT-​Plus 450g/​l Gly­phosat (51% Wirk­stoff, 7,5% einer Ein­zel­sub­stanz, Rest Wasser) ein­ge­setzt, während beim gv-​Mais NK603 das Her­bizid Roundup Weather-​Max 540g/​ L Gly­phosat (48,8% Wirk­stoff und 51,2% andere Sub­stanzen) ver­wendet wird. Ein Ver­gleich der Ergeb­nisse aus dem Trink­was­ser­versuch und dem Gv-​Mais NK603 mit Roundup Behandlung ist deshalb nur ein­ge­schränkt möglich. Die Ver­suchs­er­geb­nisse müssen separat betrachtet werden. Pro Ver­suchs­gruppe wurden sehr viele bio­che­mische Para­meter erhoben (ca. 500 Daten­sätze). Eine klare und für solche Unter­su­chungen aner­kannte sta­tis­tische Aus­wertung wäre möglich gewesen, statt­dessen wurde die OPLA-​DA-​Auswertung (Ortho­gonal Partial Least Squares Dis­cri­minant Ana­lysis) durchgeführt. 

Ergebnisse

In der Publi­kation werden kaum und nur sehr wenig aus­ver­wertbare Daten wie­der­ge­geben. Roh­daten können lediglich aus den Abb.1 und 2 ent­nommen werden. Auf­grund der Dar­stel­lungs­weise kann die Lebens­zeit­dauer der Tiere nur geschätzt (±10 Tage) werden. Ver­laufs­kurven zu Gewichts­zu­nahme oder Nah­rungs­auf­nahme der Tiere über den Zeitraum werden nicht gezeigt. Aber gerade diese Daten würden unter­stüt­zende Rück­schlüsse auf den Gesund­heits­status der Tiere liefern. Daten, die die Aus­sagen über früh­zeitige und ver­mehrte Tumore unter­stützen, fehlen und Angaben über Erkran­kungen (Tab. 3) werden sub­jektiv wie­der­geben. Eine Über­prüfung der Daten aus der OPLA-​DA Sta­tistik zu den bio­che­mi­schen Para­metern in Abb. 5A ist nicht möglich. Die bio­che­mi­schen Daten werden zwar zur Unter­mauerung der Erkran­kungen her­an­ge­zogen, aber auch hier werden wei­ter­füh­renden Angaben über alle Ver­suchs­gruppen nicht gemacht. Anstatt belastbare Daten zu ver­öf­fent­lichen, werden aus popu­lis­ti­scher Effekt­ha­scherei auf fast einer halben Seite Farb­fotos von Tieren mit sehr großen Tumoren gezeigt. Ver­schwiegen wird, dass ähn­liche Tumore auch in den Kon­troll­gruppen auf­treten. Nicht ver­wun­derlich ist, dass in der Séralini-​Studie nahezu mit gleicher Fre­quenz genau die Tumore gefunden werden, die der Lie­ferant des Rat­ten­stammes aus seinen Lang­zeit­er­fah­rungen mit dem Stamm angibt. 

