Die Gewichtsabnahme ist der wichtigste Parameter zur Beurteilung des Erfolgs von Interventionsstudien zur Behandlung der Adipositas (Treadwell 2008). Dabei zeigt sich immer deutlicher, dass die traditionellen konservativen Methoden zur Gewichtsreduktion bei morbid adipösen Patienten nicht zum gewünschten Erfolg führen und dass in diesen Fällen chirurgische Verfahren aufgrund ihrer höheren Effektivität und Nachhaltigkeit vorzuziehen sind (O’Brien 2010, Dolan 2003, Dillard III 2007, Nadler 2008). Morbide Adipositas im Kindesalter ist bei bis zu 50 Prozent der Betroffenen mit Begleiterkrankungen assoziiert (Weiss 2004).
Die häufigsten bariatrisch-chirurgischen Verfahren bei Jugendlichen sind der laparoskopische Roux-Y-Magenbypass und das laparaskopische adustierbare Magenband (laparoscopic adjustable gastric banding, LAGB). Verglichen mit dem Magenbypass weist das LAGB eine geringere Mortalitätsrate und eine um zwei Drittel niedrigere Komplikationsrate auf (Inge 2007, Xanthos 2008) und hat weiters die Vorteile, adjustierbar und reversibel zu sein. In Untersuchungen mit Erwachsenen wurden außerdem ein nachhaltigerer Gewichtsverlust und eine weitreichendere Besserung von Begleiterkrankungen festgestellt (O’Brian 2006).
Das LAGB-System
Das adjustierbare Band wird so um den oberen Teil des Magens platziert, dass lediglich 10 bis 15 ml Fassungsvermögen oberhalb des Bandes verbleiben. Der Durchmesser des Magenbandes wird so eingestellt, dass Flüssigkeiten und feste Nahrung gerade noch passieren können. Die Einstellung des Durchmessers erfolgt über Flüssigkeitszufuhr oder –entnahme in dem schwimmreifenartigen Ballon an der Innenseite des Magenbandes. Bewerkstelligt wird das über eine Röhre, die in einen am Magenmuskel fixierten Injektionsport mündet. Lokalisiert werden kann der Injektionsport mittels Palpation oder Röntgen (Abb. 1). Die Anpassung des Magenbands kann ambulant durchgeführt werden. Grundsätzlich ist es auch möglich, das Magenband ambulant zu setzen (Cobourn 2010), bei stationärer Durchführung ist mit 1 bis 2 Tagen Spitalsaufenthalt zu rechnen (Abbildung 1).
Indikation und Patientenauswahl
Der erste Entwurf für Indikationskriterien für eine chirurgische Intervention im Rahmen der Adipositastherapie wurde 2004 von Inge und Wittgrove für die American Society for Metabolic and Bariatric Surgery (ASMBS 2004) erstellt. 2007 wurden die Interdisziplinären Europäischen Guidelines für Bariatrische Chirurgie (Fried et al. 2007) formuliert, die auch Jugendliche berücksichtigen (Aufzählung 1). Demnach kommen Patienten über der 99,5ten, nach Alter und Geschlecht adjustierten Perzentile für bariatrisch-chirurgische Maßnahmen in Betracht. Vor dem 14. Lebensjahr muss zusätzlich zumindest eine Begleiterkrankung vorliegen. Da das Behandlungskonzept im Anschluss an die chirurgische Intervention auch eine Umstellung der Ernährung und des Lebensstils beinhaltet, muss die psychosoziale Situation der ganzen Familie mit berücksichtigt werden.
- Schwere Adipositas über der 99,5. Perzentile, adjustiert nach Alter und Geschlecht
- Berücksichtigung der individuellen Situation im Hinblick auf eine Intervention durch Magenband oder –bypass
- Multidisziplinäres Team mit Pädiatern, Psychologen, Diätologen
- Sicherstellung einer adäquaten Ernährung und ausreichend körperlicher Aktivität
- Ausreichendes Verständnis für Risiken und Nebenwirkungen
- Erfahrene und spezialisierte bariatrische Chirurgen
- Sicherstellung einer adäquaten Betreuung vor und nach dem Eingriff inklusive Follow-up-Programm
- Bei einem Alter von unter 14 Jahren Vorliegen von zumindest einer Begleiterkrankung
Aufzählung 1: Indikation für bariatrisch chirurgische Eingriffe bei Kindern und Jugendlichen nach Inge und Wittgrove 2004 und den Interdisziplinären Europäischen Guidelines [14].
Die Entscheidung zu einem bariatrisch-chirurgischen Eingriff sollte erst nach Beurteilung des Patienten durch ein multidisziplinäres Team von Kinderärzten, Endokrinologen, Diätologen, Psychologen und bariatrischen Chirurgen getroffen werden. Als Voraussetzung gilt auch, dass Versuche zur Gewichtsreduktion mit konservativen Methoden wie Diätcamps und/oder Verhaltenstherapie erfolglos geblieben sind, dass aber bei einem chirurgischen Eingriff eine ausreichende Compliance zu erwarten ist. Zur präoperativen Evaluation der Patienten gehören weiters die Erhebung von Stoffwechselparametern (Glukosetoleranz usw.), eine Blutuntersuchung und die Erfassung eventueller Begleiterkrankungen (Bluthochdruck usw.). Anthropometrische Daten wie das Taille-Hüfte-Verhältnis (waist-to-hip ratio, WHR) sind routinemäßig zu bestimmen. Aktuelle Studien sprechen für die Verwendung psychologischer Skalen in der Vorbereitungsphase und im Follow-up (Braet 2009). Sie erleichtern die Einschätzung psychischer Faktoren wie Diätverhalten oder Psychopathologien und können damit die Differentialdiagnose und die Formulierung spezifischer Therapieschemata unterstützen. Dabei ist vor allem der Bariatric Evaluation Score for Children (BAREV-C) zu empfehlen, der auf Basis des Interdisziplinären Testsystems zur Diagnose und Evaluierung von Adipositas (Ardelt-Gattinger 2010) entwickelt wurde. Der BAREV-C ermöglicht erstmals eine umfassende Evaluierung der Interventionen auf individueller Ebene wie auch für Patientenkollektive. Er kann bei Interventionsstudien eingesetzt werden, eignet sich aber auch hervorragend als Kontrollinstrument in der täglichen Praxis (Weghuber 2012) (Abbildung 2).