Lebensdauer /​ Sterblichkeit

Recht lapidar beschreiben die Autoren, dass ca. 50% der männ­lichen und ca. 70% der weib­lichen Tiere in den Ver­suchs­gruppen gegenüber den Tieren aus der Kon­troll­gruppe vor­zeitig vor dem Erreichen der nor­malen Lebens­er­wartung (ca. 2 Jahre) sterben. Sie werten dies als einen deut­lichen Hinweis auf die Toxi­zität von gv-​Mais NK603 und von Roundup (Gly­phosat). Diese pau­scha­lie­rende Betrach­tungs­weise ist aber nicht zulässig. Sie bezieht weder mög­liche Dosis­ef­fekte noch Unter­schiede aus dem Trink­was­ser­versuch und den gv-​Mais-​NK603-​Versuchen ein. Der Bezugs­punkt zur Lebens­er­wartung der Tiere aus den Kon­troll­gruppen ist eben­falls zu hin­ter­fragen. In der Séralini-​Studie treten bei der weib­lichen Kon­troll­gruppe lediglich 2 Todes­fälle auf, somit ist die Lebens­er­wartung der weib­lichen Tier­gruppe mit 80% außer­or­dentlich hoch. Die his­to­risch gefunden Werten liegen dagegen bei durch­schnittlich 42%. Wahr­scheinlich ist diese in der Séralini-​Studie beob­achtete hohe Lebens­er­wartung rein zufällig und ergibt sich lediglich aus der geringen Anzahl von Ver­suchs­tieren. Bei den männ­lichen Tieren dagegen liegt die Lebens­er­wartung der Kon­troll­gruppe im Bereich der his­to­risch bekannten Werte. Eine separate Betrachtung der Sterb­lichkeit und Über­le­bens­dauer in den Ver­suchs­gruppen ist somit ange­bracht. In den hier vor­ge­stellten Abbil­dungen (Abb. IA, IB) ist die Lebens­dauer der Tiere aus den Trinkwasser- und den 33%-gv-Mais-NK603-Versuchen (mit und ohne Roundup) aus den Séralini-​Daten einer etwas anderen Form dargestellt. 

Roundup im Trinkwasser

Im Trink­was­ser­versuch werden Glyphosat-​Konzentrationen von 50, 400 und 2.250mg/l ein­ge­setzt. Bei diesen großen mehrere Zeh­ner­po­tenzen umfas­senden Unter­schieden in den Wirk­stoff­kon­zen­tra­tionen sollten Dosis­ef­fekte zu erwarten sein. Bei männ­lichen Tieren ist kaum ein nega­tiver Ein­fluss auf die Lebens­dauer fest­stellbar, vielmehr wirkt sich die höchste Glyphosat-​Konzentration (2,25 g/​l) sogar positiv auf die Lebens­er­wartung aus. Es ist eine Lebens­ver­län­gerung von fast 100 Tagen zu beob­achten (Abb. IA). Diese hohe Glyphosat-​Konzentration scheint auch der Krebs­ent­stehung ent­gegen zu wirken. Bei den nied­ri­geren Kon­zen­tra­tionen sind weder auf Lebens­dauer noch auf Todes­fälle signi­fi­kante Ein­flüsse erkennbar. Diese Beob­achtung bedeutet de facto, dass sich Roundup bei männ­lichen Ratten positiv im Sinn einer Tumor­pro­tektion und län­geren Lebens­er­wartung aus­wirkt. Eine Dosis-​Wirkung-​Beziehung ist hier nicht feststellbar. 

Bei den weib­lichen Tieren sterben die Tiere auf­grund der über­ra­schend hohen Lebens­er­wartung in den Glyphosat-​Gruppen früher, aber tat­säch­liche Dosis­ef­fekte sind auch nicht aus­machbar. Die Lebens­raten in den Ver­suchs­gruppen ent­sprechen im Wesent­lichen den his­to­ri­schen Daten für „unbe­han­delte“ Ratten. Die Menge des auf­ge­nom­menen Gly­phosats ist nicht mit der Lebens­er­wartung kor­re­liert. Sie hat hier offen­sichtlich keine bio­lo­gische Relevanz. 

Betrachtet man die Todes­raten in den Trinkwasser-​Versuchsgruppen, so sterben sowohl in der Kon­troll­gruppe als auch in der Ver­suchs­gruppe mit der höchsten Kon­zen­tration an Roundup jeweils 5 Tiere (50%) (Tab. I). Bei den männ­lichen Tieren sterben fast alle – unab­hängig von den Roundup-​Konzentrationen – im Grei­sen­alter nahezu ohne auf­fällige Krebs­be­funde. Bei den weib­lichen Tieren mussten alle sowohl in den Versuchs- als auch in der Kon­troll­gruppe ab etwa dem 300.Tag auf­grund gra­vie­render Krebs­er­kran­kungen aus ethi­schen Gründen getötet werden. Bei den männ­lichen Tieren sterben in der Kon­troll­gruppe 3 Tiere spontan, in der Ver­suchs­gruppe mit 2,25 g/​l Roundup nur 1 Tier. Bei der geringsten Kon­zen­tration (50ng/​l) sterben wie in der Kon­troll­gruppe 3 Tiere (2 spontan; 1 getötet), wobei die Lebens­ver­län­gerung immerhin zirka 50 Tage beträgt. Alles in allem ist hin­sichtlich der Todes­raten der Tiere keine Signi­fikanz oder bio­lo­gische Relevanz von Roundup erkennbar. 

Gv-​Mais NK603 mit und ohne Roundup

Auf­grund der Unsi­cherheit bezüglich Ver­gleich­barkeit der Diäten werden zunächst die Ergeb­nisse aus den Diäten mit 33% Mais­anteil betrachtet. In den Über­le­bens­raten der Ver­suchs­tiere (männlich und weiblich) sind die Unter­schiede nicht so aus­ge­prägt wie beim Trink­was­ser­versuch (Abb. IB). Aber auch bei den männ­lichen Tieren ist die Über­le­bensrate im Ver­gleich zur Kon­troll­gruppe höher (ca. 60 Tage), gleich­gültig ob der Mais mit Roundup behandelt wurde oder nicht. Sta­tis­tisch signi­fi­kante Unter­schiede bei den Todes­fällen gibt es nicht. In der Kon­troll­gruppe wie in der Ver­suchs­gruppe gv-​Mais NK603 mit Roundup sterben jeweils drei Tiere, wobei nur ein Tier in der Ver­suchs­gruppe NK603 stirbt. Bei den weib­lichen Tieren ergeben sich keine gra­vie­renden Unter­schiede in den Über­le­bens­raten, aller­dings treten bei der Ver­suchs­gruppe gv-​Mais NK603 mit Roundup früher Todes­fälle auf als in der Kon­troll­gruppe. Ins­gesamt treten bei der Kon­troll­gruppe 2 Todes­fälle auf, während es in der Ver­suchs­gruppe gv-​Mais NK603 4 und in der Ver­suchs­gruppe gv-​Mais NK603 mit Roundup 5 sind (Tab. II). 

Bei den Füt­te­rungs­ver­suchen mit 11 und 22% Mais­anteil könnten durchaus dosis­ab­hängige Effekte ver­mutet werden, wobei gerade der 11%-Maisanteil mit oder ohne Roundup bei den männ­lichen Tieren den höchsten nega­tiven Ein­fluss auf die Lebens­dauer und Sterb­lichkeit ausübt. Bei den weib­lichen Tieren sind diese Effekte nicht erkennbar, die 11%- und 22%-Maisanteile haben einen gerin­geren Ein­fluss als der aus dem 33%-Maisanteil beob­acht­baren. Bei den männ­lichen Tieren könnte ein nega­tiver Dosis­effekt abge­leitet werden. Je geringer die Mais­an­teile sind (mit oder ohne Roundup), desto größer ist ihr ein Ein­fluss auf die Lebens­dauer und Sterb­lichkeit, während es bei den weib­lichen Tieren umge­kehrt erscheint.

Eine sta­tis­tische Aus­wertung der ver­öf­fent­lichten Daten nach Kaplan-​Meier zeigt, dass die beob­ach­teten Unter­schiede in den Über­le­bens­raten (Todes­fällen) zwi­schen den Test- und Kon­troll­gruppen nicht signi­fikant sind. Die Roh­daten unter­stützen die Aus­sagen von Séralini zur Sterb­lichkeit der Ratten durch die Auf­nahme von gen­tech­nisch ver­än­dertem Mais (Mais NK603) oder von Roundup nicht.

 