Follow-up und Adjustierung
Kinder und Jugendliche müssen nach einer bariatrischen Operation psychologische und diätetische Unterstützung bekommen, wobei deren Familien einzubeziehen sind. Die erste Adjustierung des Magenbands wird von uns frühestens 4 bis 6 Wochen nach dem Eingriff durchgeführt. Nach 3, 6 und 12 Monaten kommen die Patienten zur Nachkontrolle, in der Folge alle 6 Monate. Bei den Follow-up-Untersuchungen werden zumindest Körpergewicht, Blutdruck und Ernährungsverhalten überprüft. Zur Erfassung psychischer Veränderungen wird das Quality of Life Questionnaire (Moorehead, Ardelt-Gattinger 2003) eingesetzt. Dabei handelt es sich um eine erweiterte Form des 1998 von Oria beschriebenen Bariatric Analysis and Reporting Outcome System (BAROS).
In manchen Fällen sind mehrere Anläufe erforderlich, um die optimale Einstellung des LAGB im Hinblick auf frühzeitige Sättigung zu finden. Aufstoßen und Erbrechen sind auf jeden Fall zu vermeiden, da es in der Folge zu Komplikationen kommen kann.
Studienergebnisse
Randomisierte kontrollierte Studien mit Erwachsenen haben gezeigt, dass das Magenband im Vergleich zu einer Lebensstilmodifikation therapeutisch effektiver und kosteneffizienter ist (O´Brien 2006, Dixon 2008, Keating 2009). Bei der ersten randomisierten kontrollierten Studie mit morbid adipösen Jugendlichen, die Effektivität von Magenband und Lebensstilinterventionen zur Gewichtsreduktion verglich, wurde zwar in beiden Gruppen eine Gewichtsabnahme und eine Verbesserung des Gesundheitsstatus festgestellt (O’Brian 2010). Das Magenband erwies sich aber als wesentlich effektiver: Die Gewichtsabnahme war deutlich größer, wobei sich entscheidende Verbesserungen beim Metabolischen Syndrom, bei der Insulinresistenz und der Lebensqualität ergaben. Die Ergebnisse eines systematischen Reviews zum Einsatz des Magenbandes bei Jugendlichen sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
Die Durchführung eines LAGB bei Kindern und Jugendlichen in spezialisierten Zentren kann als sicher betrachtet werden, Komplikationen wie Abgleiten oder Erosion des Bandes oder Erweiterung des Ösophagus kommen auch im Langzeit-Follow-up selten vor (Angrisani 2005, Silberhumer 2011). Die erzielte Gewichtsabnahme bei Jugendlichen liegt zumindest im selben Bereich wie bei Erwachsenen, nicht selten aber auch darüber (Inge 2007, Fielding 2005). Bei nicht ausreichender Gewichtsabnahme oder gar Gewichtszunahme kann ein Magenbypass in Erwägung gezogen werden (Widhalm, Silberhumer 2011).
Diskussion
“Adipositas bei Kindern und Jugendlichen ist eine der am schwierigsten zu behandelnden Erkrankungen”, schreibt SE Barlow in “Pediatrics”. Bei adipösen Erwachsenen sind bariatrisch-chirurgische Interventionen heute eine vielfach genutzte therapeutische Option, die in den Interdisziplinären Europäischen Guidelines für Bariatrische Chirurgie auch für den Einsatz bei Jugendlichen evaluiert wird. Die am häufigsten angewandten Verfahren sind das laparaskopische adustierbare Magenband (“Magenband”, LAGB) und der laparoskopische Roux-Y-Magenbypass (“Magenbypass”).
Die meisten Studien attestieren dem Magenband Sicherheit und Effektivität, sofern Eingriff und Folgebehandlung durch ein multidisziplinäres Team mit ausreichender Expertise durchgeführt werden und die Eignung der Patienten sorgfältig überprüft wurde. Bariatrisch-chirurgische Interventionen bei Erwachsenen in spezialisierten Zentren sind mit einer geringen Morbidität verbunden, Mortalität liegt keine vor. Die Applikation eines Magenbandes als chirurgische Erstbehandlung hat den Vorteil, reversibel und ohne Veränderungen in der Physiologie des Verdauungstrakts zu sein. In den ersten 3 Jahren nach dem Eingriff wird üblicherweise ein signifikanter Gewichtsverlust beobachtet, der in der Folge zwar abflacht, nichtsdestoweniger aber mit einer Verbesserung der Lebensqualität einhergeht und vor allem größer ist als bisher mit konventionellen Methoden erreichbar. Führt das Magenband nicht zu dem gewünschten Erfolg, so sollte ehebaldigst ein Magenbypass in Erwägung gezogen werden.
Autor: Prim. Univ.-Doz. Dr. Karl Miller, MD, FACS, Abteilung für Chirurgie, Krankenhaus Hallein, Bürgermeisterstraße 34, 5400 Hallein, Austria, Karl.Miller@kh-hallein.at, Tel +43 6245 799360, Fax +43 6245 799361
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