Tumore und Erkrankungen

Aus Abb. 2 der Séralini-​Studie können die Roh­daten zum zeit­lichen Auf­treten und zur Anzahl nicht regres­siver fühl­barer Tumore ent­nommen werden. In Tab. 3 sind die am häu­figsten auf­tre­tenden patho­lo­gi­schen Befunde wie­der­ge­geben. Aus der Abb. 2 ergibt sich, dass innerhalb von 420 Tagen in den Kon­troll­gruppen keine Tumore auf­treten, während im gleichen Zeitraum bereits 10 bis 30% der weib­lichen Tiere Tumore ent­wi­ckelt haben. Bei männ­lichen Tieren treten dagegen z.B. bei Gly­phosat im Trink­wasser (2,25 g/​l) erst nach 520 Tagen Tumore auf. Diese ver­all­ge­mei­nernde Betrach­tungs­weise ist nicht zulässig. Auch hier müssten die Daten innerhalb der Ver­suchs­gruppen separat geschlechts­spe­zi­fisch ana­ly­siert werden. Auf­fallend ist wieder, dass keine Dosis-​Wirkungsbeziehung besteht. Fast durch­gängig treten Tumore bei gerin­geren Mais­mengen oder gerin­geren Glyphosat-​Konzentrationen im Trink­wasser früher auf als bei höheren Wirk­dosen. Wie bei der Sterb­lichkeit sind die weib­lichen Tiere auf­grund ihrer generell län­geren Lebens­er­wartung emp­find­licher gegenüber gv-​Mais NK603 und Roundup im Futter als die männ­lichen Tiere. Diese erhöhte Emp­find­lichkeit gilt aller­dings auch für andere Test­sub­stanzen und ist nicht spe­zi­fisch für Pro­dukte aus der Gen­technik oder Roundup. Wie­derum lässt sich keine Signi­fikanz für die beob­ach­teten Tumore nach­weisen, innerhalb der Ver­suchs­gruppen variiert die Gesamtzahl der Tumore nur gering­fügig gegenüber den Kon­troll­tieren. So weist die männ­liche Kon­troll­gruppe 13 Tumore auf, während in der Ver­suchs­gruppe gv-​Mais NK603 mit Roundup bei den Diäten mit 11, 22 und 33% Mais­anteil und Roundup 9, 7 und 10 Tumore ertastet werden. Die Anzahl der großen Tumore, wie sie auch in der Tier­ab­bildung gezeigt werden, schwankt zwi­schen 1 und 3. Bei den weib­lichen Tieren treten mehr Tumore auf. Bei der Kon­troll­gruppe sind es 19, während bei den Diäten mit 11, 22 und 33% Mais­anteil und Roundup über 21,19 und 24 berichtet wird. 

Die Anzahl der großen Tumore schwankt ins­gesamt zwi­schen 6 und 9 (Abb. II). Diese gering­fü­gigen Unter­schiede können bei der geringen Anzahl von Ver­suchs­tieren nicht als signi­fikant betrachtet werden. Ein Ein­fluss auf die Ent­stehung und eine ver­mehrte Anzahl von Tumoren durch die Auf­nahme von gv-​Mais NK603 und Roundup lassen sich aus den ver­öf­fent­lichten Daten nicht ableiten. 

In Tab. 3 der Séralini-​Studie sind die am häu­figsten auf­tre­tenden Erkran­kungen an Organen auf­ge­listet. Hier wird weder in der Schwere der Erkrankung noch in der Organ­spe­zi­fität unter­schieden. Eine Dosis­ab­hän­gigkeit ist nicht erkennbar, mög­lich­weise sind es spontan zufällig auf­tre­tende Erkran­kungen. In Abb. III wird eine Zusam­men­stellung für Brust­tumore und Erkran­kungen an Hypo­physe und Niere über die Gesamt­gruppe auf­ge­zeigt. Die Schwan­kungs­breite der Erkran­kungen der Tiere ist nur gering, sie variiert zwi­schen 1 und 3 Erkrankungen. 

Eine gewisse Dosis­ab­hän­gigkeit kann even­tuell, auch wenn sie wider­sprüchlich ist, abge­leitet werden. Bei mit Roundup behan­deltem gv-​Mais NK603 könnte bei den Brust­tu­moren eine positive Dosis­ab­hän­gigkeit gesehen werden, die aber bei allen anderen Erkran­kungen nicht erkennbar ist. Für Erkran­kungen an der Hypo­physe könnte für gv-​Mais NK603 und für Nie­ren­er­kran­kungen bei Roundup im Trink­wasser eine inverse nicht lineare Dosis­ab­hän­gigkeit, mög­li­cher­weise ein Schwel­lenwert zur Aus­lösung der Erkrankung ver­mutet werden. Ins­gesamt ist eine solche Inter­pre­tation sicherlich auf­grund der geringen Tier­zahlen und den ver­wen­deten Dosen wis­sen­schaftlich nicht gerecht­fertigt. Die auf­ge­lis­teten Erkran­kungen sind wie­derum genau die­je­nigen, die man bei diesem Rat­ten­stamm auch bei Standard-​Fütterungsversuchen über die gesamte Lebens­dauer findet. Ein Ein­fluss der Ver­suchs­diäten auf eine erhöhte Tumor­ent­stehung ist mit den publi­zierten Daten nicht hin­rei­chend belegt. 

Biochemische Parameter

In der Studie wurden 47 Blut- und Urin­pa­ra­meter zu 10/​11 Zeit­punkten pro Tier und Kontroll- und Ver­suchs­gruppen ana­ly­siert. Publi­ziert wird aber nur die Daten­ver­rechnung für die weib­lichen Tiere aus der 33%-gv-Mais-NK603-Versuchsgruppe und zum Zeit­punkt 15 Monate. Obwohl die Autoren gerade Ver­än­de­rungen in den bio­che­mi­schen Para­metern zur Unter­stützung ihrer Aus­sagen über Sterb­lichkeit und Tumor­ent­stehung her­an­ziehen, bleibt es unver­ständlich, warum lediglich der 15-​Monate-​Datensatz der weib­lichen Tiere mit einer für diese geringe Daten­anzahl unge­eig­neten sta­tis­ti­schen Methode abge­bildet wird (Abb. 5A in der Séralini-​Studie). Die eigent­lichen Ver­suchs­daten sind nicht ver­öf­fent­licht. Somit ist eine Über­prüfung der Aus­wertung nicht möglich. Aus der Abbildung 5A können nach­voll­ziehbar keine sta­tis­ti­schen Unter­schiede zwi­schen Kontroll- und Ver­suchs­gruppe abge­leitet werden. Ebenso ist die Aussage, dass die Erkran­kungen auf Ver­än­de­rungen im Testosteron-​Östradiol- Serum­spiegel zurück­zu­führen seien, durch die vor­legten Daten (Abb. 5B) nicht belegt. Die Aussage, dass ein Stoff im gv-​Mais NK603 oder Roundup wie endo­krine Dis­rup­toren einen Ein­fluss auf die Hor­mon­re­gu­lation habe, lässt sich aus den publi­zierten Daten nicht belegen.

Schlussfolgerungen

In der Füt­te­rungs­studie von Séralini et al. (1) werden nur wenige Roh­daten ver­öf­fent­licht. Aus den wenigen Daten lassen sich die Aus­sagen der Autoren zur Sterb­lichkeit sowie zur Induktion von Tumoren und Nieren- und Leber­er­kran­kungen durch die Auf­nahme von gv-​Mais NK603 oder von Roundup nicht oder nur sehr ein­ge­schränkt nach­voll­ziehen oder kor­re­lieren. Die Publi­kation erlaubt in der gegen­wär­tigen Form keine Aus­sagen zur gesund­heit­lichen Bedenk­lichkeit von gv-​Mais NK603 mit und ohne Roundup-​Behandlung. Diese Publi­kation ist für eine erneute Risi­ko­be­wertung von gv-​Mais NK603 oder Roundup unge­eignet. Diese aus wis­sen­schaft­licher Sicht unzu­läng­liche Publi­kation recht­fertigt eine Neu­ge­staltung (Aus­weitung auf 2 Jahre) von Füt­te­rungs­ver­suchen zur Sicher­heits­be­wertung von trans­genen Pflanzen oder komplex zusam­men­ge­setzten Lebens­mitteln nicht.

Die Séralini-​Studie zeigt aber, dass es bislang keine ver­bind­lichen Vor­schriften für die Durch­führung von Füt­te­rungs­ver­su­chungen für komplex zusam­men­ge­setzte Lebens­mittel gibt. Die OECD-​Vorschriften sind Emp­feh­lungen und gelten eigentlich nur für Ein­zel­sub­stanzen. Séralini et al. haben sich aber weder an diesen Emp­feh­lungen ori­en­tiert, noch haben sie aus­rei­chend Daten zur Ver­fügung gestellt, die eine Über­prüfung ihrer Aus­sagen ermög­lichen. Unter­nehmen wenden die OECD-​Empfehlungen teil­weise auch variabel an, aber sie ver­öf­fent­lichen ihre Unter­su­chungs­er­geb­nisse voll­ständig oder machen sie den Risi­ko­be­wertern voll­ständig zugänglich. Es sind aber die ver­öf­fent­lichten validen Daten, die eine Risi­ko­ab­schätzung von Pro­dukten ermöglichen.

Besonders kri­tisch ist anzu­sehen, dass sich Séralini weigert, die Roh­daten zur Ver­fügung zu stellen. Diese seien aber bei einem Notar hin­terlegt. Diese strikte Geheim­haltung der Daten lässt fast ver­muten, dass Séralini eine Über­prüfung seiner Studie durch die Wis­sen­schaft fürchtet und deshalb ver­hindern möchte. Soll aller­dings Séralini von Politik und Regu­lie­rungs­be­hörden, aber auch von der Öffent­lichkeit, in seinem Anliegen ernst genommen werden und als ver­ant­wor­tungs­voller Wis­sen­schaftler ange­sehen werden, sollte er die Daten der Wis­sen­schaft und den Regu­lie­rungs­be­hörden unver­züglich zugänglich machen. Es stellt sich die Frage, ob es ethisch ver­tretbar ist, Daten zurück­zu­halten, die die Bedenk­lichkeit von gen­tech­nisch ver­än­dertem Mais NK603 und von Roundup (Gly­phosat) belegen.

 

 

Kor­re­spondenz:
Prof. Dr. Klaus-​Dieter Jany, Wadi-International-University 

Kontakt: Nel­kenstr. 36, 76351 Linkenheim-​Hochstetten, Deutschland;
Telefon +49 7247 89611, E‑Mail: kd.jany@t‑online.de

 

 

Lite­ratur:

(1) Séralini, G.-E.; Clair, E.; Mesnage, R. et al. (2012): Long term toxicity of a Roundup her­bicide and Roundup-​tolerant gene­ti­cally modified maize. Food Chem Tox. 50, 4211–4231

(2) ESFA (2012) Final review of the Séralini et al.(2012a) publi­cation on a 2.year rodent feeding study with gly­phosate for­mu­la­tions and GM maize NK603 as published online on 19 Sep­tember in Food and Che­mical Toxi­cology. EFSA Journal 10(1) 2985 http://www.efsa.europa.eu/de/efsajournal/doc/2986.pdf , und Anhang 1 enthält wichtige Stel­lung­nahmen als Volltext: http://efsa.europa.eu/de/efsajournal/doc/2986ax1.pdf 

(3) OECD (1998) OECD gui­de­lines for testing of che­micals – repeated dose 90day oral toxicity study in rodents, 408. http://browse.oecdbookshop.org/oecd/pdfs/free/9740801e.pdf 

(4) Wahle, B.S.; Sangha, G.K.; Lake et al (1999): Chronic toxicity and can­ce­ro­ge­nicity testing in the Sprague-​Dawley rat of a pro­s­pective insect repellent (KBR) using the dermal route of exposure. Toxi­cology 142, 41–46

(5) Ross, M.H.; Brass, G. (1965) Tumor inci­dence pat­terns and nut­rition in rat. J Nut­rition 87, 245–251

(6) EFSA Panel on Gene­ti­cally Modified Orga­nisms (GMO) (2011): Sci­en­tific opinion on gui­dance for risk assessment of food and feed from gene­ti­cally modified plants. EFSA J. 9(5), 2150–2186

(7) Flachowsky, G.; Schafft, H.; Meyer, U. (2012): Animal feeding studies for nut­ri­tional studies and safety assess­ments of feeds from gene­ti­cally modified plants: a review. J Verbr Lebensm. 7, 179–194

(8) Herman, R. A. (2013): Unin­tended com­po­si­tional changes in gene­ti­cally modified (gm) Crops: 20 years of research. J Agri Food Chem. Dx.doi.org/10.1021/jf400135r